Nightwatch:
Unser jeweiliger Standpunkt ist uns beiden ja seit langem bekannt, und wir haben ihn ja bereits mehrfach und ausführlich diskutiert. Ich will daher weniger auf die Hisbollah eingehen und mehr auf die Frage der reinen Technik, unabhängig vom Libanonkrieg den wir beide ja seit 2006 schon völlig verschieden bewerten.
Zitat:ber wir wissen, dass laut den Israelis ihre Panzer durchwegs mit modernen, bewusst ausgewählten ATGMs beschädigt oder zerstört wurden. Tow und Milan kamen nach allem was wir wissen gegen Merkavas nicht zum Einsatz. Darauf können wir die Diskussion entweder aufbauen oder es sein lassen. Daraus zu schließen, es wäre in der Breite kaum moderne ATGMs vorhanden gewesen halte ich für nicht haltbar.
Wir wissen zudem (du hast selber Zahlen dazu geschrieben), dass sehr viel mehr PALR
insgesamt vorhanden waren, als gegen Panzer eingesetzt wurden. Die Zahl der abgefeuerten PALR insgesamt und die Zahl der gegen Merkava eingesetzten PALR unterscheiden sich sehr deutlich. Das heißt: wenn es stimmt wie du es ebenfalls schreibst, dass die modernen PALR gegen die Merkava IV konzentriert wurden, dass insgesamt nur ein Teil der PALR modern war. Und dieser Anteil kann nun etwas höher gewesen sein, oder niedriger, völlig egal.
Da nur eine Minderheit der PALR insgesamt gegen Panzer zum Einsatz kam und davon auch nur ein geringer Teil getroffen hat (die meisten gingen ins Gelände und trafen nichts) zeigt auf:
1 dass nur eine Minderheit modern war
2 dass die Bewertung der Wirkung schwierig ist, weil insgesamt zur Zahl der abgefeuerten PALR nur wenige Treffer erzielt wurden.
Zitat:Damit liegt man bei einer Trefferquote von wmgl über 40%. Halte ich für in Ordnung. Die Wirkung im Ziel dagegen eben nicht.
Eine Trefferquote von 40% (nehmen wir mal an dem wäre so) ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung. Dass ist eine viel zu geringe Trefferquote. Im übrigen liest man selbst auf israelischen Seiten durchaus auch was von Trefferquoten von 10%. Aber völlig egal, wir wissen es nicht genau.
Selbst wenn es 40% waren, ist dass eine viel zu geringe Quote.
Und die Wirkung im Ziel ist eben nicht überraschend, weil Hohlladungen gegen moderne KPz nur eine geringe Wirkung haben.
Hätte man nun eine doppelt so hohe Trefferquote gehabt (machbar!) hätte man im weiteren doppelt so hohe Verluste angerichtet. Hätte man nun die modernen Systeme nicht auf die Merkava IV konzentriert, sondern diese auch noch auf die Transportpanzer, Merkava II usw abgefeuert, wären die Verluste noch weiter gestiegen. Nimm ml eine 80% Trefferquote an, und alle Treffer nur auf Transportpanzern und Merkava II. Wie wären die Folgen gewesen ?!
Darauf will ich hinaus: Eine Trefferquote von 40% (nehmen wir einfach mal) ist viel zu niedrig. Und die Wirkung hätte bei einer Konzentration des Feuers auf die Transportpanzer und älteren Panzertypen
signifikant höhere Verluste angerichtet.
Zitat:Mit diesem Ansatz spielst du den Israelis doch direkt in die Hände. Es ist doch nicht so, dass man sich wie 82 darauf festgeschrieben hätte nach Beirut zu marschieren. Das strategische Ziel einer Bodenoffensive wäre es immer nur gewesen, die Hisbollah südlich des Litani rauszuschmeißen um den Raketenbeschuss auf israelisches Territorium stark einzuschränken. Nach dieser Zielsetzung würden sich die Bewegungen der israelischen Verbände richten und dem müsste man auch irgendwie begegnen wollen wenn man was reißen will.
Und da fängt schon der Denkfehler an: dass muß man gar nicht. Es wäre sinnvoller gewesen, den israelischen Verbänden auszuweichen. Damit hätten die Israelis entweder wieder abziehen müssen, womit sie nichts erreicht hätten oder sie hätten das Gebiet bis zum Litani dauerhaft besetzen müssen, was für die Hisbollah vorteilhafter gewesen wäre.
Es war gerade eben ein strategischer Fehler der Hisbollah, bzw ist es im allgemeinen, die Vorstellung zu haben, dass ich dem Feind Zitat: irgendwie begegnen will/muß. Dafür gibt es gar keinen Grund.
Zitat:Deine Insellösung ist da nicht wirklich zielführend. Die Israelis würden die angebotenen Räume dankend annehmen und deine eingekesselten Verbände mit überlegener Feuerkraft zerschlagen.
Und so sind die Israelis dann entsprechend durchgebrochen und haben die eingekesselten Verbände mit überlegener Feuerkraft zerschlagen. Und die Verluste die sie dabei erlitten waren viel geringer. Bei einer Konzentration auf bestimmte Gebiet hätte man aber entsprechend höhere Verluste anrichten können, bei geringeren eigenen Verlusten.
Zitat:Die Hisbollah kann effektiv nur dort gegen die IDF wirken wo Feuerkraft nicht konzentriert zum Tragen kommt. Das impliziert Angriffe auf Verbände in Bewegung, der Kampf in der Fläche aus vorbereiteten Stellungne heraus. Eben das was die Hisbollah versucht hat zu praktizieren, aber aufgrund der Ineffektivität der ATGMs gescheitert ist.
Leichte Infanterie kann nur dann und nur dort gegen Panzerverbände wirken, wo sie diese aus vorbereiteten Stellungen in der Nahdistanz angreifen kann, selbst über eine höhere Konzentration an Panzerabwehrmitteln in der Tiefe verfügt und wo sie über eine elastische Verteidigung in der Tiefe verfügt. Die Hisbollah hat hingegen japanese-style eine lineare Verteidigung mit Bunkern aufgebaut und dort Stehen-und-Sterben praktiziert.
Und ineffektiv waren die PALR nicht im allgemeinen, sondern aufgrund der Überschätzung ihrer Wirkung und des daraus resultierenden falschen Einsatzes. Also aufgrund menschlichen Versagens.
Zitat:Milan, TOW oder meinetwegen auch manche russische Bastelei ist nicht perse Sechziger Jahre. Die Systeme werden ständig verbessert und haben oft nicht mehr viel mit den ursprüngliche Konstrukten gemein.
Ich hatte beispielsweise zweimal explizit eine moderne Version von TOW genannt, die 2006 erst eingeführt wurde und immer noch der Stand der Dinge ist. Damit können die TOW welche die Hisbollah hatte nicht verglichen werden. Die TOW der Hisbollah waren iranische Toofan 1, die haben noch nicht mal eine Tandemhohlladung.
Zitat:Dabei sind wir aber wohl unterschiedlicher Auffassung, was in diesen Kontext als modern zu gelten hat. Ich halte grundsätzlich alle Waffensysteme nach dem Kalten Krieg für modern, teilweise auch Systeme aus den Achtzigern.
In Wahrheit ist unsere Definition hier gar nicht so verschieden. Meiner Meinung nach sind alle Systeme die nach dem Kalten Krieg geschaffen wurden modern.
Die AT-14 ist daher eine moderne PALR. Unterschiedlicher Auffassung sind wir lediglich darüber, wieviele moderne PALR die Hisbollah hatte.
Zitat:Ich sehe auch nicht, warum es zu erwarten war, dass Kornet, Metis und Vampir mit Tandemtechnologie so schlecht gegen moderne MBTs abschneiden.
Anbei: Metis und Vampir sind selbst schon 1999 bei Tests gegen einen T-80 und T-90 gescheitert, und dessen Schutzniveau ist deutlich niedriger als dass eines Merkava IV. Und warum?
Weil eine Tandemhohlladung gegen
dass gesamte Schutzkonzept eines modernen KPz nur eine geringe Wirkung hat (und dieses Konzept reicht eben weit über die Panzerung hinaus). Selbst nach einem Durchschlag ist nicht gesagt, dass irgendeine Wirkung erzielt wird. Der KPz hat ja nicht nur die Panzerung zu seinem Schutz, er ist als Gesamtsystem auf vielfältige Weise genau dafür konzipiert, die Wirkung von Hohlladungen nach Durchschlag so weit wie möglich zu reduzieren. Das reicht von den Feuerunterdrückungssystemen, von dem Fehlen sekundärer Brandquellen bis hin zur Beschichtung der Innenwände so dass keine Splitter entstehen etc etc
Eine bloße Tandemhohlladung hat daher gegen einen KPz der 2006 absolut der Stand der Dinge war und kurz vor Kriegsbeginn überhaupt erst der Truppe zulief nur eine geringe Wirkung.
Mal zwei Beispiele:
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Zitat:one Mk 4 tank was hit by a tandem missile which penetrated into the rear compartment, hitting a stored HEAT round setting it on fire, which activated the automatic fire suppression system, but wounding two of the turret crew, who were evacuated and replaced by a reserve crew - the tank then continued to fight. Another tank had its main armament 120mm barrel blown off by a "lucky" shot, but the crew managed to drive it back to the border, where a field ordnance repair team exchanged the barrel and sent the tank back into battle within hours.
Zitat:Diese Systeme befinden sich vom Technologiestand her bemessen absolut auf Augenhöhe mit den letzten westlichen Panzerentwicklungen und sind state of the art.
Es sind moderne Systeme, aber sie sind defintiv nicht der Stand der Dinge. Und die meisten überschätzen halt die Zerstörungwirkung von bloßen Hohlladungen gegen moderne KPz. Deshalb ist die Hohlladung als panzerbrechendes Konzept meiner Meinung nach am Ende.
Die nächste Generation von PALR wird KE oder andere Gefechtsköpfe haben. Dass gesamte Schutkonzept moderner KPz verringert die Wirkung einer Hohlladung einfach erheblich.
Zitat: Da hätte man wesentlich besseres Abschneiden erwarten können. Und so wie diese russischen Erzeugnisse immer hochgejubelt wurden hatte man eben genau das auch getan.
Dem kann ich zustimmen. Das Abschneiden von PALR hängt aber gerade bei diesen auch sehr vom menschlichen Faktor ab. Deshalb ist es immer sehr schwierig, von dem Endresultat auf die technische Seite des ganzen zu schließen. Ein schlechtes Endresultat heißt eben nicht, dass die Technik schlecht war, es kann gerade bei PALR auch auf menschliches Versagen hindeuten, und zwar mehr als bei jedem anderen System. PALR benötigen daher ein sehr hohes handwerkliches Können um ihr Potential überhaupt ausschöpfen zu können.
Zitat:Wenn sie sagen, dass ihre MBTs durch die Bank mit Kornets, Metis-M, Konkurs und Vampir angegriffen wurden, dann lass ich das so stehen und mache deswegen kein Fass auf. Ich sehe nach wie vor keinerlei Anhaltspunkte warum und wieso die Hisbollah nur sehr wenige ATGMs dieser Modelle gehabt haben sollte.
Wenn die IDF und Rafael sagen, dass die Merkava III und Merkava IV durch die Bank weg mit diesen Systemen angegriffen wurden, dann lasse ich dies ebenfalls so stehen und gehe davon aus, dass es stimmt.
Und das heißt für mich:
1 die Taktik und Einsatzweise der Hisbollah war falsch, wir haben es hier also mit menschlichem Versagen zu tun. Weil Hohlladungen als Konzept gegen moderne KPz nur eine geringe Wirkung haben (siehe oben) und man diese Systeme daher auf die anderen Panzer hätte konzentrieren müssen.
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Zitat:In general, Hezbollah militants prioritized Merkava Mk 4 over Merkava Mk 2 and 3, and in general, targeted tanks over AIFV.
2 Dass die Hisbollah nur wenige solcher Systeme hatte, weil: nur wenige Merkava IV im Kriegseinsatz waren. Es waren im übrigen sogar noch Merkava II im Kriegseinsatz die lediglich über eine Stahlpanzerung verfügen. Gegen diese hätte man das Feuer konzentrieren müssen.
Zitat: Aber wer eben auf ATGMs zur Abwehr moderner Kampfpanzer setzt (= die Hisbollah) hat ein Problem und muss sich was neues einfallen lassen.
Dem kann ich zustimmen, möchte aber nochmal darauf verweisen, dass das Problem auch die geringe Wirkung von Hohlladungen gegen moderne KPz ist. Es geht also nicht so sehr um die PALR als Konzept, sondern um das Wirkungskonzept der Gefechtsköpfe der meisten heutigen PALR. Umkehrschluss: es müssen neue Gefechtsköpfe her.
Zitat:Und das führt uns weiter gedacht zu der Erkenntnis, das schwer gepanzerte Plattformen auf dem modernen Gefechtsfeld wichtiger sind als man in dem Leicht und Mobil Wahn der Neunziger und Nuller Jahre gedacht hat.
Volle Zustimmung. Sehe ich genau so.
Ich würde aber das nicht als Gegensatz betrachten, nicht mit einem Entweder - Oder Ansatz. Leichte und Mobile Plattformen ergänzen KPz und schwere Verbände: vergleichbar der früheren Teilung von Leichter und Schwerer Infanterie, oder Leichter und Schwerer Kavallerie. Persönlich halte ich sehr viel von den Ideen und Ansätzen von Tuchatschewsky, und seiner Doktrin einer Teilung der Panzer in Schwere Panzer und Leichte Panzer, wobei letztgenannte dann den Stoß in die Tiefe vornehmen bzw den Feind umgehen, während die schweren Verbände ihn binden und durchbrechen.
Ein solches Konzept würde zudem sehr gut zu den heutigen Möglichkeiten und Beschränkungen der jeweiligen Panzertypen passen.
Zitat: Die Verlustzahlen zeichnen im Übrigens ein anderes Bild: 20 Merkava IV wurden im Libanon beschädigt oder zerstört.
Ich schrieb von 2
zerstörten Merkava IV. Beschädigte zählen für mich nicht, weil diese fast alle wieder einsatzfähig gemacht werden konnten (siehe oben).
Es wurden nur 2 Merkava IV zerstört, und einer davon durch eine Mine.
Und ich bestreite keineswegs, dass gegen die Merkava IV primär moderne PALR mit Tandemhohlladung zum Einsatz kamen. Diese wurden auf die Merkava IV konzentriert. Ein menschlicher Fehler und es zeigt auf, dass Hohlladungen gegen einen modernen KPz eben eine deutlich geringere Wirkung haben.
Zitat:Und das ist eben doch genau der praxisrelevante Punkt. Wenn eine neue Panzerabwehrwaffe benötigt wird, dann bedeutet das im Umkehrschluss auch, dass die Masse der vorhandenen Systeme gegen moderne Panzer kaum noch nutzbar sind. Das ist das Problem! Es ist schön das man sich vllt ein System basteln kann das noch wirkt. Oder vielleicht schon eins da ist. Aber bis das in relevanter Zahl bei unseren möglichen Gegnern auftaucht vergehen viele, viele Jahre.
Dem kann ich voll und ganz zustimmen. Und gerade deshalb schreibe ich ja, dass moderne KPz und Hardkillsysteme beide für solche Gegner, für assymetrische Kriege Game Changer sind.
Aber das hat mit der PALR als Konzept nichts zu tun. Es wird halt eine neue Generation PALR jetzt notwendig, die sich von der Hohlladung als Wirkungskonzept verabschiedet. Und unsere Gegner werden diese neue Generation nicht haben. Volle Zustimmung.
Das heißt aber eben nicht, dass PALR an sich als Konzept tot sind und so hatte ich dich eingangs verstanden. Es heißt nur, dass die PALR unserer Gegner entwertet werden und wir neue PALR einführen müssen.
Zitat:Das heißt wir stehen hier jetzt und heute wesentlich besser gegenüber ATGMs da als das früher der Fall war.
Dem kann ich dahin gehend zustimmen: dass wir hier und jetzt den PALR die unsere derzeitigen Gegner so haben besser gegenüber stehen. Nicht PALR per se, sondern den PALR die unsere Feinde real haben.
Mir ging es hier aber um das Konzept der PALR an sich, und nicht um die speziellen PALR welche unsere Gegner haben. Die Frage ist halt, ob das Hohlladungsprinzip nicht an seinem Ende angekommen ist und daher durch ein neues Konzept ersetzt werden muss.
Zitat:Die landläufige Meinung die sich so meines Erachtens auch in der Struktur der Antipanzerfähigkeiten unserer Infanterieverbände wiederspiegelt ging eben in die Richtung – moderne ATGMs sind ein wirksames Mittel gegen Panzer.
Panzer ist eben auch nicht gleich Panzer. Gegen moderne KPz sind PALR mit Hohlladung eben nur wenig wirksam, weil das gesamte Schutzkonzept eines modernen KPz die Wirkung der Hohlladung sehr stark reduziert. Gegen andere Panzer können die gleichen PALR immer noch hochwirksam sein.
Und andere PALR die nicht mit einer Hohlladung arbeiten (und die sind jetzt technisch prinzipiell möglich) haben auch nicht den Nachteil den eine Hohlladung hier hat.
Zitat:Wie sich durch den Krieg heraustellte, überschätzte man die Wirksamkeit der ATGMs gegen die israelischen Hauptkampfpanzer und setzte sie dadurch falsch ein.
Das sehe ich genau so.
Zitat:Die traurige Realität ist doch, das ‚einfacher Standard‘ schon deutlich über dem liegt was die klassische westliche Armee in vergleichbarer Lage zustande bekommen würde.
Volle Zustimmung. Die Panzerabwehr"fähigkeiten" westlicher Infanterie sind gelinde gesagt extrem unterentwickelt. Wie ich es schon geschrieben habe, wurde ich noch mit der leichten Panzerfaust Lanze ausgebildet (die in einigen Truppenteilen sogar noch bis ca 1998 herumspukte), zu einem Zeitpunkt wo diese so dermaßen obsolet und wirkungslos war, dass es einfach nur ein Witz war. Da ist jede einfache RPG-7 bereits überlegen.