07.01.2010, 22:53
Zitat: zunächst einmal muss einfach festgestellt werden, dass die Enwicklung zu einer Multipolaren Welt offensichtlich ist...Bin ich mir nicht so sicher. Natürlich wird China vorerst weiterhin aufstreben und sich mehr und mehr Einflüsse sichern. Ob es aber darüber hinaus weitere Pole geben wird, stelle ich in Frage. Ich sehe Staaten, die wichtigere Rollen ausfüllen könnten, sicher, aber zur Bildung von Polen im weitreichenden, globalen Sinne, reicht deren Potenzial m. M. nach nicht ganz, weil sie einfach zu klein sind, selbst wenn sie in bestimmten Gefügen (mittel-)groß bis tendenziell bestimmend werden in ihrem Regionalkreis.
Zitat: Staaten und Staatengemeinschafen mit einer Bevölkerung von über 1 Mrd. Bewohner oder einer Fläche von > 4 Mio. qkm lassen sich nicht einfach dominieren.Das sei sicher unbestritten.
Zitat: Wie ich bereits ausführte, ist der Besitz von Atomwaffen die "ultimative Verteidigung". Die gegenseitige Androhung der Vernichtung des anderen hat über die Jahrzehnte des "Kalten Krieges" im Endeffekt erst dazu beigetragen, dass es eben zu keinem "heissen Konflikt" gekommen ist.Das grenzt jetzt etwas an das andere Thema von der Atombombe und ihrem Abschreckungspotenzial, was ich, wie ich in der Vergangenheit schon geschrieben habe, etwas anders sehe, bzw. dass ich es so sehe, dass man Konzepte gegen die ultimative Verteidigung entwickeln sollte. Das würde aber hier etwas am Rahmen vorbeigehen. Was allerdings die atomare „balanace of power“ oder die MAD angeht, die die Stabilität in Zeiten des Kalten Krieges bewirkt hat, so gilt es anzumerken, dass es genügend Orte gab, wo der Kalte Krieg heiß wurde, vornehmlich in Stellvertreterkonflikten, wo ganz real geschossen und gestorben wurde. Zwar stießen die Blöcke glücklicherweise nicht direkt zusammen, wohl aber trugen sie ihren ideologischen Streit auf dem Rücken anderer teils umso heftiger aus. Und die Folgen dieser Stellvertreterkriege spüren Länder in Asien, Afrika und teils auch Süd- und Mittelamerika noch 20 Jahre nach Ende des Kalten Krieges. Bei der neuen Herausbildung von Polen ist es also sehr wahrscheinlich, dass sich an anderer Stelle auf diesem Planeten wieder ähnliche Szenarien hinsichtlich Stellvertreterkriegen auftun werden, nur ist es dann so, dass man es z. T. nicht mehr zur Gänze mit agrarisch-ärmeren Schwellen-Staaten bis tatsächlichen 3.-Welt-Staaten zu tun hat, sondern mit Staaten, die eine a) stark angewachsene Bevölkerung besitzen (im Vgl. von vor 20 – 40 Jahren) und die b) auch religiöse, ideologische und militärische Radikalisierungspotenziale in größerem Maße besitzen. Die Zahl der Länder, die eigene Raketenprogramme haben, hat sich seit 1960 verachtfacht (!). Dazu kommen eigene Waffenprogramme hinsichtlich Panzern, Flugzeugen und Kleinwaffen – ein Sachverhalt, der früher so nicht existierte. D. h. man kann davon ausgehen, dass die dort zukünftig ausgetragenen Konflikte im Falle einer Multipolarität um einiges verlustreicher sein werden und auch brutaler geführt werden würden, als dies früher der Fall war. Und da den Staaten, gesetzt den Fall das Szenario tritt ein, heute aufgrund ihrer gewachsenen Bevölkerung und auch ihres gewachsenen industriellen Potenzials eine größere Rolle im Weltgefüge zugestanden werden muss, werden auch die weltweiten Folgen dieser Konflikte drastischer sein, bzw. die Verluste, diese einzudämmen oder zum Schaden des anderen am Leben zu halten, höher liegen.
Zitat: ist einfach die Erfahrung der "ultimativen Abwehrwaffe" entgegen zu halten. Kein Staat mit Atomwaffen kann heute angegriffen werden, ohne dass der Angfreifer seine eigene Existenz gefährdert. Und weil alle - auch und gerade die totalitären Herrscher in Diktaturen - an der Macht bleiben wollen, werden sie alle nicht den eigenen Untergang provozieren.Das sehe ich wie gesagt anders, möchte diesen Aspekt aber hier aus der Diskussion raushalten, alleine weil es ein etwas zu weit abgleitendes Feld wäre.
Zitat: Meine Zweifel am "Hegemon USA" begannen mit Ronald Reagans Abwehrprojekt. Damit sollten die USA unangreifbar werden. Gleichzeitig wurde in den USA immer offener über die Möglichkeit des Erstschlags diskutiert - während wir in Europa als "Bauernopfer" ungeschützt einem sowjetischen Vergeltungsschlag ausgeliefert gewesen wären.Das würde jetzt hier etwas den Rahmen sprengen, über das Für und Wider von SDI zu reden, ist hier auch nicht das Thema. Aber am Rande: Wie kann man denn so mutig sein, die Rolle eines Hegemons alleine über eine Person zu definieren, von der man weiß, dass sie allerhöchstens acht Jahre regieren kann und dass dann jemand anderes nachfolgen wird (wie auch geschehen)?
Zitat: Dazu wäre zunächst einmal anzumerken, dass sich China als Hegemonialmacht in seiner mehrtausendjährigen Geschichte immer auf Ostasien beschränkt hat...Weitestgehend mag es so sein (wenngleich das „immer“ nicht ganz stimmt, aber das wäre eine Haarspalterei). D. h. aber nicht, dass das zukünftig auch gelten kann. China streckt derzeit seine Finger weit nach Afrika aus, auch wenn es dort auf den ersten Blick keine Ambitionshistorie besitzt.
Zitat:...und dass China als Bauernstaat zur militärischen Intervention eine völlig andere Tradition entwickelt hat als das auf Legionen gegründete Römische Reich (und die in der Nachfolge der Römer stehenden Staaten).Das ist ein wenig ein unpassender Vergleich. Rom war lange Zeit auch ein Bauernstaat mit einer Art Aristokratie, bzw. einem Ständesystem. Die römischen Heere, die sich über 300 Jahre lang aus Bauern rekrutierten, erfochten dem anwachsenden Imperium teils mit die größten Siege (u. a. punische und makedonische Kriege), bis das Konzept während der Kimbern- und Teutonen-Einfälle an seine Grenzen stieß (genau genommen waren die allgemeinen Erschöpfungs- und Zerfallserscheinungen schon während der letzten Phase der punischen Kriege und dem Aufstand in Spanien aufgekommen). Aber: Bis zur Reform des Marius und zur Umwandlung der römischen Heere in eine Art Berufsarmee, die dem jeweiligen Feldherren unterstanden (weitestgehend), standen römische Bürger und Bauern im Feld. Dies hatte allerdings zur Folge, dass der altrömische Bauernstand nach und nach verfiel, weil die Bauern im Krieg standen und nicht auf den Feldern (die daraus resultierenden innergesellschaftlichen Spannungen, etwa während der Gracchen-Bewegung, waren ein Resultat davon).
Es wäre also nicht ganz richtig, Rom auf einen reinen Legionsstaat zurecht stutzen zu wollen, um ihn mit dem „Bauernstaat“ China vergleichen zu wollen. China durchlebte zudem in seiner Geschichte immer wieder hochmilitaristische Phasen, die – nimmt man die Zahl der ausgehobenen Truppen als Bsp. heran – die römischen Aufmärsche als klein erscheinen lassen würden. Von einem Bauernstaat oder einer diesem zuzurechnenden Tradition diesbezüglich kann man also nicht sprechen.
Zitat: Ich möchte aber auch anmerken, dass sich Gesellschaften ändern. Die Militärdiktaturen in Lateinamerika, Spanien (Franco) und Griechenland haben genauso demokratischen Regierungen Platz gemacht wie die kommunstische Diktatur in Osteuropa zusammen gebrochen ist.Zweifelsohne gibt es und kann es solche Wandlungen geben.
Zitat:Es ist nicht zu erwarten, das ein "wohlhabendes China" (um bei Deinem Beispiel zu bleiben) weiterhin totalitäre Strukturen aufrecht erhält...Chinas Wohlstand wächst seit einigen Jahren, aber parallel dazu kann man nicht erkennen, dass es irgendwelche Lockerungen bei den totalitären Strukturen gibt. Im Gegenteil, es scheint als nehme die Zensur und die Unterdrückung sowie die Neigung zum Ignorieren von Menschenrechtsfragen eher zu – wohl im Rahmen des wirtschaftlich gewachsenen Selbstbewusstseins –, je mehr Wohlstand China ansammelt.
Zitat: Noch nie in der Geschichte haben demokratische Länder gegeneinander Krieg geführt.Das ist korrekt.
Zitat: Die Geschichte zeigt jedenfalls auch, dass Demokratien gefährdert sind, wenn Wirtschaftskrisen das jeweilige Land erschüttern.Jeder Staat wird irgendwo durch Wirtschaftskrisen gefährdet oder getroffen, aber Demokratien sind sicherlich nicht gefährdeter als andere Systeme.
Zitat: Insofern plädiere ich für eine Globalisierung, die gerade bei den potentiellen Regional- und Weltmächten mehr Wohlstand erzeugt und damit die Entwicklung der Demokratie begünstigt.Das ist zwar nobel, aber illusorisch. Wir haben bereits eine recht aggressive Globalisierung (wenngleich auch nicht eine so schlimme, wie uns gerne gesagt wird), in der die traditionellen Lieferanten des Weltmarktes, die entwickelten Staaten (1. Welt, d. h. weitgehend der Westen), derzeit zunehmend ins Hintertreffen geraten vor der Macht anderer Staaten. Aber: Diese Staaten sind deshalb häufig so „konkurrenzfähig“, weil sie sich nicht an Tarife, Arbeitszeiten, Mindesalter, etc. halten müssen, sondern weil sie, wie es totalitären oder halbdemokratischen 3.-Welt-Staaten nun mal zu eigen ist, kurzerhand die Regeln jenseits von Menschenrechten oder Arbeitsrechten diktieren können, was in den industrialisierten Staaten des Westens nicht geht. Dort haben die Menschen jahrhundertelang für ihre Rechte gestritten (richtigerweise) und sollten sich hüten, diese nur deshalb über Bord zu werfen, damit man mit China konkurrieren kann. Und dabei gibt es ja schon zuhauf bei uns die Tendenz, für mehr Profit in diese Länder abzuziehen, weil man „ja da dann besser und billiger produzieren kann“.
Ich habe es schon mal in einem anderen Thread gesagt: Ich konnte auf den Philippinen erleben, wie miteinander umgegangen wird. Dort gab es chinesische Wollproduzenten, die billigste philippinische Arbeitskräfte unter teils skandalösen Umständen arbeiten ließen. Und da entstand nicht irgendwo ein Reichtum, sondern es gab knallhart nur einen Gewinner, den reichen Chinesen aus dem kommunistischen Reich der Mitte, und den Dreckfresser, den Philippino, der nach 14, 15 Stunden heimkonnte, und der aber nicht mal den Hauch von Wohlstand je haben wird. Und da sage ich, da entsteht kein Wohlstand unter dem Deckmäntelchen der Globalisierung, sondern geschieht Ausbeutung, die sicher keine Demokratieentwicklung begünstigt. Natürlich gibt und gab es auch Fälle, wo westliche Firmen ausgebeutet haben, aber im Gegensatz zu China haben wir immerhin noch unabhängige Institutionen, die das dann auch aufdecken. Wenn bei uns jemand in Bangladesch Jugendliche Hemden basteln lässt und dies rauskommt, gibt es einen Aufstand, der das Unternehmen zu einer Rückwärtsrolle nötigen würde. Wenn ein chinesisches Unternehmen irgendwelche Philippinos ausbeutet, juckt das in China hingegen niemand. Deshalb wird es unter der Regie der rot angemalten konfuzianischen Bosse keinerlei Entwicklung geben, allenfalls wird der Reichtum Chinas wachsen, wobei jedweder Widerstand knallhart erstickt werden würde, was wieder zum Nachteil der freien Welt wäre.
Schneemann.