Nelson:
Eine Bindung russischer Streitkräfte in dieser abgelegenen Ecke ist selbst für den Fall das es nicht um offenen Krieg kommt nützlich. Sie schwächt Russland in jedem Fall, auch gegenüber anderen Gegnern. Beispielsweise auch in Bezug auf den Konflikt in der Ostukraine, in Bezug auf zukünftige Operationen im Kaukasus oder in Bezug auf ein größeres Engagement in Syrien etc und selbst wenn es nur die höheren wirtschaftlichen und finanziellen Kosten sind, so sind selbst diese bereits ein Schaden für Russland und damit erstrebenswert.
Zitat:Sobald du deine massiven Nordnorwegischen Verbände mobilisierst, wissen die Russen bescheid und machen ebenfalls mobil
Solche Streitkräfte müssen natürlich dergestalt vorgehalten werden, dass sie aus dem Stand heraus zuschlagen können. Damit entfällt auch zugleich jede Vorwarnzeit und den Russen bleibt nichts anderes übrig als ihre Verteidigungseinheiten bei erhöhtem finanziellen Aufwand auch ständig in Alarmbereitschaft zu halten (was sie finanziell ausblutet) oder das Risiko einzugehen überrrannt zu werden. Und es ist selbst heute eben keineswegs so, dass jede Angriffsvorbereitung automatisch entdeckt werden könnte. Aber selbst wenn: vor allem geht es ja um Truppenbindung.
Zitat:eine Panzerdivision kannst du nicht komplett in Kirkenes stationieren, die Kette der Garnisonstandorte wird sich da eher bis Tromso (Friedens-HQ) hinziehen
Panzerdivisionen sind in diesem Gebiet ohnehin nicht die Art von Großkampfverband die man dort einsetzen sollte. Sinnvoller wären auf einzelnen Bataillonen aufbauende Kampfgruppen. Ein Vorbild könnten hier die russischen BTG sein, und entsprechende norwegische Brigaden analog strukturiert werden. Und das HQ sollte immer vorne sein, so etwas wie ein Friedens HQ sollte es nicht einmal geben.
Zitat: allerdings kann man mechanisierte Angriffe dank PALAR und Artillerie heutzutage vergleichsweise leicht verlangsamen bzw. stoppen
Das haben die Hisbollah, die Georgier und Ukrainer auch geglaubt. Du verkennst hier einfach wie immens schwierig für einen Gegner eine wirklich schnelle Kriegsführung ist. Krieg mit sehr hoher Geschwindigkeit führt dazu, dass deine angedachten Abwehrmaßnahmen allein deshalb nicht greifen, weil sie ständig durch die hohe Handlungsgeschwindigkeit konterkariert werden.
Zitat:ganz zu schweigen davon, was zwei oder drei Tu-22 mit deiner Panzerkolonne anrichten werden.
Norwegen verfügt über F-35 Kampfflugzeuge und darüber hinaus bedarf jede mechanisierte Einheit entsprechender organischer Flugabwehr, wozu noch die Luftverteidigung des Raumes durch andere bodengestützte Einheiten kommt. Die Russen müssten signifikante Luftstreitkräfte dort stationieren um eine Zerschlagung entsprechender norwegischer Bodenstreitrkäfte sicher stellen zu können. Und auch das wäre wieder perfekt, weil diese Lufteinheiten dann sofort an anderer entscheidender Stelle fehlen.
Darüber hinaus wären die in dieser Region begrenzten Stützpunkte der russischen Flieger für einen Erstschlag sehr empfindlich und würden damit rasch ausfallen.
Zitat:Hinzu kommt das Gelände. Ich bin absolut kein Panzerfahrer, aber das die Wehrmacht zwischen 1941 und 1944 in diesem Gebiet nahezu ausschließlich Gebirgsjäger eingesetzt hat, deutet für mich eher darauf hin, dass Panzer da... Probleme bekommen werden, jedenfalls abseits der Straßen.
1 Das man damals dort nur Gebirgsjäger einsetzte heißt eben nicht, dass man heute dort keine Panzer einsetzen kann.
2 die Fähigkeiten von Kampfpanzern sind heute ganz andere (Reichweite, Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit etc)
3 die Infrastruktur der Region wurde immens verbessert und damit meine ich nicht unbedingt asphaltierte Straßen sondern vor allem die vielen Feld- und Forstwege (welche aus Gründen der Forstwirtschaft dort angelegt wurden).
Zitat:Theoretisch absolut richtig – wenn die NATO tatsächlich eine Nation wäre und kein Bündnis, das lediglich eine Klausel zur Verpflichtung auf „Beistand“ enthält, nicht aber zu nibelungentreuem militärischem Eingreifen oder einem Kriegsbeitritt verpflichtet.
Lies den Artikel 5 lieber noch mal genauer. Ein Militärbündnis funktioniert nur, wenn es unter bestimmten Umständen in jedem Fall greift. Ein Militärbündnis ala Freiwillige nicht verpflichtende Teilnahme je nach Wunsch und Laune ist kein Militärbündnis.
Zitat:Die Frage lautet daher: Warum sollte Norwegen Kräfte binden wollen, die im Kriegsfall statt über Osteuropa über Norwegen herfallen? Warum sollte Norwegen sich freiwillig zum potentiellen Schauplatz eines nuklearen Schlagabtauschs machen?
Warum ist Norwegen der NATO beigetreten? Weil die Norweger wissen, dass Russland für sie eine Gefahr darstellt und sie allein gegen Russland nicht bestehen können. Warum sollte Norwegen kampflos kapitulieren nur weil "Deutsche" heute auf jede militärische Bedrohung mit fatalistischem Defätismus reagieren ?!
Selbst wenn Norwegen neutral wäre - und seine Armee wäre schwach und handlungsunfähig - würde Russland das Land in einem ernsthaften Krieg mit hinein ziehen. Einfach weil es geostrategisch zwingend notwendig ist. Nur dass dann Norwegen halt ohne ernsthaften Widerstand von russischen Streitkräften zerstört und besetzt werden würde. Und Russland dann immer noch erhebliche Streiträfte für andere Fronten frei hätte die es bei einer ersnthaften Rüstung Norwegens im Norden festlegen müsste.
Zitat:Nach aktueller Lage verstehe ich dich so, dass die Russen an der norwegischen Grenze nichts übermäßig Bedrohliches (Papiertiger) aufbieten, die Norweger also selbst keine akute Bedrohung wahrnehmen müssen. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die norwegischen Kräfte derzei zur Verteidigung der Finnmark ausreichen –
Richtig:
hier und heute reichen die norwegischen Streitkräfte in der Finnmark. Weil Russland keine entsprechenden Einheiten dort hat.
Aber:
Rüstung dient nicht dem Hier und Heute. Sie dient dem Morgen!
Und Russland könnte selbst hier und heute aus anderen Landesteilen Streitkräfte sehr schnell dorthin verlegen - während man umgekehrt eine Nachrüstung im heutigen Krieg nicht mehr betreiben kann. Der Krieg wird mit dem geführt was man zu Kriegsbeginn hat und auch mit diesem Material entschieden.
Die Russen können also Morgen mit (aus anderen Landesteilen dorthin verlegten) Streitkräften die zu schwachen Norweger überrennen. Umgekehrt aber kann Norwegen selbst wenn sich die Spannungen über einige Monate aufbauen nicht genug nachrüsten um dies zu verhindern. Wenn Norwegen das Risiko einer Invasion morgen verhindern will, muss es also hier und heute aufrüsten.
Zitat:biss entweder Atompilze oder die Amis da sind – oder beides.
1 Atomwaffen sind keine Deus Ex Machina (dazu unten noch mehr).
2 auch die Amis können nicht überall alles zugleich tun und es ist bizarr dumm, in einem Militärbündnis einem der Partner alles aufladen zu wollen (und diese Haltung ist heute auch nur allzu typisch "Deutsch"). Die Amis werdens schon richten...wir müssen nicht kämpfen....die Amis werden dann uns beschützen und die ganze Last der Kämpfe alleine tragen....Die Amis werden kommen.....
Diese grundfalsche Haltung ist das primäre Problem der NATO der Gegenwart und verseucht insbesondere auch in Deutschland das ganze Denken.
Zitat:Zur Effektivität bei einem Atomkrieg:
Mechanisierte Kräfte sind fähig, länger zu kämpfen. Stimmt. Toll. Ist ja nicht so, dass es danach noch etwas gäbe, um das zu kämpfen es sich lohnen würde. Wenn Oslo, Bergen, Tromso und Trondheim jeweils 200 Kilotonnen abbekommen ist Norwegen ruiniert, ganz egal, ob danach eine strahlenkranke Panzerbesatzung die norwegische Flagge über der ebenfalls strahlenden Ruine Murmansk hisst oder nicht.
Es ist dieser fatalistische Defätismus der so brandgefährlich ist, weil er die eigene Handlungsfähigkeit lähmt. Atomwaffen sind keine Deus Ex Machina und es ist nicht sicher gesagt, dass jeder Krieg mit Russland überhaupt zum Einsatz von Atomwaffen führt. Im Zweiten Weltkrieg horteten Deutsche, Engländer und Amis unfassbare Mengen an C-Waffen und keine Seite setzte sie ein, bis zum Ende nicht (was etliche Engländer/Amis ziemlich überrascht hat)
Und selbst wenn es zum Einsatz kommt gibt es hier noch Abstufungen und nicht jeder Atomwaffeneinsatz bedeutet automatisch Weltvernichtung, da sind immer noch jede Menge Eskalationssstufen dazwischen. Angesichts des Potentials beider Seiten, der Natur des modernen Krieges an sich und seiner Kürze (welche unzureichend ist um die andere Seite komplett zu überrennen) wird jeder Krieg mit Russland ein begrenzter Krieg sein. Zeitlich wie räumlich begrenzt.
Wenn man aber unter Verweis auf die ach so gottgleichen Atombomben jeden solchen begrenzten Krieg von sich weist und für unmöglich erklärt, dann wird man gerade eben diesen verlieren.
Und selbst im schlimmstmöglichen von dir beschriebenen Fall wäre es immer noch besser die Norweger würden Murmans überrennen als wenn sie es nicht tun. Man muss selbst in diesem Fall immer versuchen das Maximum heraus zu holen weil jeder denkbare Vorteil ein Vorteil ist und damit zählt.
Zitat:Solange die Norweger sich nicht akut bedroht fühlen, müsstest du den Norwegern also schon sehr entgegenkommen. Osteuropas Nebenkriegsschauplatz zu werden, dafür müsste man Norwegen NATO Truppen in Norwegen, Geldzahlungen, Wirtschaftsrechte, Souveränitätsrechte - irgendetwas, nach dem die Norweger her sind bieten.
Norwegen fühlt sich so weit bedroht, dass es immer größere Teile seines Wehretat für die F-35 ausgibt. Der primäre Grund warum andere Teile der norwegischen Streitkräfte ausbluten sind die immensen Ausgaben für dieses (zwingend notwendige !) Kampfflugzeug-Programm. Ein einfaches Mittel um Norwegen militärisch insgesamt erheblich zu stärken wäre es daher, höchst einfach den Norwegern die F-35 zu einem "Vorzugspreis" zu überlassen womit Norwegen sofort die Mittel frei hätte um seine Bodenstreitkäfte Offensivfähig zu machen. F-35 unter Preis wären bereits ausreichend um dies zu erreichen - wenn man dieses Angebot direkt daran koppelt, dass Norwegen die freiwerdenden Mittel vertraglich gebunden in seine Offensivfähigkeiten, in Bodenstreitkräfte und Luftabwehr investiert.
Möglichst starke norwegische Streitkräfte sind im Interesse aller NATO Mitglieder und sollten daher von allen entsprechend gefördert werden, also insbesondere auch von Deutschland. Jede russische Einheit gleich ob Land oder Luft welche im hohen Norden durch die Norweger gebunden wird, ist ein Gewinn für die gesamte NATO.