Zitat:Naja, von leeren Versprechungen kann man nicht reden. Israel ist für "Friedensgarantien", die die Gegenseite nie eingehalten hat, z. B. aus dem Südlibanon und aus Gaza abgezogen, was enorme innenpolitische Spannungen, ja gesellschaftliche Zerreißproben, in Israel selbst erzeugt und so manchen Regierungschef dort in Nöte gebracht hat. Das Ergebnis war aber, dass es dennoch keinen Frieden gab, sondern weiterhin Raketenangriffe und terroristische Übergriffe. Die Siedlungen, hin oder her, sind sicher kein guter Ausgangspunkt für Friedensgespräche, aber die Gegenseite hat wirklich alles getan, damit man in Israel auch den Glauben daran teilweise verliert.
Aus israelischer Perspektive ist das völlig korrekt. Allerdings übersieht man dabei die Problematik des Wirkmechanismus des sequenzierten-partiellen Abzugs aus einer übergreifenden, zeitlich-strukturellen Sicht.
Kurz gefaßt: Ein schrittweiser, sich lange hinziehender Ansatz von kleinen Abzugsschritten ist ziemlicher Blödsinn. Warum?
Und hier die Erklärung: Konflikte haben nunmal zwei Seiten und wenn man wirklich Frieden erreichen will und nicht nur symbolisch für sich selbst das eigene Gewissen beruhigen will und ein bißchen Friedenswillen bekunden will, muss man eher daran denken, wie es beim Gegenüber ankommt, nicht so sehr, wie man es selbst meint.
Ich will gar nicht grundsätzlich bestreiten, dass so manche israelische Administration im Ansatz friedenswillig war. Aber zum Einen war der Umfang zu gering, zum anderen ist die eigene Intention eben nicht immer gleich dem Prozess-/Handlungsoutput. Daher muss man eben stets die Rückzugshandlungen, die stets begrenzt waren, in einen historischen Rahmen einordnen, der zudem auch die Sicht der Gegenseite einschließt.
Im Südlibanon hat die israelische Führung ganze 11 Jahre das Ende des libanesischen Bürgerkriegs verschlafen und weiterhin eigene Truppen und Hilfstruppen (SLA) unnötigerweise im schiitischen Südlibanon gehalten. Der Rückzug kam schlicht zu spät und war eben politisch nicht eingebettet in weitere Verhandlungsversuche. Die Israelis haben schlicht aus Eigenverschulden, durch die schlechte Behandlung der ursprünglich ganz und gar nicht antiisraelisch eingestellten schiitischen Bevölkerung des Südlibanon sich selbst den Feind herangezüchtet und dann eben diplomatisch und politisch den richtigen Zeitpunkt zum Rückzug, zum Exit, verschlafen. Man hat 11 Jahre das Ende des Bürgerkriegs verschlafen und so die Feindmusterwahrnehmung bei der Hizbollah unnötigerweise zementiert. Als Rache bzw. nun als überzogene Reaktion für die überzogen lange Okkupation der Israelis hat die Hizbollah nun weiter den Konflikt fortgeführt.
Bei Gaza ist es ähnlich. Hier hat man auch erst nach Jahren der zerstörten Hoffnungen und nicht in einem umfassenden politischen Prozess, sondern nach militärischer Gewalt und einem blutigen Aufstand, sich zurückgezogen. Zudem war das Timing völlig verheerend: Was blieb denn haften bei den politisch entscheidenden Kreisen der Hamas, des Dschihad oder der Fatah aus ihrer Sicht angesischts des Rückzugs?? Dass eben die beiden ersten Gruppierungen scheinbar "Recht hatten", dass Israel sich nämlich nicht in den relativ friedlichen 1990er Jahren im Zuge des Friedensprozesses sich zurückgezogen hat, sondern erst nach dem Blut, der Gewalt und den Opfern der zweiten Intifada. Da blieb dann bei den Führer der Hamas hängen, dass Gewalt und Widerstand gegen die Israelis doch das einzige Mittel gegen die Besatzung ist.
Da war Scharons gute Absicht, der ich ehrlich gesagt auch gar nicht traue, ein Schuss in den Ofen, zumindest in der Form, zu der Zeit, in dieser Weise. Überdies glaube ich auch, dass Scharon keinen Friedenswillen demonstriert hat aus Einsicht oder Gutmütigkeit, sondern dass eben doch das Kalkül der Hamas mit Bezug auf den Widerstand aufging: Angesichts der paar Siedler in Gaza waren die Kosten und Opfer der Kämpfe schlicht zu hoch und so konnte die Hamas die Israelis per paläst. Selbstopferung aus Gaza herausekeln.
Also, ich hoffe aufgezeigt zu haben, dass solche einzelnen Akteurssichten stets mit der der anderen Seite kontrastiert werden muss, um einen passenden Überblick über die Ereignisse zu bekommen.