OT on - am Beispiel Iran, aber damit auch den Hintergrund Israel vs. Syrien beleuchtend
Der Iran - das alte "Persien" - ist nun einmal eine Regionalmacht im Mittleren Osten, deren Macht oder Stärke sich unmittelbar bis zum Mittelmeer auswirkt. Das war schon in der Antike so - ich erinnere an die "babylonische Gefangenschaft" (Sie beginnt 597 v. Chr. mit der ersten Eroberung Jerusalems und des Königreiches Juda durch den babylonischen König Nebukadnezar II. und dauert bis zur Eroberung Babylons 539 v. Chr. durch den Perserkönig Kyros II.), an das Perserreich um 500 v. Chr. und den sogenannten Alexanderzug und die Eroberung des
Achämenidenreichs durch den Mazedonier Alexander d. Großen, oder das Gerangel der Römer mit dem
Seleukidenreich.
Da können "tagesaktuelle Schwankungen" nicht darüber hinweg täuschen. Und auch bei vorübergehender Schwäche dieser Regionalmacht gilt - das sind vorübergehende Phasen.
Deshalb tut man gut daran, den Iran genauso wie die arabischen Staaten in ihrem Potential ernst zu nehmen und zu respektieren. Alles andere, auch der Versuch, eine solche Regionalmacht "klein zu halten", sind auf Dauer gesehen zum Scheitern verurteilt und daher Ressourcenverschwendung.
Und mit Respektieren meine ich:
die Bevölkerung und Gesellschaft blickt auf eine mehrtausendjährige Genese zurück. Die Gesellschaft hat sich entwickelt, ist von ihrer Geschichte geprägt - und es zeugt von Hochmut, einer solchen Gesellschaft mit Gewalt einen fremden Lebensstil überstülpen zu wollen. Daran ist letztendlich auch der Schah gescheitert.
Eine Entwicklung muss vielmehr aus der örtlichen Tradition heraus von sich aus geschehen. Nur so ist sie anhaltend und nachhaltig.
Ja, im Islam herrscht z.B. ein anderes "Frauenbild" als im sogenannten christlichen Abendland. Aber vergessen wir bitte nicht, dass die "Emanzipation" auch in Deutschland streng genommen erst eine Nachkriegsentwicklung ist. Schaut Euch nur das "Idealbild der sorgenden Hausfrau" in den frühen Werbesendungen der Bundesrepublik an. Diese tradierte Geschlechterrolle ist doch soziologisch gesehen erst in's Wanken geraten, als die Frauen in unmittelbarer Auswirkung der beiden Weltkriege auch "zuhause ihren Mann stehen" mussten.
Das "westliche Frauenbild" findet auch im Orient seinen Anklang - es führt aber im Kontrast mit tradierten Geschlechterrollen zu einem innergesellschaftlichen Konflikt, der zunehmend auch mit Gewalt ausgetragen wird.
OT out
Und damit komme ich zum aktuellen Thread-Thema:
Syrien war und ist - wie die ganze arabische Welt - noch bis Mitte des letzten Jahrhhunderts tief in der orientalischen Tradition verankert. Die paar Jahrzehnte Kolonialherrschaft zwischen dem osmanischem Empire und der staatlichen Selbständigkeit ändern daran nichts.
Und dann kamen - auch in Folge der shoa, aber schon Jahrzehnte vorher durch zionistische Ideologien eingeleitet - Menschen nicht nur jüdischen Glaubens, sondern aus einer völlig anderen Gesellschaftsstruktur und haben sich im späteren Land Israel niedergelassen.
Da sind zwei völlig unterschiedliche gesellschaftliche Ansätze aufeinander geprallt. Das kann eigentlich nur schief gehen.
Assad (wie übrigens auch sein Counterpart im Irak) haben mit der Baath-Partei einen scheinbar sehr säkularen Ansatz angestrebt, und (wie seinerzeit der Schah) der orientalisch tradierten Gesellschaft übergestülpt oder aufgezwungen. Das erweckt Widerstand, der mit immer härteren Terrormaßnahmen niedergebügelt wurde. Und da ist es völlig egal, ob das jetzt "unser Gewaltherrscher" oder "der Verbrecher der anderen Seite" tätig war - die Methoden ähnelten sich oft.
Im Iran, im Irak - und jetzt auch in Syrien - hat sich die tradierte islamische Gesellschaft letztendlich gegen diesen säkulären Ansatz durchgesetzt, mit Gewalt - das säkulare Regime ist wie ein Kartenhaus zusammen gebrochen.
Jetzt schwingt das Pendel gerade massiv in die Gegenrichtung. Jetzt sind es national-religiöse Kräfte, die das Ruder übernommen haben. Und das lässt für die Koexistenz mit dem immer noch westlich geprägten Israel nicht unbedingt optimistische Hoffnung erwarten.
Israel wird aus seiner nationalen Sicht nichts besseres tun können, als die Oppositionskräfte in Syrien zu fördern - also die kurdischen Kräfte so massiv wie möglich zu unterstützen, und damit den Einfluss der israelkritischen Türkei und ihrer syrischen Verbündeten soweit möglich zu neutralisieren.
Die Vernichtung der Arsenale der ehemaligen syrischen Streitkräfte geht genau in diese Richtung.
Das heißt aber nicht, dass Israel den gesellschaftlichen Einflüssen seiner Nachbarn nicht ausgeliefert wäre.
Im Gegenteil, die Art und Weise, wie Bibi sich trotz massiver Korruptionsvorwürfe an der Macht hält - zeigt, dass auch in Israel eine "orientalische Winkelzugpolitik" zusehends an Stärke gewinnt.
Irgendwann werden sich die gesellschaftlichen Ansätze zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn angleichen. Ob das zum Vorteil der israelischen Bevölkerung sein wird, kann man erst in Zukunft sehen.
Aber was heißt schon "Vorteil" bei einer gesellschaftlichen Entwicklung?