@Erich
Zitat:und ich möchte ergänzen:
a) wenn Du den Afghanen einen fürchterlichen Dialekt zuschreibst, der "in den Ohren schmerzt" - wie ist das dann mit den Aseris, Turkmenen und Usbeken ... deren Sprache dürfte der Farsi-sprechende Iraner doch überhaupt nicht verstehen?
Das "Problem" ist ein paar hundert Jahre alt. :wink: Und genau genommen wäre es noch viel problematischer. Kurdische, Armenische, Belutschische, Arabische, Assyrische, Paschtunische Minderheiten verstehen sich untereinander ja auch nicht. Was unweigerlich zur Folge hätte: "Dem nix versteh Nachbar", "Dem nix Handel", "Dem nix versteh Politik", "Dem nix versteh Gesetz", "Dem nix versteh die Frau auf Amt".
Ganz allgemein, erschließt sich damit der Sinn einer gemeinsamen Amtssprache. Sie ist eine politische Entscheidung, die von der herrschenden Dynastie/Regierung meist unter Berücksichtung einer gewissen Pragmatik getroffen wird. Aufgrund der eigenen expansiver Bestrebungen und ebenso dem regelmäßigen Einfall zunächst fremder Kulturen, stand das iranische Staatswesen schon sehr früh und seitdem durchgehend vor der Herausforderung Ethnien mit ihren unterschiedlichen Sprachen zu einer organisatorisch funktionierenden Einheit zu formen. Beamtentum, Gesetze, Verträge, Handel und Recht wurden (abhängig von der herrschenden Dynastie im Iran) entweder in Türkisch oder in Persisch abgewickelt. Auch wenn bei einigen Dynastien teilweise umstritten ist, welche der beiden Sprachen tatsächlich Amtssprache war, so sind das ohne Zweifel
die beiden historisch nachgewiesenen Amtssprachen des Iran.
Als vielleicht interessante Ergänzung zu Deiner Eingangsfrage sei erwähnt, dass man gerade in Usbekistan (insbesondere im Umkreis von Samarkand und Buchara) mit Persisch durchaus sehr weit kommt. In Aserbaidschan sowieso. Mit türkisch können sich diese im Iran ebenfalls gut durchschlagen. Nicht wenige Iraner sprechen ganz brauchbar türkisch, selbst wenn sie keine Aseris oder Turkmenen sind.
Zitat:Zumal diese Völker oder Ethnien auch noch dem sunnitischen Zweig des Iran angehören und aus der Sowjetzeit maßgeblich säkular beeinflusst sind.
Der aktuelle Trend weist darauf hin, dass die von der Sowjetbesatzung durchgesetzte Säkularität in sehr naher Zukunft schon wieder Geschichte sein wird. Wie aus den zentralasiatischen Staaten zu vernehmen ist, wenden sich die Leute derzeit ganz massiv wieder dem Islam zu. Überall werden neue Moscheen errichtet. Insofern ist das keine sehr günstige Wette, die Du da abschließt. Die Aserbaidschaner sind Schiiten. Die Araber im Iran sind auch Schiiten. Im Gegenzug sind aber die Kurden, Paschtunen, Belutschen und Tadjiken, die ja alle dem indoarischen Sprachzweig (vgl. Farsi) zugeordnet werden,
Sunniten!
hock:
Zitat:Und mit Deiner Argumentation müsste man den Iran auch als arabischen Staat bezeichnen, da ja am Nordende des Golfes an der Grenze zum Irak auch eine arabische Bevölkerung lebt,
Man könnte durchaus ebenfalls argumentieren, das iranische Kulturraum auch vom arabischen Kulturraum nicht klar abzugrenzen ist. Es gibt ja nicht nur eine arabisch-sprachige Minderheit, sondern man hat vor allem auch die arabische
Religion und Schrift und damit die elementarsten Dinge der arabischen Kultur vollständig übernommen und anschließend auch nur rudimentär iranisiert.
Zitat:ach ja
und letztendlich:
der Mensch "denkt in Sprache" - und daher werden Gedanken und Ideen sowie kulturelle Einflüsse am ehesten zu den Menschen überspringen, deren Dialekt man selbst spricht.
Das Persische war durchaus sehr lange Zeit sowas wie die Lingua Franca der Händler Zentralasiens (Seidenstraße), selbst wenn es überhaupt nicht die Muttersprache der Bevölkerung oder des Händlers war. Sehr ähnlich wie das Englische heute. Insofern könnte man annehmen, dass es die persischen Kaufleute waren, die die eigene Kultur durch diese Handelssprache in die Zentren Zentralasiens mitbrachten. Das würde erklären warum sich der Islam dort vor allem entlang der Seidenstraße ausbreitete. Tatsächlich was es so, dass gerade turksprachige Dynastien welche zuvor die persische Kultur angenommen hatten, diese Kultur dort verbreitet haben.
Zitat:eine sprachlich orientierte Selbstbestimmung der Bevölkerung würde zu einem auseinanderbrechen des derzeitigen Iran führen - in ethnische Regionen, die zwar möglicherweise noch dem Schiismus zugehören, die aber auch emotionale Bindungen zu den Mehrheitsvölkern der Nachbarstaaten entwickeln.
Und diese ethnischen Minderheiten umfassen fast die Hälfte der derzeitigen Staatsbevölkerung des Iran. Der "Ausgleich" über Afghanistan und Tadjikistan, der sich im Gegenzug ebenso entwickeln würde, wäre für viele eher eine Belastung als ein Gewinn.
Exakt das Gegenteil ist korrekt. Scheinbar hast Du auch nichts von dem gelesen, was ich Dir verlinkt habe. Araber, Armenier, Assyrer, Aserbaidschaner, Belutschen, Luren, Bandaris, Kurden, Mazandaranis, Pashtunen, Turkmenen, ...etc..beherrschen auch heute noch alle ihre traditionellen Sprachen und Brauchtümer. Auch sind entsprechend nicht-persische Medien im Iran nie verboten gewesen. Im Gegenteil, es gibt neben den persischen auch turksprachige, urdu und arabische Medien, die sogar teilweise staatlich sind. Weder wurde die Sprache noch die Brauchtümer bekämpft. Trotz -wahrscheinlich eher genau
wegen- dieser relativen kulturellen Freiheiten im privaten Bereich fällt ein solcher Staat nicht auseinander. Staatliche AMTSSPRACHE -da sind wir wieder bei dem Punkt- war aus pragmatischen Gründen aber stets einheitlich das Türkische oder das Persische mit u.a. arabischer Schrift. Das ist der Deal in einem multiethnischen Staat.
Ergo ist es sprachlich, kulturell und historisch betrachtet inkorrekt, den Iran gegenüber den Turkstaaten abzugrenzen. Ich halte das, um mal auf Deine unterschwelligen Andeutungen einzugehen, für politisch motivierten, fachlichen Unsinn.