(26.12.2024, 18:47)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Das heißt aber ebenfalls, dass sich dieses Mullah-Regime gar nicht so sehr vom Westen TM unterscheidet und dass es sich gerade eben um einen rationalen Spieler handelt, der sowohl Bestechung zugänglich ist als auch jedem radikalen Politikwechsel solange dies seinen persönlichen Pfründen dient.
Bestechung darfst Du das nicht nennen. Um es mal kulturhistorisch aus meiner Sicht zu erläutern. Schon immer war es so, dass wenn man sich im Bereich der wirtschaftlichen Interaktion auf der Seidenstraße an den Spielregeln des Basars orientierte. Dann macht man am Basar faire Geschäfte, für die Sicherheit das Wohl der Karawane wurde stets gesorgt, und es war zwar spannend aber letztlich unerheblich wo die Karawane herkam. Auf dieser Grundlage konnte man, wenn politische Sicherheit herrschte, stets sicher durchs Land kommen, erhielt Hilfe wo man sie brauchte. Und selbst wenn keine politische Sicherheit herrschte, dann hatte die Karawane eine Priorität. Und im Zentrum steht der Basar. Das ist kulturell eingepflanzt und wird als persischen Gastfreundschaft bezeichnet. Es ist am Ende ein guter Ton, eine Werbung für den Handelsplatz. Kundenpflege. Wer aber an persischen Basaren feilscht, macht sich schnell unbeliebt. Wir sind hier nicht in Nordafrika. Und wer systematisch den Basar bescheißt, verliert mindestens im übertragenen Sinn seine handelnde Hand. Das sind marktregulierende, kulturell in das Denken implementierte Geschäftsethiken, die gute und schlechte Seiten haben, je nachdem wie man es sieht. Auch eine religiöse Autorität wird am Ende den Basar nicht bescheissen, sondern höchsten gemeinsam Dritte.
Zitat:Gerade darin, dass die Mullahs im Iran eine Ausgeburt einer verlogenen Heuchelei sind, gerade darin liegt die große Chance für eine weitgehend friedliche Koexistenz. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass man den Iran so wie er jetzt ist auf die Seite des Westens ziehen könnte wenn man dies wollte.
Es ist primär das Bündnis zwischen den USA und den Ölarabern welches dies verhindert bzw. praktisch verunmöglicht.
Die USA benutzen ihre Präsenz für ihre eigenen geopolitischen Interessen. Egal wo sie sich außerhalb der USA aufhalten. Das ist bei den Ölarabern genauso, wie bei all den an anderen Orten Asiens, Europas und Afrikas. Wenn die Amerikaner nur dort wären, um Öl zu kaufen und Coca Cola zu verkaufen, wäre das eine optimale Geschäftsgrundlage um froh in Dollar zu bezahlen und bezahlt zu werden. Bestechung würde ich das nicht nennen. Auf Worte wie "Bestechung" stehen die Mullahs sowieso nicht und Erpressung widerspricht der Geschäftsethnik auf dem Basar. Man kann einem Händler Glasperlen verkaufen, aber man erpresst nicht die Händler und besticht die Theokraten. So läuft das nicht.
Zitat:Exakt das ist der entscheidende Punkt: wenn man mal die ganze ethisch-moralische Seite beiseite lässt - die uns aber in Saudi-Arabien et al auch nicht stört - wäre der Iran durchaus bereit sich für genug Profit vom Westen aufkaufen zu lassen.
Also nachdem man den Iran aus seinen Beteiligungen bei EU Unternehmen, wie bspw. Thyssen Krupp, Daimler, BP und sowieso der französischen Nuklearindustrie gedrängt hat, sowie die EU Automobilindustrie, Ölindustrie, Luftfahrtindustrie, usw..kollektiv ihre vertraglichen Verpflichtungen auf dem persischen Basar verletzt haben und dafür nun iranische und chinesische Firmen um die Marktführerschaft streiten, ist das kühne Aussage. Nicht zuletzt weil der Westen in der Vergangenheit die wiederholte Balz der pro-europäischen Strömungen innerhalb der "Mullahkratie" aus ideologischen Gründen nicht mit Handel sondern mit Unruhe begegnet hat. Aus meiner Sicht ist die Abnabelung vollzogen und alle politisch tot, die noch im Gestern verharren.
Zitat:Der Westen, auch diese Bundesrepublik ist eng mit den Saudis verbandelt, diese Bundesrepublik liefert Waffen an Saudi-Arabien, ein Land in dem es weniger Frauenrechte und einen noch rigideren Islam als im Iran oder bei den Taliban gibt.
Sollen sie es doch tun. Aber ist es nicht unfair den Saudis zu erklären, wozu er diese Waffen braucht?
Zitat:Die Christlich Demokratische Union setzt sich für Rüstungsdeals mit einem Land ein, in welchem der bloße Besitz einer Bibel ebenso verboten ist wie das Sprechen über die christliche Religion oder sogar nur der Besitz von Weihnachtsschmuck.
Das sagen sie als "Transatlantiker". Die Damen und Herren von der CDU sind in erster Linie der Auffassung, dass es hilfreich für ihr Geschäft ist. Innen- sowie außenpolitisch opportun. Dieses höhere Ideal des Transatlantiker-Daseins in einer Gesellschaft zu implementieren ist eine große Aufgabe mit großer Wirkung.
Zitat:In Sachen Heuchelei können die Iraner noch eine Menge von uns lernen.
Steile These, junger Padawan.
Zitat:Der wahre und einzige Grund warum der Iran unser Feind ist und leider bleiben wird liegt darin, dass sich der Westen für die Ölaraber entschieden hat und dass der Iran sich nicht ausreichend unterordnen wollte, und schlussendlich weil der Iran aus vielerlei rein machtpolitischen Gründen den Konflikt mit Israel gesucht hat, primär um sich dadurch selbst zu stabilisieren und eine Legitimation zu haben, insbesondere auch in der Frage der Ausdehnung seiner Macht, was sich aber immer auch gleichauf gegen die Ölaraber gerichtet hat bzw. richtet. Man begründete zwar die Aufrüstung seiner Marionetten mit dem Kampf gegen Israel (Achse des Widerstandes Propaganda), aber tatsächlich richtete und richtet sich das alles mehr gegen die Araber als gegen Israel. Die Houthis sind ein perfektes Beispiel dafür.
Die Iraner haben eigentlich keine diplomatische Luft oder die militärische Fähigkeit gehabt, sich das Spielfeld selbst zurecht zu legen. Nach der Revolution erfolgte der Überfall des Irak und 8 Jahre Krieg. Es waren die USA, die Ölaraber und die ganzen anderen Transatlantiker, die in diesem Krieg und in seiner Folge eindeutig Position bezogen haben. Der Iran reagiert in diesem Kontext tatsächlich eher wie ein defensiver Schachspieler. Die eigenen Figuren nur aus Holz geschnitzt und es beschützt den König und die Dame. Alles andere ist Show von Innen und von Außen. Effektiv kann sich der Iran nur situativ anpassen, Verbündete in ähnlicher Lage suchen, deeskalieren um marktfreundliche Verhältnisse zu schaffen. Es sind andere Mächte die dort das Spielfeld dominieren und dem Iran vorwerfen er würde die Region destabilisieren und Einfluss nehmen. Aus Sicht der Basaris müssen die weg, aus Sicht der Theokraten ist das ein Umstand. Der Gedanke ist, dass wenn die malignen äußeren Einflüsse verschwinden, der Iran das Spielfeld, den Markt, die Politik, die Regeln, regional hinreichend dominieren wird. Eine These, die auch die Gegner des Iran teilen.
Zitat:Und umgekehrt nutzt auch Israel diesen Konflikt für seine eigenen Interessen. Die ganze Feindschaft mit dem Iran hat also allerorten nur rein logische, machtpolitische Hintergründe und Zielsetzungen. Würde man diese aufdröseln, wäre sogar die Volte möglich, dass der Westen, Israel und der Iran sich verbünden und die Ölaraber dann noch mehr die Opfer sind als jetzt schon. Rein theoretisch natürlich, weil diese Hintergründe aufzudröseln auf beiden Seiten zur Zeit als weniger profitabel gesehen wird als den Konflikt bestehen zu lassen.
Die israelische Regierung nutzt Konflikte nicht nur aus, sondern es erzeugt sie selbst, schürt sie selbst. Exakt so weit, wie die USA sie wirtschaftlich, militärisch und politisch tragen. Das sind "Transatlantiker", da träumt die CDU nur von. Die sind ja froh, dass sie überhaupt mitlaufen dürfen. Die Geopolitik der Transatlantiker im Nahen/Mittleren Osten ist in erster Linie schlecht für den persischen Basar und nachrangig schlecht für die schiitischen Theokraten, die das ganz gut nutzen können.