Nightwatch:
Wir hatten diese Diskussion ja auch schon mal ausführlich und kennen unsere gegenseitigen Positionen. Von daher will ich mich kurz halten und nur auf wenige Punkte eingehen:
Zitat: Die Verluste liegen wohl bei 600 bis unter 1000 Mann.
Selbst die Israelis sprechen inzwischen von nur noch um die 600 Mann feindlichen Verlusten
insgesamt (also durch alle Waffensysteme und im ganzen Libanon zusammen). Die höchste israelische Schätzung lag bei 800 Mann, wurde aber dann nach dem Krieg immer weiter nach unten korrigiert. Die Hisbollah hat zugleich immer weiter nach oben korrigiert, bis auf 250 Mann.
Interessanter wäre die Frage, wieviele Verluste in Prozent auf das Konto des Feuer von KPz gehen und wieviele durch andere Systeme verursacht wurden. Eine solche prozentuale Aufteilung wäre für die Frage des Stranges viel wesentlicher als die Höhe der Verluste in absoluten Zahlen.
Hast du dazu Zahlen? Wieviele Hisbollah Kämpfer wurden den durch die KPz getötet ?! Nicht sehr viele wie es mir scheint, womit KPz mangels Wirkung sich von den PALR gar nicht so sehr unterscheiden würden.
Zitat:Wenn nicht mal bei der Hälfte der getroffenen Fahrzeuge eine Penetration der Panzerung erreichen konnte, dazu oft auch noch zig Treffer nötig waren, während ein guter Teil der Panzer die Angriffe auch noch voll gefechtsfähig überstand und am Ende nur 10% der getroffenen Panzer als Totalverluste abzuschreiben sind hat man ein Problem.
Und das Problem lautet: dass man mit Milan, TOW, und russischen Systemen zum Teil aus den 60er Jahren keinen Blumentopf mehr gewinnen kann.
Das ein KPz eine Durchschlagung seiner Panzerung durch eine Tandem-Hohlladung voll gefechtsfähig überstehen kann ist weder überraschend noch neu. Dafür sind die Teile ja konstruiert worden.
Die Quote war angesichts der geringen Zahl von "modernen" Systemen (wobei ich 1994 jetzt auch nicht als State of the Art bezeichnen würde) zu erwarten und in keiner Weise auffällig.
Zitat:Es sind Vorfälle dokumentiert bei denen die Panzer zig Treffer durch ATGMs einstecken mussten, ohne das es zu einer Penetration kam. Und wie dargelegt – die Hisbollah setze gegen die Merkavas das Beste ein was sie im Arsenal hatten –
Und vom Besten hatte sie eben nicht viel im Arsenal. Die zig Treffer durch PALR ohne Penetration waren sehr sicher zum Großteil eben keine modernen Systeme. Die Hisbollah hatte davon viel zu wenige, als dass dies so gewesen sein könnte.
Zitat:Es ist vielmehr schlicht eine Katastrophale Leistung wenn aus geschätzten 200 Treffern am Ende 5 Totalausfälle resultieren und vielleicht 20 Panzer länger als ein paar Stunden ausfielen
Dann nenn doch mal konkret, wieviele AT-14 die Hisbollah hatte?! Fakt ist, die hatten nicht mal im Ansatz 200 dieser Systeme, vermutlich nicht mal 100. Aber nehmen wir mal 100 (freie Zahl einfach so): Davon haben dann auch nicht alle getroffen, denn nicht alle Treffer sind nur durch die jeweils modernsten Typen erzielt worden. Nehmen wir mal 50 Treffer durch diese Systeme an (mal wieder frei heraus). Dann sind 20 vorüber gehende Ausfälle und 5 Totalausfälle exakt das, was zu erwarten war und in keiner Weise auffällig oder überraschend.
Im weiteren ist mir gar nicht bekannt, dass es so viele Treffer auf Merkava überhaupt gegeben hat !!
Weniger als 10% der abgeschossenen PALR haben überhaupt irgend was getroffen: bei 200 Treffern würde dass mehr als 2000 abgeschossene PALR bedeuten. So viele hatte die Hisbollah ja nicht mal insgesamt.
Zitat: Diese Waffensystemfamilie ist damit schlicht schon technisch eben kein wirksames Werkzeug für die Infanterie gegen Panzerverbände (mehr).
Das kommt darauf an, welcher Vertreter dieser Waffenfamilie, durch welche Infanterie, gegen welchen Panzerverband.
Für uns beispielsweise sind PALR höchst wirksame Werkzeuge gegen fast jeden unserer Gegner.
Zitat:Das stimmt so nicht. Basierend auf den eingesetzten Einheiten dürfte fast die Mehrheit der eingesetzten MBTs Merkava Ivs gewesen sein. Jedenfalls nicht nur ein ganz kleiner Teil
Also bitte: der Merkava IV lief 2006 überhaupt erst der Truppe zu. Es ist schon deshalb ganz unmöglich, dass die Mehrheit der eingesetzten KPz Merkava IV waren. Das bilden übrigens auch die Verlustzahlen ab: meiner Kenntnis nach wurden nur zwei Merkava IV zerstört und einer davon durch eine Mine.
Zitat:Die These, die Hisbollah hätte 70iger Jahre Schrott querschnittlich gegen die Merkavas eingesetzt ist einfach nicht haltbar.
Diese These habe ich genau genommen auch nicht aufgestellt: ich schrieb: dass die Hisbollah insgesamt primär 70er Jahre Schrott hatte! Schlußfolgerung: sie hatte nur wenige moderne Systeme. Schlußfolgerung daraus: auf die Merkava wurden gar nicht so viele PALR verschossen.
Und damit relativiert sich die Zahl der geringen Verluste: wenn nur wenige moderne PALR auf die Merkava geschossen wurden (weil insgesamt 70er Jahre Schrott vorherrschte), dann waren die Verluste in der geringen Höhe vollkommen logisch und nicht anders zu erwarten.
Zitat: Vergleicht man die Statistiken aus dem Libanonkrieg 2006 mit Yom Kippur 1973 stellt man einen Rückgang um gut und gerne 20% bei der Penetration durch Panzerabwehrlenkwaffen fest. Das ist erstaunlich.
Das finde ich überhaupt nicht erstaunlich wenn man sich mal genauer ansieht, mit was für Panzern die Israelis noch 1973 gekämpft haben:
Da wurden neben wenigen damals modernen Typen jede Menge Schrott-Panzer eingesetzt, erbeutete T54 eingesetzt, sogar kampfwertgesteigerte Sherman Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg.
Zitat:Und zum anderen zeigt es, dass die Hisbollah die Wirksamkeit ihrer ATGMs überschätze
Dem kann ich allerdings zustimmen: anders erklärt sich auch die Kampfweise nicht.
Zitat:Moderne ATGMs haben gegen moderne Panzer ein Problem.
Das ist eine These, die zwar richtig sein kann, die man aber gerade aufgrund des Libanonkrieges nicht aufstellen sollte, nicht aufstellen kann. Den dort kamen nur wenige moderne PALR zum Einsatz und diverse spezielle Umstände behinderten auch noch deren Erfolg.
PALR sind natürlich keineswegs ein Wunderwaffe, keineswegs das Ende des KPz (im Gegenteil), aber sie sind auch heute noch wirksam, im Rahmen dessen wie sie immer wirksam waren (also in einem begrenzten Rahmen).
Zitat:(zu Nebel aus Mörsern) Das hilft den Panzereinheiten in Notsituationen in der Regel rein garnichts. Dauert viel zu lange.
Da habe ich mich nicht richtig ausgedrückt: ich wollte darauf hinaus, dass auf den älteren Merkava ja noch Mörser anstelle von normalen Nebeltöpfen waren und deshalb diese älteren Modelle keine Nebelwerfer hatten. Weil der leichte Mörser deren Aufgabe früher übernehmen sollte.
Zitat:Es existiert(e) in der öffentlichen Wahrnehmung (=halbinformierte Fachwelt) meiner Meinung nach eine vollkommene überhöhte Leistungseinschätzung von (meistens russischen) ATGMs gegenüber Panzern.
Dem kann ich allerdings voll und ganz zustimmen. Da du die Durchlagswirkung der Spike übrigens als gering bezeichnet hast: die reine Durchschlagswirkung ist es eben oft nicht. Ein Durchschlag bedeutet ja keineswegs dass der Panzer damit auch nur angekratzt ist. Gerade das verstehen viele nicht, dass KPz sogar mehrere Durchdringungen ihrer Panzerung überstehen können und weiter einsatzfähig sein können.
Zitat:Wenn ein einzelner Merkava IV 6 Kornets ohne bleibende Schäden übersteht gibt es einfach ein strukturell technisches Problem.
Das kann sein, wobei ich bezweifle, dass dies der Regelfall war. Dafür waren insgesamt zu wenige AT-14 vorhanden. Und was ist die Schlußfolgerung: wenn ein System Baujahr 1994 es nicht mehr schafft, einen KPz Baujahr 2006 zu zerstören, dann braucht man eben ein neues anderes PALR System.
Worin soll da die Neuerung, die Überraschung oder gar die Besonderheit liegen? Wenn ich mit einer Panzerabwehrwaffe auf einen Panzer schieße der diese aushält, dann brauche ich entsprechend eine neue Panzerabwehrwaffe. So wie umgekehrt der ältere Panzer die exakt gleiche Panzerabwehrwaffe nicht überleben würde.
Zitat:Mag sein das wir hier aneinander vorbeireden, da du die Wirksamkeit sowieso schon geringer eingeschätzt hast als der Durchschnitt.
Ich habe den gleichen Eindruck, dass wir ein wenig aneinander vorbei schreiben. Für dich stellen die geringen Verluste etwas Neues dar, eine Trendwende, ein Ende der PALR. Für mich sind sie weder überraschend, sondern sie waren zu erwarten, weshalb ich daraus eben kein Ende der PALR als System zu erkennen vermag.
Zitat:Und so war es eben sehr wohl der Ansatz der Hisbollah, den israelischen Verbänden solch große Verluste zuzufügen, dass die Bodenoffensive schlicht abgebrochen wird. Wäre es denen gelungen ~ dreisig Prozent der gegnerischen Panzerfahrzeuge zu neutralisieren (geht noch nicht mal ums vernichten), dann hätten sie den Krieg sehr schnell gewonnen gehabt. Früher wäre nach diesen Verlusten wahrscheinlich volle Einsatzfähigkeit nach hinten gemeldet worden…
Volle Zustimmung. Genau das ist das Problem, dass wir nicht mehr das notwendige Blut opfern wollen/können.
Nur kommen wir daraus zu ganz verschiedenen Schlußfolgerungen: Gerade wegen unserer Empfindlichkeit gegenüber eigentlich völlig irrelevanten Verlusten sind PALR heute gefährlicher, als sie es früher waren.
Zitat:In deiner Analogie: Der 25jährige würde auf jeden Fall aufgeben, wenn er eine leichte Schnittwunde zugefügt bekommen würde. Das ist die Realität unserer westlichen Armeen heute.
Volle Zustimmung: Und gerade deshalb halte ich das Messer für gefährlich.
Zitat:Handwerklich waren die Aktionen der Hisbollah so schlecht nicht. Sie waren auf jeden Fall besser, als alles was die Araber in den letzten Jahrzehnten zustande gebracht haben.
Das war allerdings auch nicht sonderlich schwer, wenn man diesen Vergleich anstellt. Die Hisbollah hat rein handwerklich aber durchaus nicht gut gearbeitet. Das war alles nur einfacher Standard, neu war allein die Menge der insgesamt eingesetzten PALR.
Diese große Menge täuscht aber eben darüber hinweg, dass die Mehrheit dieser Systeme Schrott und veraltet war. Und damit völlig sinn- und wirkungslos.
Zitat:Die Hisbollah konnte so ziemlich die bestmögliche russische Technik gegen die modernsten israelischen Panzer einsetzen. Mit Mangelhaften Ergebnis.
Schlußfolgerung für mich: 1 die russische Technik ist nicht so gut wie sie von vielen eingeschätzt wird (keine Überraschung). 2 die israelischen Panzer sind hervorragend (auch keine Überraschung). Wo soll also da das Novum sein ?!
Zitat:Ich glaube nicht, dass damals aktuelle westliche Produkte wesentlich besser ausgesehen hätten. Zumindest lassen die öffentlich zugänglichen Informationen diesen Schluss nicht zu.
Wieviele
aktuelle russische Produkte hatte die Hisbollah ?! Der Gros war Schrott, darunter übrigens auch viele alte westliche Systeme wie Milan und TOW.
Aber die TOW ist beispielsweise ein gutes Beispiel: TOW ist eben nicht gleich TOW. Zwischen einer iranischen Lieferung mit einfacher Hohlladung (älteres Toophan Modell) und einer modernen TOW aus dem Jahr 2006 mit störresistenter Funksteuerung, 4500 Meter Reichweite und Top-Attack mit zwei EFP-Gefechtsköpfen liegen einfach Welten !!
Die TOW-2B Aero RF war beispielsweise 2006 aktuell. Nehmen wir mal an, die Hisbollah hätte so ein System in größerer Zahl gehabt !
Zitat:Die Hisbollah hatte hunderte Panzerabwehrteams und setzte eine vierstellige Zahl an ATGMs ein
Von den Panzerabwehrteams feuerte nur ein geringer Teil auf die Merkava und von der vierstelligen Zahl trafen weniger als 10% überhaupt irgend was.
Zitat:Aber in der Praxis ergeben sich ganz gewaltige Verschiebungen, wenn man plötzlich 99% aller Antipanzerwaffen in die Tonne kloppen kann.
Es wäre sehr sinnfrei, diese Waffen in die Tonne zu kloppen, weil sie gegen die meisten Panzerfahrzeuge immer noch hochwirksam sind. So viele Merkava IV gibt es nicht - und Israel ist noch ein Staat mit einer numerisch sehr starken Panzerabwehrwaffe. Und hier kommen wir noch zu den simplen Kriegskosten:
Ein paar hundert Merkava IV kosten bereits eine Menge Geld. Ein paar Tausend moderne PALR kosten extrem viel weniger. Und ohne PALR kann die Inf rein gar nichts gegen KPz tun. Mit PALR kann sie die KPz durchaus ärgern und ein wenig anschneiden. Was ist nun besser? Gar nichts? Oder immerhin die Möglichkeit etwas zu tun?
Für vergleichsweise wenig Geld kann die Inf mit PALR zudem jede Menge andere Fahrzeuge angreifen, die ebenfalls auf dem Schlachtfeld herumeiern und da immer noch jede Menge Schaden anrichten.
Und es gibt jede Menge westliche State of the Art Systeme,
welche deutlich besser sind als die AT-14 und auch die russischen Systeme werden sich aufgrund der Ereignisse sicher demnächst weiter entwickeln.
Der ganze Wettlauf Panzer gegen PAK und heute gegen PALR läuft doch seit jeher so: recht plötzlich waren die bis dahin bewährten 37mm PaK nur noch Heeresanklopfgeräte, und die nächste Generation PAK aber dann wieder vernichtend, dann wieder wirkungslos, dann wieder vernichtend. Ich vermag da einfach keine Trendwende zu sehen.
Was ich da als Problem allerdings für die KPz sehe ist, dass diese zu schwer geworden sind und zu wenig beweglich und aufgrund ihres immensen alles zermalmenden Gewichtes ihre Aufgaben nur noch mit ständig wachsenden Einschränkungen wahrnehmen können.
Meiner Meinung nach spricht das aber nicht gegen die schweren KPz, es spricht nur gegen ihre derzeitige Doktrin und Einsatzweise.