Nightwatch schrieb:Erich schrieb:Die Schlussfolgerung passt nicht, auch eine Privatfirma, die Insolvent ist, muss nicht aus dem Euro raus. Im Gegenteil: die Gläubiger streiten sich mit ihren Euro-Forderungen um die verbliebenen Werte.
Und das wird bei einer Staatspleite nicht anders.
Ein Staat ist keine Privatfirma, er kann in diesem Sinne nicht insolvent gehen und abgewickelt werden.
Ein Staat, der seine Schulden nicht mehr bedienen kann verliert die Fähigkeit sich auf dem Kapitalmarkt frisches Geld zu besorgen. Das ist eigentlich die Situation die wir schon haben. Ohne die Unterstützung durch die Partner bekäme Griechenland nicht die nötigen Kreditlinien um die Zinsen zu bedienen.
Man kann es so sagen: Der Patient ist hirntot und der Körper wird nur noch durch Maschinen am Leben gehalten. Das Land Pleite gehen zu lassen hieße nur die Maschinen auszuschalten und einen Zustand zu akzeptieren der längst da ist.
Da Griechenland aber ein Staat und kein Unternehmen ist muss es danach irgendwie weiter gehen. Es geschieht dann das was in derartigen Situationen immer geschieht, man wechselt die Währung. Mit einer eigenen Währung ist Griechenland nicht an die Stabilitätswünsche in der Eurozone (sprich an die Wünsche Deutschlands) gebunden und kann beliebig Geld drucken.
nochmal - ob Griechenland seine Schulden in Euro oder in einer anderen Währung nicht zurück zahlen kann, ist relativ egal. Wenn die Einnahmen nicht reichen, dann hilft auch ein Währungswechsel nicht.
Zitat: ...
Die Folge ist dann natürlich eine heftige Abwertung zum Euro, aber das ist letztlich kein Problem für Griechenland. Entscheidend ist, dass sie dadurch wieder kapitalmarktfähig werden und die Altschulden losbekommen.
Und niemand wird deshalb den Griechen in einer neuen griechischen Währung Geld geben, genauso oder noch weniger als jetzt im Euro.
Noch weniger schreibe ich, weil der Euro im Grundgedanken eine Gemeinschaftswährung ist, für deren Wert (als Bezug der gemeinsamen Wirtschaftskraft) gemeinsam alle Euro-Staaten einstehen sollten, genau das tun sie aber nicht.
nightwatch schrieb:...
Zitat:1.2.
Griechische Schuldscheine wären nichts anderes als griechische Staatsanleihen. Die nimmt kein Mensch, es sei denn, er ist dazu gezwungen.
Dann müsste Griechenland eine eigene Währung in Umlauf bringen, und von heute auf Morgen den Euro kompett als Zahlungsmittel abschaffen. Und das geht nach den entsprechenden Verträgen nicht (Du solltest auch die Tagesschau-Erläuterungen lesen, die ich gestern um 17:41 verlinkt habe).
Der Link ist tot.
dann nochmal <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/wirtschaft/faq-griechenland-staatsbankrott-grexit-101.html">http://www.tagesschau.de/wirtschaft/faq ... t-101.html</a><!-- m -->
Zitat:...
Ist ein "Graccident" rechtlich möglich?
Die Wortschöpfung "Graccident“ meint das unabsichtliche Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro für den Fall, dass Griechenland zahlungsunfähig wird. Eine Art griechischer Unfall - auf Englisch "Greek accident", sprich "Graccident".
Ein "Graccident" ist rechtlich nicht möglich. Auch wenn Griechenland zahlungsunfähig wird, bleibt der Euro das gesetzliche Zahlungsmittel. Der Passauer Europarechtsprofessor Christoph Herrmann beschäftigt sich intensiv mit diesen rechtlichen Fragen. Er sagt: "Griechenland kann zwar aus Versehen Pleite gehen. Der Euro hat aber rechtliche Grundlagen, und die ändern sich nicht einfach so aus Versehen."
Rechtliche Basis ist die "Euro-Einführungsverordnung" von 1998. Sie ist, wie jede EU-Verordnung, unmittelbar geltendes Recht und macht den Euro zum gesetzlichen Zahlungsmittel. In Artikel 3 heißt es: "Der Euro tritt zum Umrechnungskurs an die Stelle der Währungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten." Griechenland ist seit 1. Januar 2001 Euro-Mitgliedsstaat. Das ist ebenfalls in der Verordnung geregelt. Ohne eine Änderung der Verordnung gibt es kein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro.
Kann Griechenland einseitig aus dem Euro aussteigen?
Ein häufig genannter Weg würde über Artikel 50 des EU-Vertrags führen. Jedes EU-Mitglied "kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten", heißt es dort. Geregelt ist aber nur der Austritt aus der Europäischen Union, nicht aus dem Euro. Der Austritt aus dem Euro wäre dann aber die automatische Folge des Austritts aus der EU. Allerdings: das ist eine Lösung, die man nicht "mal eben so" in die Tat umsetzen kann. Ein einseitiger Austritt würde erst zwei Jahre nach einem offiziellen griechischen Austrittsbeschluss wirksam. Darauf weist der Passauer Professor Christoph Hermann hin.
Theoretisch könnte Griechenland sich auf "Allgemeine Regeln des Völkerrechts" berufen - und seine Euro-Mitgliedschaft zum Beispiel mit Hinweis auf einen "Staatsnotstand" kündigen. Allerdings ist fraglich, ob für das allgemeine Völkerrecht neben den EU-Verträgen und der Euro-Einführungsverordnung überhaupt noch Platz ist. Rechtssicherheit sähe jedenfalls anders aus.
Was wäre, wenn Griechenland einfach eine "Neue Drachme" einführt?
Die einseitige Einführung einer "Neuen Drachme" als offiziellem Zahlungsmittel wäre ein Verstoß gegen das Europarecht. Christoph Herrmann verweist darauf, dass die Euro-Staaten das Recht, ihre Währung frei festzulegen, durch den Euro-Beitritt aus der Hand gegeben und auf die Europäische Union übertragen haben. Das könne ein Staat nicht einfach einseitig ändern. Weil Europarecht grundsätzlich Vorrang vor nationalem Recht hat, könnten sich Gläubiger gegenüber Griechenland und gegenüber privaten Schuldnern in Griechenland weiterhin auf den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel berufen.
Könnten die anderen Euro-Staaten Griechenland aus dem Euro-System "rausschmeißen"?
Das ist aus rechtlicher Sicht noch schwieriger als ein einseitig erklärter Austritt Griechenlands. Zwar verstößt Griechenland seit Jahren gegen die Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, zum Beispiel gegen das Limit beim Haushaltsdefizit. Allerdings sind die Sanktionen für einen solchen Verstoß klar geregelt. Der "Rauschmiss" aus der Eurozone gehört nicht dazu.
Bei Verstößen gegen die Grundwerte der EU - hierzu gehören Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte - können dem betroffenen Staat verschiedene Rechte entzogen werden. Aber selbst bei solchen schweren Verstößen ist kein "Rausschmiss" aus der EU vorgesehen. Und ob man parallel auf allgemeine Regeln des Völkerrechts zurückgreifen könnte, bezweifeln viele Experten.
...
damit erübrigt sich auch die Antwort zu Deinem nächsten Text:
Nightwatch schrieb:Natürlich geht das. Griechenland ist ein souverän, es kann es einfach tun. Es gibt keinen Mechanismus der sie daran hindern könnte entgegen bestehenden Eurozonenverträgen zu handeln.
Wäre in der Krise nicht mal das erste Mal.
Nightwatch schrieb:....
Zitat:2.
Altschulden in Euro werden weiterhin in Euro eingefordert werden. Was Du forderst ist ein radikaler Schuldenschnitt. Der kann auch in Euro erfolgen.´
Du kannst einfordern was du willst, dass unterscheidet eben einen Staat von einer Privatfirma. Griechenland kann beschließen, Altschulden nicht mehr zu bedienen oder in Drachmen umzuschreiben. Mit 1 Cent auf den Euro. Einfach so, mit einem Federstrich.
siehe oben
Nightwatch schrieb:...
Zitat:1. Ein Schuldenmoratorium, d.h. ein Aussetzen der Schuldenzahlungen ist notwendig.
2. Ein Schuldenschnitt der Euro-Schulden ist sinnvoll - besser ein Schnitt als der Komplettverlust.
3. Dann kann auch nachhaltig investiert werden. Z.B. in den Ausbau der Flughäfen, weil die am Ende ihrer Aufnahmekapazität sind und daher der Tourismus gar nicht weiter angekurbelt werden kann.
Du ignorierst die Auswirkungen, die eine solche Aktion auf den Euroraum hätte (mal abgesehen davon das es keine politischen Mehrheiten mehr dafür gibt).
Wenn du Griechenland den Blankoscheck ausstellst stehen Morgen Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und Großbritannien auf der Matte, die ebenfalls diverse fiskalpolitische Erleichterungen fordern. Damit zerlegst du den Euroraum komplett; Griechenland kann sich nur außerhalb des Euroraums selbst sanieren.
Du ignorierst die Auswirkungen, die eine Zahlungsunfähigkeit des griechischen Staates hätte.
Das betrifft nicht nur die Zahlungen gegenüber den Kreditgebern wie z.B. Italien (das dann wohl auch zahlungsunfähig wäre), sondern auch die Zahlungen des Staates im Inland. Gehälter, Renten .... was jetzt schon ein soziales Desaster ist, wäre danach nur noch eine einzige soziale Katastrophe und erst recht wäre jede Grundlage für eine wirtschaftliche Erholung der Binnennachfrage zerstört.
Griechenland - das sich unter einer früheren Regierung in den Euro geschlichen, um nicht zu sagen "betrogen" hat - wäre reif für die Steinzeit, oder die Union mit Russland (um ein Beispiel zu nennen).
@Schneemann:
Griechenland ist nun mal im Euro-Raum, ob rein"gemogelt" oder nicht.
Und jetzt kommt der Geburtsfehler des Euro:
der Wert einer Währung ist heute nicht mehr durch Edelmetalle (Gold) gewährleistet, sondern er spiegelt die Wirtschaftsleistung des Währungsgebietes wieder. Je höher die Wirtschaftsleistung, desto höher der Wert der Währung - und umgekehrt.
Wenn man also eine gemeinsame Währung einführt, dann braucht es auch eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik. Und genau daran fehlt es seit der Einführung des Euro. Mit der Abschaffung der nationalen Währungen hätte zugleich eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik im Währungsgebiet eingeführt werden müssen. Das ist aber nicht erfolgt.
Stattdessen hat man weiter nationale Alleingänge zugelassen und den Solidaritätsaspekt der Währung ignoriert, wohl aber zugelassen, dass auch das Preisniveau der Grundpreise für Lebensmittel usw. einheitlich ist (die unterschiedlichen Preise z.B. für Benzin ergeben sich nur aus der unterschiedlichen nationalen Besteuerung).
Ja, wir haben auch in Deutschlands Bundesländern eigene Finanzminister, die den Landeshaushalt und eine unterschiedliche Finanzpolitik verantworten - aber wir haben in der Bundesrepublik auch den Länderfinanzausgleich, der einen Ausgleich zwischen den Bundesländern herstellt.
Und der fehlt in der Euro-Zone genauso.
Das heißt, man muss überlegen, wie sich die griechische Wirtschaft unter den gegebenen Vorzeichen erholen kann.
Stichwort: Tourismus
Die griechischen Flughäfen sind an der Kapazitätsgrenze. Mehr Touristen würde einen Ausbau der Flughäfen, also Investitionen erfordern.
Stichwort: Reeder
Griechenland liegt als erster europäische Staat an der Schifffahrtsstraße nach Asien - der "neuen Seidenstraße". China hat sich nicht uneigennützig im Hafen von Piräus eingekauft, um einen großen Container-Terminal zu bauen. Da ist Potential, z.B. auch für Reparaturwerften.
Singapur könnte als Vorbild dienen.
Stichwort: Industrialisierung
Es gibt durchaus Industrien, die nicht auf Rohstoffe angewiesen sind. Chip-Produktion im EDV-Bereich z.B., genauso wie Support-Dienstleistungen ...
Stichwort: Oliven (und Schafskäse)
Die sind eh schon subventioniert, um etwa die sehr guten und preiswerten marokkanischen Oliven "aussen vor" zu lassen.
Stichwort: Karst
Die Karstlandschaft ist nicht naturgegeben, sondern das Ergebnis eines Jahrtausende andauernden Raubbaues an den Wäldern - für Schiffe usw usw usw.
Da lassen sich durchaus Aufforstungsprogramme fahren - aber das dauert halt Jahrzehnte bis so ein Wald "erntereif" ist.
btw.:
Weil ich gerade bei den nachwachsenden Rohstoffen bin - Griechenland ist das EU-Land, das am meisten auf den Import fossiler Energien angewiesen ist.
Warum sollten Windgeneratoren und Solarkollektoren nicht in Griechenland gebaut werden können?
Aber all diese Investitionen brauchen Zeit, und sind erst nach Jahren rentabel. Daher braucht Griechenland ein Schuldenmoratorium.
Und gleichzeitig jetzt schon die Möglichkeit, die Binnennachfrage zu entwickeln.
Also möglichst schnell viele Arbeitsplätze mit anständigen Gehältern, aus denen dann auch Sozialabgaben zur Finanzierung von Renten und Krankenkassen erwirtschaftet werden können.
Das EU-Spardiktat ist da kontraproduktiv.
edit:
Die griechischen Banken bleiben erst mal zu -
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/euro-krise-banken-in-griechenland-bleiben-vorerst-zu-1.2541185">http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/e ... -1.2541185</a><!-- m -->
Zitat:28. Juni 2015, 20:12 Uhr
Banken in Griechenland bleiben vorerst zu
konsequent:
Wenn die Einlagen geplündert werden, hat die Bank nicht zugleich die Möglichkeit, die Kredite zu kündigen. Damit kommt jede Bank in Schieflage.