(17.12.2024, 12:57)Helios schrieb: [ -> ]Das ganze Konstrukt des Völkerrechts, egal ob in einer kodifizierten Form oder als reines Gewohnheitsrecht, funktioniert nur über Anerkennung und erlangt über diese ihre Bedeutung (oder Bedeutungslosigkeit). Insofern ist die Frage, in wie weit (qualitativ und quantitativ) eine gewisse Rechtsauffassung von den Staaten geteilt wird sehr relevant für die Bewertung der Berechtigung. Wenn du besonders die "relevanten Player" hervorhebst, allein eine solche Betrachtung widerspricht bereits dem kodifizierten Völkerrecht und zeigt ziemlich deutlich, dass die gesamte Argumentation eben ein Taschenspielertrick zur Legalisierung darstellt, als eine tatsächlich legitime Völkerrechtsauffassung. Die interessantere Fragestellung ist im übrigen in meinen Augen eh, warum eine Völkerrechtskonformität gerade jetzt und in diesem Fall relevant ist.
Nochmal von vorne:
Israel hat den Golan 1981 annektiert. Diese Annektierung wurde international (aus verschiedenen politischen Gründen) nicht anerkannt und Israel hat keine Relevanz darin gesehen, ihre Position international groß zu begründen.
2019 hat sich dann die USA dazu (aus politischen Gründen) dazu entschlossen, die israelische Annektierung anzuerkennen. Auf Basis der Begründung, dass eine Annektierung aus einem Defensivkrieg heraus völkerrechtlich zulässig ist. Diese Begründung ist kein Taschenspielertrick sondern völkerrechtlich valide und es gibt gute Gründe (siehe die verlinkte Rechtsschrift) warum dies so ist. Entsprechend ist auch die Nachfolgeadministration davon nicht mehr abgewichen.
Stichhaltige Rechtliche Argumente dagegen wurden nicht ins Feld geführt. Die Reaktion anderer Völkerrechtssubjekte beschränkte sich im wesentlichen auf politische Bedenken und 'geht nicht weil is nich'.
Diese Auffassung können sie in ihrer eigenen Souveränität durchaus vertreten. Nur steht völlig gleichberechtigt daneben die Rechtsauffassung anderer ebenso souveräner Völkerrechtssubjekte wonach die Annektierung zulässig ist.
Und damit ist sie es auch. Es gibt keine magische Grenze an Völkerrechtssubjekten die erreicht sein muss, damit eine inhärent valide Rechtsauffassung vertreten werden darf. Staaten haben das Recht ihre Rechtsauffassung zu vertreten, auch wenn sie von der überwiegenden Mehrheit anderer Staaten nicht geteilt wird. Ein Mehrheitsprinzip existiert nicht, die Anerkennung einer Interpretation durch einen gewichtigen Player ist ohne Weiteres ausreichend.
Sich widersprechende Völkerrechtsinterpretationen existieren dabei nebeneinander, müssen mangels Entscheidungsautorität ausgehalten werden.
Man könnte parallel noch argumentieren, dass es jenseits aller Mehrheitsverhältnisse schon eine verdammt schräge Rechtsauffassung ist, eine Annektierung ohne stichhaltige rechtliche Argumente verhindern zu wollen nur weil es einem letztlich aus ordnungspolitischen Überlegungen nicht in den Kram passt. Diese Überlegungen mögen zwar stichhaltig sein, taugen aber nicht als Gegenargument gegen die völkerrechtlich valide These, dass Annektierungen durch Defensivkriege rechtlich zulässig sind.
Warum wir darüber diskutieren weiß ich nicht. Es interessiert schließlich auch absolut keine Sau, dass Indonesien 1969 West Papua annektiert hat, was Marokko mit der Westsahara treibt, die Türkei mit Nordzypern oder die Chinesen mit Tibet.
Kongo Erich schrieb:Wer die Annexion der Golan-Höhen durch Israel als zulässig bezeichnet, muss erst recht die Annexion von Krim und Donbass durch Russland als zulässig bezeichnen.
Man kann vielleicht auch Argumente finden warum eine Annektion der Krim zulässig ist, dass im Falle der Golanhöhen angeführte Argument zieht allerdings nicht. Russland hat sich die Krim nicht in einem Defensivkrieg angeeignet.