Erich schrieb:@ Schneemann:
mit dem Mafia-Menschen hast Du recht ... da war ich gestern nicht mehr sehr fit;
Allerdings verstehe ich die Hype mit dem gefangen genommenen israelischen Soldaten nicht. Wieviele hunderte von Hamas-Mitglieder hat Israel in den Wochen vor Beginn der aktuellen Auseinandersetzung gefangen genommen, ohne dass damit akzeptiert worden wäre, dass die Palästinensischen Seite den vor einigen Jahren erzielten "brüchigen Waffenstillstand" als beendet erklärt.
Und jetzt soll kurz vor oder nach Beginn des Waffenstillstandes die Gefangennahme eines israelischen Soldaten das terroristische Drama darstellen, das den Waffenstillstand gefährdet?
Ist das nicht etwas sehr vorgeschoben? So mit der ersten Gelegenheit endlich wieder drauf hauen dürfen?
Die Entführung des Soldaten passierte nicht einfach so irgendwie. Sie war Ergebnis eines massiven, gezielten und lange vorbereiteten Angriffs der Hamas. Kalkuliert beginnend kurz nach der Feuerpause der man selbst zugestimmt hat.
Sprich, die Hamas hat diesem Waffenstillstand berechnend zugestimmt um die israelischen Einheiten auf falschen Fuß überraschen zu können.
Bei der Aktion brachen dann schwere Gefechte aus, die Hamas hat in Zugstärke unter Zuhilfenahme von Scharfschützen, ATGM Trupps und Selbstmordattentätern angegriffen.
Das macht man nicht mal eben so spontan, das haben sie bewusst schon vorher so geplant.
Einen klareren Bruch eines Waffenstillstands kann es nicht geben.
Und das ist was an der Geschichte verurteilenswert ist. Es ist sicher nicht verwerflich das sie versuchen Gefangene zu nehmen. Aber es ist etwas völlig anderes wenn Gestern noch mit großem Tamtam eine 72 Stündige Waffenruhe mit weitergehenden Verhandlungen angekündigt wird und man am nächsten Tag dann sowas durchzieht.
Da gibt es keine Rechtfertigung für.
Erich schrieb:Das war doch beim letzten Waffenstillstand schon so. Israels Armee hatte die Zerstörung der Tunnel nicht eingestellt, sondern forciert. Und damit den Waffenstillstand nie richtig eingehalten, denn der Verzicht auf Gegenwehr hätte auch den Verzicht auf die Fortführung dieser Angriffe bedeutet.
Und ich bin gar nicht sicher, ob das nicht jetzt auch so war - also Israels Armee trotz "Waffenstillstand" weiter mit den Angriffen auf die Tunnel gemacht hat. Wenn dann der jetzt gefangen genommene Soldat auch noch in diese Angriffe verwickelt gewesen wäre, dann könnte man alles mögliche behaupten - aber nicht, dass die Hamas einen Waffenstillstand "gebrochen" habe.
Man sollte schon auch mit gewissen Details vertraut sein bevor man sich in Fantasien versteigt:
Der Waffenstillstand von Gestern beinhaltete die Erlaubnis für die IDF Tunnel die man kontrolliert. So wie es aussieht hat die IDF in den Momenten des Angriffs genau nichts gemacht außer das Gelände vor Tunneleingängen zu halten, die man in den Tagen zuvor entdeckte.
Erich schrieb:Im Übrigen meldet doch die Hamas genauso wie Israel, die "andere Seite" hätte den Waffenstillstand nicht eingehalten. Bei dem Gewirr da würde ich für keine Seite meine Hand ins Feuer legen:
Nein natürlich nicht.
Überlegen wir mal: Hamas, eine Terrororganisationen die seit Beginn der Operationen einen exzellenten Propagandakrieg aufzieht, der von Lügen nur so strotzt.
Auf der anderen Seite Israel, eine demokratische Nationen mit freien und kritischen Medien wo man sich es garnicht leisten kann groß Märchen zu erzählen und es bislang auch nicht tat.
Selbstverständlich reicht es da wenn die Hamas irgendeinen Blödsinn von sich gibt um für 'keine Seite die Hand ins Feuer zu legen'
völlig klar
rofl
Erich schrieb:also wurde der Soldat gefangen genommen, als er selbst gegen die Waffenruhe verstoßen hat. Da braucht man wirklich nicht zu jammern. Er hätte auch sein Leben verlieren können. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.
Die 'Operation gegen Tunnel' beinhaltete schlicht, dass die Soldaten wie die letzten Tage auch vor den Tunneleingängen in Stellung waren.
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Was hat das alles jetzt für Konsequenzen?
Die Situation ist echt absurd. Die Regierung Netanyahu versucht händeringend einen Waffenstillstand zusammen zu zimmern den sie politisch halbwegs zu Hause verkaufen können. Und die Hamas scheint von Tag zu Tag mehr Entschlossen kämpfend untergehen zu wollen.
Die Entführung heute ist zweifellos der entscheidende Punkt in diesem Konflikt. Aber er dürfte kein Wendepunkt sein, im ganz im Gegenteil.
Ich rechne zwar damit, dass Hamas jetzt mit diesem pseudomäßigen Sieg eher bereit ist irgendetwas auszuhandeln. Das hilft aber nicht, denn sie stehen damit jetzt der israelischen Regierung gegenüber, die garnicht mehr verhandeln kann.
Die Stimmung in Israel war schon vor der Geschichte heute so aufgeheizt und kriegswillig wie nie zuvor. Wenn sich der Staub gelegt hat wird es hochinteressant zu analysieren wie es zu dieser Entwicklung kam. Denn das dürfte auch längerfristig erhebliche politische Auswirkungen haben.
Konkret jetzt für die aktuelle Lage bedeutet das aber, dass die Entführung eines Soldaten während der Feuerpause die Wut der Bevölkerung bis zum überkochen gesteigert hat.
Und das bezieht sich nicht nur auf die Hamas, sondern auch auf die eigene Regierung der viele vorwerfen viel zu lasch gegen die Hamas vorzugehen. Netanyahu und Yaalon werden jetzt sehr scharfen Vorwürfen vor allem aus dem eigenen Lager ausgesetzt und der Druck auf das Sicherheitskabinett die Samthandschuhe auszuziehen und richtig loszuschlagen wird noch erheblich zunehmen.
Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass Netanyahu da noch genügend politischen Spielraum findet um seinen aktuellen Kurs - Zerstörung der Tunnel, Waffenstillstandsbemühungen, unilateraler Abzug - durchzuziehen.
Wenn er es tut - oder aufgrund von Druck von außen tun muss - halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass seine Regierung zerbricht und es in Kürze nach dem Krieg Neuwahlen geben wird. In einer aufgeheizten Lage in der sich die Wut der Bevölkerung ob der vermeidlich verschenkten Operation an den Wahlurnen entladen wird.
Netanyahu würde diesen Urnengang politisch nicht überleben. Sehr wahrscheinlich wäre er nicht einmal mehr Spitzenkandidat des Likuds. Das Wahlergebnis würde eine Regierung hervorbringen die nocheinmal deutlich weiter Rechts steht. Und dann wird es in der nächsten Runde richtig hässlich.
Dementsprechend bleibt Netanyahu und Yaalon nichts anders übrig als jetzt zu eskalieren. Strategisch wäre es sinnvoll nach der Zerstörung der Tunnel abzuziehen wie sie es vorbereitet hatten. Aber politisch ist das mit dem heutigen Tag eigentlich nicht mehr vorstellbar wenn sie nicht politischen Selbstmord begehen wollen.
Richtig unschöne Situation das Ganze.
Was soll man dann Militärisch in Gaza machen? Ich habe schon die Tage geschrieben, im Prinzip hat man mit der limitierten Bodenoffensive alles erreicht was man sinnvollerweise erreichen kann. Will/Muss man weitermachen bleibt eigentlich nur der finale Schritt in Richtung Endgame. Massiv reingehen mit einem Armeekorps, die Städte einkesseln und Häuserblock für Häuserblock freikämpfen.
Das wäre natürlich eine völlig anderes Kriegsgeschehen als wir jetzt sehen und die Zerstörung würde regional apokalyptische Ausmaße annehmen.
Werden wir das so sehen?
Ich bezweifle es noch immer. Auch wenn es zwischen diesem Szenario und dem was bislang gemacht wurde militärisch kaum weitere Sinnvolle Eskalationsstufen gibt.
Die wahrscheinlichere Entwicklung ist eher, dass man jetzt nochmal richtig nachlegt und noch mehr terroristische Infrastruktur kleinhaut, ohne dass das in Nachbetrachtung Groß einen Unterschied machen wird.
Aber wir werden sehen. In jedem Fall bleibt festzuhalten, ein höchst spannender Konflikt, militärisch wie politisch.