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Normale Version: Die, die nicht (mehr) mitmachen wollten
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Zitat:Die vergessenen Opfer der Nazis

Die Juden haben ihr Mahnmal schon, Schwule und Sinti und Roma werden ihre "Orte der Erinnerung" bekommen. Nur die Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und Wehrkraftzersetzer, die sich dem Mordapparat des Dritten Reiches verweigert haben, sterben weg, ohne dass ihrer gedacht wird.
.......

Mit keiner Gruppe von NS-Verfolgten tut sich die deutsche Gesellschaft so schwer wie mit den Kriegsdienstverweigerern, Wehrkraftzersetzern und Deserteuren in der Nazi-Zeit. Sie gelten noch immer als Verräter, die sich vom Acker gemacht haben, als andere ihr Leben fürs Vaterland riskierten. Die einfache Erkenntnis, dass die Konzentrationslager nur so lange arbeiten und der NS-Apparat im Lande nur so lange funktionieren konnten, wie die Armee die Front hielt, diese Erkenntnis ist auch 60 Jahre nach Kriegsende nicht konsensfähig. Erst wenn der Bundeskanzler und der Verteidigungsminister einen Kranz am Grab des unbekannten Deserteurs nieder legen, statt die "Opfer der nationalsozialistischen Gewalt" um Vergebung zu bitten, werden die Deserteure als das anerkannt sein, was sie wirklich waren: Widerstandskämpfer, die sich einem Mordapparat verweigert haben.
Da hat Deutschland und seine Bevölkerung noch was zum nachdenken und aufzuarbeiten......
Zitat:pseunym postete
Zitat:werden die Deserteure als das anerkannt sein, was sie wirklich waren: Widerstandskämpfer, die sich einem Mordapparat verweigert haben.
Da hat Deutschland und seine Bevölkerung noch was zum nachdenken und aufzuarbeiten......
Schwer zu sagen und nie genau aufzuarbeiten. Wir haben auch in der Bundeswehr Deserteure und Wehrkraftzersetzer, nicht viele, aber sie sind da.
Die Motive der Deserteure, die von den bewaffneten Schülerlotsen verhaftet wurden, und die ich kennenlernte waren meist nicht besonders edel: hatte keine Lust, habe meine Freundin nicht allein lassen wollen... usw.. Sind das jetzt alles Helden?
Während der NS Zeit, oder besser, während des zweiten Weltkrieges, schwächte zwar jeder Deserteur, auch und vielleicht besonders in niederem Dienstgrad, das System - nur weiß ich doch heute nicht mehr warum er das getan hat. Sofern der Deserteur die Verbrechen des NS Regimes kannte und deshalb türmte - war er ein mutiger Mann. Keine Frage. Aber wenn er einfach abhaute weil es ihm zu gefährlich schien und er "nur" sich selbst retten wollte ?

Man könnte hier aus chronischem Gutmenschentum gefährliche Präzedenzfälle für die heutige demokratische Gesellschaft schaffen.
Zitat:Wolf postete
Man könnte hier aus chronischem Gutmenschentum gefährliche Präzedenzfälle für die heutige demokratische Gesellschaft schaffen.
Wirklich?
Das heutige, demokratische System und die heutige demokratische Gesellschaft haben keine Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten mit dem damaligen Unrechtsregime. Ein Vergleich daher auch nicht sinnvoll.

Zudem gäbe es ja heute dank der Kriegsdienstverweigerung eine legale Möglichkeit, sich zu entziehen. Das gab es damals nicht.

Insofern ist diese "Gefahr" eher nicht vorhanden, wenn man diese Problematik aufarbeiten und nicht weiter verschweigen würde, speziell da doch ein nicht ganz geringer Teil dieser Leute wegen des Regimes, oder gegen Ende des Krieges auch wegen der völlig aussichtslosen Lage und der unmenschlichen Durchhalteparolen/befehle, eine Entscheidung gegen den Krieg bzw. dessen Fortführung getroffen haben, was grundsätzlich ja zum Recht eines mündigen Bürgers gehört. (Und heutzutage wäre das, was damals passiert ist (Beteiligung and der Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskriegs) in D. ja an sich strafbar.....)

Ich finde es eher peinlich für eine demokratische Gesellschaft, diese Menschen über 60 Jahre zu kriminalisieren und unter den Generalverdacht der Drückebergerei und Feigheit zu stellen, nur weil die grosse Masse den entsprechenden Mut nicht aufgebracht hat, sich gegen das Regime zu stellen.
Der "gefährliche Präzedenzfall" wäre eher, das nicht aufzuarbeiten....
Schließe mich da in der Tendenz Pseunym an.
Zwar kann man gerade zum Ende des Krieges hin letztlich politische und persönliche Gründe schwer trennen. Da mag Wolf also durchaus Recht haben und es ist überaus schwer zu eruieren, was nun die primäre Motivation war. Aber ich für meinen Teil würde da auch gar keinen echten Unterschied machen wollen:
Die Lage war so verzweifelt, der Irrsinn des ganzen so deutlich, dass man einfach für solch ein Regime nicht mehr sein Leben wegwerfen wollte.
Durchaus intelligent wie ich finde. Hätten die Deutschen das schon eher erkennt, wäre Deutschland und Europa viel schlimmes erspart geblieben.
Ein Regime, dass die Leben seiner Bürger wegwirft und sinnlos verheizt, hat keine Legitimität bzw. um im Weber´schen Sinne zu argumentieren, ist keine legale Herrschaft, da keine Regeln und Satzungen mehr beachtet werden.
Daher -finde ich- kann man auch persönliche Gründe als gültig für Fahnenflucht ansehen. Immerhin war es ein Unrechtsregime und daher kein Verrat.

Von daher ist mir wirklich schleierhaft warum die Desertateure nicht vollkommen rehabilitiert werden. Ihre rechtsgültige Verurteilung ( für die Überlebenden) wurde ja erst vor ein paar Jahren zurückgenommen.
Aber wenn man so denken würde, dass staatliche Autorität gelich staatliche Autorität ist und befolgt werden muss, dass hätte man SS-Leute und KOnsorten nach dem Krieg nicht bestrafen dürfen, immerhin hätten sie ja nur Befehle ausgeführt, genauso wie die Soldaten, wenn si enicht desertiert wären.
Oder die Mauerschützen. Jene hätten bei der gleichen Logik auch nicht verurteilt werden dürfen und die Flucht von so einem um seine rTätigkeit zu entgehen, hätte auch verfolgt werden müssen.
Meines Erachtens ist das ziemlich gefährlich immer zu verabsolutieren und daher Desertation von vornerein daher schlecht zu machen.
Es gibt genügend Fälle wo Grenzen überschritten worden und Ungehorsam aus Menschlichkeit oder aus welchen Gründen auch immer angebracht gewesen wäre.
Das ist im übrigen auch kein verblendetes Gutmenschentum für mich. Ich halt nun mal nichts von preußischem Korporalsgeist und Kadavergehorsam.
Ich stimme Wolf zu. Die "Deserteure" hatten jahre lang, durch schweigen, das system geholfen. Und sie hatten sich erst mal zu dienst gemeldet. Erst der gefahr das eigene leben zu verlieren hat sie zu Desertation "motiviert".
"Echte" widerständler hatten ihre stimme fruher erhoben. Und die sind durch die NS regime ums leben gekomen.
Das gleiche regime die diese "Deserteure" gedultet hatten.
@Chris:
Freiwillig gemeldet? Nein. Eingezogen, fast alle davon, wie es die allgemeine Wehrpflicht ohne die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung vorsieht.
Zudem verkennst Du in Deiner Argumentation, dass sich Menschen auch weiterentwickeln können (Oder wie würdest Du sonst viele Leute des 20. Juli beurteilen?), und aus welcher Motivation heraus diese Entwicklung geschieht, ist relativ irrelevant. Sie haben sich wenigstens irgendwann (häufig zu spät und in zu geringer Zahl) aus dem System herausgezogen und dafür dann häufig auch (doppelt)bezahlt, etwas, was die grosse Mehrheit nicht gemacht hat.

Und wie beurteilst Du dann diejenigen, die bis zum bitteren Ende (und auch darüber hinaus) geschwiegen und mitgemacht haben?
Tja, Menschen sind nunmal aber meistens dumm und nicht sehr weit schauend.
Und gerade der einfache Bürger ist nicht immer an der hohen Politik interessiert bzw. hat die entsprechende Weitsicht.
Auch hat der einfache Bürger meistens sehr viel weniger Einflußmöglichkeiten.
Meines Erachtens, rechne ich es einem einfachen Soldaten fasst höher an 1944 zu desertieren als einem v. ein Anschlag auf den Führer zu unternehmen. Er als hoher Offizier mußte immer was gespielt wird, mußte immer was passiert und hat die Nazipolitik auch noch unterstützt bzw. bereitwillig mitgemacht. Er hätte aber definitiv schon früher etwas machen können. Doch erst als er sah, dass der Krieg verloren ist, handelte er und seine Freunde.
Das ist fahrlässig.
Was will aber ein einfacher Normalo schon machen. Insbesondere wenn er als 18- oder gar 17-jähriger 1944 gezogen wird. Da ist dann Esertation das einzige, was er als einfacher Bürger machen kann. Das sollte auch bedacht werden.
Es gibt nunmal Unterschiede in der Stellung und im Rang sowie den Einflußmöglichkeiten, wie auch im "Verständnis der Situation".
Stimt Eingezogen. Mein fehler.

Und das mit die 17-18 Jahrigen, das Thomas schrieb, ist auch richtig, Nach jahren im HJ und propaganda.

Und das was Thomas schrieb über die leute von 20 juli ist richtig.
So lange Deutschland siegte hatten die nichts getan, nichts gemacht.
Diese Leute hatten theoretisch mehr Möglichkeiten was zu tun, eher etwas zu tun.
Sie sahen doch, was in Polen, was in Joguslawien und in der Sowjetunion vor sich ging. Sie mußten wissen wohin es geht und was alles an Verbrechen, an Völkerechtsverletzungen begangen wurde.
Für den einfachen Landser war dagegen das Auflehnen ungemein schwerer. Als kleine Nummer, als kleines Rädchen, ständig indoktronierung ausgesetzt und vielleicht auch nicht ganz so helle und gebildet wie so mancher Offizier, was sollte er schon tun? Es gab die Vorgesetzten, die das Regime mittrugen, es gab die Kameraden, die auch mitmachten.
Ich will jetzt das alles nicht schön reden.
Als Landser hätte man auch 1941 oder 1942 "nein" sagen sollen.
Aber wenn schon die "gebildeten und elitären Oberschichten" nichts taten, was konnte da der kleine Mann machen?
In dem Zusammenhang: Respekt für das Attenat im Müncher Bierbrauhauskeller 1939 in München auf Hitler. Es war ein Arbeiter, der hier die Richtung vorgab, der leider niemand folgte.

Aber letztlich: man kann die Desertation der Soldaten gerade 1944 oder 1945 nicht besonders schönreden, aber sie war legitimiert und je eher sie im Krieg war, also je früher, desto mehr Respekt hab ich für dem Desertierenden, da jener mehr Mut hatte als so mancher hochdekorierte General, der sich hinter seiner "Ehre" versteckte und seinem Eid auf Hitler!
Zitat:pseunym postete
Zudem gäbe es ja heute dank der Kriegsdienstverweigerung eine legale Möglichkeit, sich zu entziehen. Das gab es damals nicht
Ein Ersatzdienstleistender, der seiner Dienststelle fernbleibt wird genau wie ein Fahenflüchtiger der BW bestraft. Und ein Arbeitsdienstler, oder ein Blitzmädchen wurden bei den Nazis, a.f.a.i.r.c. auch ähnlich bestraft wie ein damliger Deserteur der Wehrmacht. Ernste Gewissenskonflikte bei diesen "waffenlosen" Einheiten damals konnten aber durchaus auch auftreten und diese Gruppe von Deserteuren von der Verehrung auszuschliessen, fände selbst ich albern.

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Vorab: Das Regime musste beendet werden, so schnell wie möglich. Jede Art von Widerstand passiver oder aktiver Natur, der auf dieses Ziel gerichtet war verdient Anerkennung. Auf niedriger Dienstgrad- / Arbeits -ebene mehr als auf hoher, denn Bildungsniveau, Lageüberblick und Vertantwortungsbewusstsein sollten oben weiter verbreitet sein als unten. Was leider weder damals noch heute immer so ist.

Nun, zusammenfassend auch an Thomas:

Zunächst unterstellt ihr in euren ersten Antworten latent ein kollektives Wissen und einen Überblick über die Lage auf der unteren Ebene der Wehrmacht und anderer Dienste, der unserem Wissen über die Taten des NS Systems nahekommt. Ihr unterschätzt zudem, in geradezu abwegiger Art und Weise, den Einfluss, den eine solche Entscheidung auf das funktionieren unseres, heutigen, "Systems" haben könnte. Denn eurer Aktivismus ist, leider, nicht nur rückwärtsgerichtetes Handeln, sondern wirkt, meiner Einschätzung nach rechtswirksam, in unserer Zeit genauso.

Hatte jemand dieses Wissen oder zumindest begründete Zweifel an dem was ihm gepredigt wurde und er desertierte deswegen - kein Problem.

Der Knackpunkt, weswegen ich auf Probleme einer, über Trauer hinausgehenden, Kollektivwürdigung ausnahmslos aller Deserteure hinwies ist folgender:

Auch heute könnte es passieren, dass meine Einheit auf einem Einsatz in eine ausweglose Lage kommt, in der es scheint als würden die Leute bloss noch verheizt und Vorgesetzte ihre Leute in den sicheren Tod schicken.
Kann ich dann heimgehen - weil mir alles sinnlose Utopie erscheint und mir mein Verstand sagt "das kann nicht richtig sein"? Nein, denn alle Grundrechte sind in Kraft und es gibt auch keine Konzentrationslager? Woher soll ich wissen, dass das, an dem ich hier beteiligt bin, nicht in einer ähnlichen Liga spielt? Woher soll ich, als kleines Rad im Getriebe, wissen, dass man in 2055 nicht sagt: "warum hat dieser Trottel bei der Sauerrei im Sudan mitgemacht?"

Ehrt man also Personen die sich, ohne mit einem, damals in anderen Armeen auch üblichen, Maß an "Unmenschlichkeit" konfrontiert worden zu sein (wie z.B. der Todestrafe für Fahnenflucht oder verlustreichste Einsätze), und sich ohne weitere Kenntnis der Verbrechen des Systems davonmachten - dann strickt ihr eine prima Indizienkette mit der auch heute jeder Wehr- und Ersatzdienstleistende und jeder Berufssoldat seinen Dienstposten, repressionsfrei und jederzeit verlassen könnte. Verankert ihr diese indirekte Legitimation auch gesetzlich - würde jede rechtliche Handhabe gegen unsere heutigen Deserteure vor Gericht illegal (vorausgesetzt man geht in die oberen Instanzen).

Denn das Argument, dass wir heute ja ein demokratischer und fortschrittlicher Rechtsstaat sind (der zum Wohle des Volkes/der Allgemeinheit agiert) und solche Vergleiche schon wegen diesem oder jenem neuen Gesetz nicht funktionieren, ist sehr, sehr fragwürdig. Hätten die Nazis nicht etwas ähnliches von sich behauptet? Vielleicht mit dem Zusatz, dass schwere Zeiten besondere Opfer/Belastungen für jeden einzelnen Volksgenossen/Bundesbürger bedeuten? Ach nein, sorry, den Satz hat einer unser Politiker erst vor einiger Zeit in einer Rede gebracht.

Deshalb benutzte ich den Begriff: "chronisches Gutmenschentum" - Ideen die, sicher in bester Absicht realisiert, in der heutigen Welt, mit den absehbaren Problemen, nur Schaden anrichten, solange sich nicht alle Staaten und andere militärisch agierende Organisationen GLEICHZEITIG ebenfalls dazu bekennen würden. Was, wie wir alle wissen, in unserer, oder einer der nächsten Generationen nicht passieren wird.

Aufarbeiten? Gerne! - aber bitte immer detailliert und fallspezifisch.
@wolf:
Einin Soldat in heutiger Zeit (zumindest in D.) seine Rechte als Bürger nicht ab, wenn er eine Uniform anzieht. Soll heissen, er dann weiterhin das Recht als mündiger Bürger eigene Entscheidungen zu treffen. Heutzutage gibt es bei westlichen Armeen Möglichkeiten und Verfahren, das zu tunl, auch wenn das nur sehr selten passiert. Damals, in der Wehrmacht, nicht.

Dein Vergleich zw. einem Wehr- oder Zivildienstleistendem in der heutigen Bundesrepublik mit den Soldaten der in einen nach heutigen dt. Recht verbotenen Angriffskrieg verstrickten Wehrmacht, finde ich etwas sehr seltsam, zudem hinkt er massiv, da die Ausgangsbedigungen und Verhältnisse völlig unterschiedlich sind.
Und dazu gehört auch die Justiz: Heute gibt es dazu faire, rechtsstaatliche Verfahren, damals eben gerade nicht, sondern Standgerichte etc.
Und ist ein massiver Unterschied, in einem extrem unmenschlichen, Krieg "keine Lust" zu haben, oder ob man in einer Friedensarmee mal eben lieber bei der Freundin bleibt.

Mal ganz abgesehen davon: Es geht nicht um eine pauschale Ehrung dieser Personen, sondern darum, diese erstens nicht als Verbrecher darzustellen während genug ihrer "Kameraden", die mehr oder minder stark in die Verbrechen der Nazis verstrickt waren, ohne Repressionen weiterleben konnten und zweitens auch daran zu erinnern, dass diese von einer (wenn überhaupt) Justiz abgeurteilt wurden (und manche sogar noch nach der Kapitulation), die diesen Namen, auch nach damaligen Masstäben, nicht wirklich verdient.
Es geht darum, zu erinnern, und nicht zu verschweigen, was damals, auch im angeblichen Namen des Volkes, passiert ist.
Das aus Angst (vor sich selbst?) nicht zu tun bzw. zu Einzelfallprüfungen zu marginalisieren ist keine Lösung.

Zum Thema Wissen über das NS Regime: Wer wollte, konnte viel darüber wissen und auch in Erfahrung bringen, gibt ja genug Gegenbeispiel, auch aus unteren Bevölkerungschichten und auch von niederen Wehrmachstdienstgraden..... Die meisten wollten nicht oder sahen einfach nicht hin....
@ Wolf

Also dein Staatsverständnis ist für meinen Geschmack restlos veraltet und bemüht sich in fast schon irrwitziger Weise um einen strukturellen Objektivismus, der mich erschaudern läßt.

ich kann schon gut nachvollziehen, worauf du hinaus willst. Aber du legitimierst im Prinzip den Staat allein ex ipse, also aus sich selbst. Du stellst also die Souveränität des Staates über alles und diese Sichtweise wäre maximal bis 1789 unwidersprochen geblieben....
Dso allein für sich schon lange nicht mehr...
Ein Staat legitmiert sich eben nicht mehr nur ex ipse, sondern aus gewissen Prinzipien, Satzungen oder Regierungsweisen.
Eben daher hatte ich auch auf Max Webers Herrschaftstypologisierung zurückgriffen. Und jene baut auf in der legalen Herrschaft auf der Berücksichtigung gewisser Satzungen und fester Regelungen.
Und seit geraumer Zeit herrscht nunmal eben kein ständestaatlicher, Obrigkeitsstaat mehr, in der der Wille Gottes ( bzw. allein der der staatstragenden Eliten) gilt, sondern wir haben die Demokratie, die Menschenrechte usw.
Natürlich basiert das alles auf einer gewissen subjektiven Wahrnehmung udn ich sehe auch deutlich wovor du warnen willst Wolf. Aber allein der Ansatz deiner Argumentation läßt mich erschaudern, da man mit solchem "alten Denken" wunderbar jeden Mauerschützen, jeden Nazigeneral unbestraft hätte ziehen lassen müssen: es gälte ja die Souveränität des Staates, die Legalität der Aktion allein durch staatliche Legitimation.

Damit beraubt man ja jeglicher Bewertung den Raum und öffnet Tür und Tor für jeglichen Machtmißbauch. Ich kann mir vorstellen, dass du so weit nie argumentieren würdest, aber genau darauf läuft deien Argumentation hinaus:
Auf den Obrigkeitsstaat preuß. Prägung, in der KOrporalsgesit und Kadavergehorsam jegliche Aktion des Staates als Willen von "den da oben" genügend legitimierte. Aber genau das hatte doch HItler und die Nazis so gut auszunutzen gewußt.
Ich hab diese elende Wimmern der preuß. konditionierten Offiziere immer noch im Ohr, die ihr fehlendes Rückgrad, ihr Feigheit und ihre auch rassistischen Tendenzen immer wieder mit dem :"ich führte nur Befehle aus" rechtfertigten.
Genau aber sowas darf und soll nicht ein bzw. ist heutzutage eben auch obsolet.
Erst wenn ein Staat gewisse Grundsätze einhält, dann ist er aauch legitimiert und wenn er die Menschen auch entsprechend zu behandeln weiß. Ansosnten hat er seine Legitimität nunmal verwirkt.
Und da dies im Falle des Naziregimes klar der Fall war, ist auch für mich über jeden Zweifel erhaben, dass Ungehorsam gegen diesen Staat legitimiert ist.

Daher ziehen deine Vergleiche, wie Pseunym schon sagte, eben nicht wirklich.
Zitat:Thomas Wach postete
@ Wolf

...Aber allein der Ansatz deiner Argumentation läßt mich erschaudern, da man mit solchem "alten Denken" wunderbar jeden Mauerschützen, jeden Nazigeneral unbestraft hätte ziehen lassen müssen: es gälte ja die Souveränität des Staates, die Legalität der Aktion allein durch staatliche Legitimation.
Nein tut er nicht. Mit steigendem Grad an Wissen um die Taten des damals herrschenden Systems stiegt die Verantwortung und die Legitimation von Aktionen gegen das Regime. Ein Nazigeneral ist damit also nie "entlastet" - Er wusste, oder hätte wissen müssen, was vor sich ging und unternahm nichts.

Mauerschützen ... ? Schwerst O.T.

Das war schon üble Oberstufenpolitikstundenpolemik...

Zitat:Thomas Wach postete...jegliche Aktion des Staates als Willen von "den da oben" genügend legitimierte. Aber genau das hatte doch HItler und die Nazis so gut auszunutzen gewußt.
Entweder willst du, dass die Befehle eines Staates, egal ob damals oder heute befolgt werden und NUR wenn der Einzelne tatsächlich Zeuge von Verbrechen wird, die dem damaligen oder heutigem Grundsatz stark widersprechen, darf er sagen: "Für mich ist hier Schluss" - Oder du erlaubst jedem mit einem Flauen Gefühl in der Magengrube abzuhauen. Ich weiss um das Paradoxon in dieser Theorie, nur sehe ich keine Alternative und keine allgemeingültigen Argumente, die ich wie eine Schablone anlegen kann und die es dem einzelnen erlauben ein System von unten her korrekt zu beurteilen ohne selbst Zeuge oder Beteiligter bei Verbrechen zu sein/gewesen zu sein.

Zitat:Thomas Wach postete...Erst wenn ein Staat gewisse Grundsätze einhält, dann ist er aauch legitimiert und wenn er die Menschen auch entsprechend zu behandeln weiß. Ansosnten hat er seine Legitimität nunmal verwirkt.
Und da dies im Falle des Naziregimes klar der Fall war, ist auch für mich über jeden Zweifel erhaben, dass Ungehorsam gegen diesen Staat legitimiert ist.
Genau das ist es:

Denn für mich ist nur legititimiert, dass der Widerstand gegen den Staat legitimiert WAR.

...

Der einzige Kompromiss, der für alle Deserteure der Nazizeit gleich gelten würde, wäre für mich etwas wie die folgende Formulierung:

"Weil sich ihr Widerstand im Nachhinein als richtig erwies, ehren wir sie."

Wenn du es weniger kleinlich schreiben möchtest, kommst du um die unangenehme Einzelfallstudie nicht herum.

@pseunym:

mit einer Aufhebung des Verbrecherstatus habe ich kein Problem, solange damit keine finanziellen Kompensationsversprechen verbunden sind.




edit:

Mir fällt auch jetzt erst auf, dass das letzendlich auf eine Kriminalisierung jedes normalen Soldaten der Wehrmacht hinauslaufen wird. Das kann ja heiter werden.

Zitat:Also dein Staatsverständnis ist für meinen Geschmack restlos veraltet und bemüht sich in fast schon irrwitziger Weise um einen strukturellen Objektivismus, der mich erschaudern läßt.
Gut, dass ich nur ein Semster lang Gasthörer war... Smile
Zitat:Wolf postete
mit einer Aufhebung des Verbrecherstatus habe ich kein Problem, solange damit keine finanziellen Kompensationsversprechen verbunden sind.
Ahh.... Das ist also das Problem..... Keine Problem scheint es aber zu sein, dass ehemaligen KZ Wächtern und sonstigen "Verbrechern" aus der damaligen Zeit lange Jahr Pensionen etc. gezahlt wurden.......
Zitat:Mir fällt auch jetzt erst auf, dass das letzendlich auf eine Kriminalisierung jedes normalen Soldaten der Wehrmacht hinauslaufen wird. Das kann ja heiter werden.
Nein. Darauf läuft es eben nicht hinaus, wenn man diejenigen, die von der damaligen Unrechtsjustiz (und die Wehrjustiz des 3. Reiches war auch nach den damaligen Grundsätzen genau das) jetzt rehabilitiert und diese Vorkommnisse nicht verschweigt, sondern offensiv anspricht.
Hat eigentlich schon mal hier im Thread jemand danach gefragt, wie ruppig das NS-Regime in der Endphase des 2.Weltkriegs mit militärischen und zivilen Personal, daß auch nur den leisesten Grund zum Verdacht lieferte, nicht mehr an den "Endsieg" zu glauben, umsprang. Ein Bekannter meines Opa war damals Jugendlicher und sollte Propagandamaterial verteilen. Er sah jedoch, daß Verbände der Aliierten bereits vor der Stadt standen, und die Kapitulation des Ortes nur noch eine Frage von Stunden, wenn nicht sogar Minuten war. Er warf daraufhin die Propagandaflugblätter in eine Mülltonne und wäre dafür fast erschossen worden.
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