mal wieder zurück ein altes Thema aufgreifen und die Frage stellen:
ist das "große Nahost-Projekt" überhaupt möglich?
Jacks schrieb:Naja ich würde mal sagen es ist gescheitert.
Der Plan war in etwa wie folgt:
Der Krieg im Irak sollte als Grundstein für eine demokratische Umordnung des Nahen Ostens bei gleichzeitiger lösung des Israelisch-Palästinensischen Konflickts.Animiert durch die "neue" Demokratie im Irak sollten die regime in Syrien,dem Iran und Saudi-Arabien von selbst oder halt ein bißchen mit Nachhilfe von außen gestürzt werden.Für den Konflickt in Palästina wurde die Roadmap vorgelegt,welche langfristig in einem unabhängigen Staat Palästina enden sollte.
Heute ist die Roadmap leider tod und der Irak ist nicht ein Musterbeispiel für Demokratie im nahen Osten sondern der gröte Unruheherd.
Hoffen wir das die Amis was daraus gelernt haben:
Das man das schicksal nicht einfach verändern kann nur weil man selber stark ist.Sowas muss von den Menschen der region selber kommen.Ohne die kann auch das mächtigste Land der Erde nichts machen.....
Ich möchte dazu hier einige Thesen aus dem "Eurasischen Magazin" aufgreifen, einmal von Prof. Dr. Wolfgang Merkel vom 25.10.2003
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/?artikelID=101603">http://www.eurasischesmagazin.de/artike ... lID=101603</a><!-- m -->
Zitat:Islam und Demokratie
Der Heidelberger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Merkel sprach im Rahmen des Uni-Forums 2003 des Sudwestrundfunks zum Thema „The Clash of Civilizations – Der‚ Westen' und die ‚islamische Welt'“. Das Eurasische Magazin dokumentiert Auszuge aus seinem Vortrag. Merkel stellt darin die These auf, Islam und Demokratie ließen sich deshalb so schwer vereinbaren, weil die islamistische Welt nicht an der Aufklärung teilgenommen habe und daher keine Trennung zwischen Staat, Gesetz und Religion kenne.
....
und dann - vier Jahre später - aus dem Interview mit dem Autor Alan Posener
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/?artikelID=20070907">http://www.eurasischesmagazin.de/artike ... D=20070907</a><!-- m -->
Zitat:...
„Das Internet stellt die Kanonen dar, mit denen die Mauern der Madrasse niedergelegt werden und die abgeschottete Welt des Islam mit der Moderne konfrontiert wird.“
EM: Wie lautet Ihr Vorschlag zur Lösung des religiösen Knotens im Nahen und Mittleren Osten – gibt es in Ihren Augen einen gangbaren Weg, um dort Frieden zu stiften?
Posener: Der Evolutionsbiologe und Religionskritiker Richard Dawkins meint, in 150 Jahren werde die Religion in dieser Region eine ähnlich untergeordnete Rolle spielen wie jetzt in Europa. Und zwar setzt er darauf, dass moderne Kommunikationsmittel wie das Internet sozusagen die Kanonen darstellen, mit denen die Mauern der Madrasse niedergelegt werden und die abgeschottete Welt des Islam mit der Moderne konfrontiert wird. Ich würde ergänzen, dass die gegenwärtige scheinbare Renaissance des radikalen Islam wenigstens teilweise eine Reaktion auf diesen Prozess ist, der längst im Gange ist. Die Hysterie angesichts des Einbruchs der Moderne dürfte uns bekannt vorkommen: schließlich erreichte die Hexenverfolgung ihren Höhepunkt nicht etwa im finsteren Mittelalter, sondern in der Zeit der Renaissance, als die alten Glaubensgewissheiten ins Wanken gerieten. Diese Hysterie fällt in der arabischen Welt zusammen mit dem, was Gunnar Heinsohn einen klassischen „youth bulge“ nennt, einer Bevölkerungsexplosion, die besonders die „überschüssigen Söhne“ ohne sinnvolle Beschäftigung lässt, da die Wirtschaft der arabischen Länder stagniert. Da ist die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eine rationale Berufswahl, wie in den Slums von Chicago die Mitgliedschaft in einer Drogengang, und sogar das Selbstmordattentat erscheint unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht völlig irrational, da der Attentäter damit seiner Familie Status und Versorgungsansprüche verschafft. Also, man muss auf das Abflachen dieser Bevölkerungskurve und das etwa gleichzeitige Abflachen der religiösen Hysterie setzen. Und das muss man von der EU aus mit den entsprechenden Programmen begleiten, die den demokratischen und wirtschaftlichen Wandel in der arabischen Welt unterstützen. Wir reden von Zeiträumen bis 2050 und darüber hinaus. Wer auf eine kurzfristige Lösung setzt, wird enttäuscht sein.
...
mit meinen etwas weniger professionellen Worten:
das "große Nahostprojekt" setzt eine geistige Entwicklung bei einer Mehrheit der Bevölkerung voraus, die nicht einfach
*klick* eingeschaltet werden kann.
Die Türkei hat nach Atatürks Machtübernahme noch gute 90 Jahre gebraucht, bis auch eine konservative Bevölkerungsmehrheit eine neue, eigenständige, demokratische Elite hervor gebracht hat - und im kurdischen Ostanatolien sind "westliches Denken" und eine säkuläre Einstellung wohl immer noch nicht angekommen ...
und selbst in Westeuropa aufgewachsene junge Muslime fühlen sich vielfach in einem Spagat zwischen den hier geltenden freiheitlichen Werten und den in der Familie übernommenen konservativ-bodenständigen Ehrbegriffen - und dass da einige "den Sprung in die Moderne" nicht schaffen ist an sich völlig normal - menschlich halt.
Wie also soll von heute auf morgen die islamisch geprägte Welt plötzlich westliche Werte annehmen - einfach durch
* klick * eine Anordnung aus Washington DC?
Müssen wir den islamischen Staaten nicht Zeit geben, sich selbst entsprechend zu entwickeln, die Werte, die wir in Europa inzwischen inhaliert haben, selbst freiwillig anzunehmen und nicht gezwungen übergestülpt zu erhalten?
Ist es nicht sinnvoller, säkulär eingestellte Staaten wie Libyen oder Syrien, Staaten mit demokratischen Grundstrukturen wie den Iran oder junge, mit westlichen Werten vertraute Regierungschefs wie in Jordanien, Marokko, Syrien (nochmal) und künftig vielleicht Libyen (nochmal) in Ruhe "sich entwickeln" zu lassen,
in dem Tempo, das die Gesellschaft verträgt ohne dass es zu extremen Reaktionen (Extremismus als Abstoßungsreaktion?) kommt,
wie ja vielleicht auch in Saudi Arabien die "Katapult-Entwicklung" von der Stammesgesellschaft zur Wirtschaftsgroßmacht erst einen Bin Laden hervorgebracht hat ....
Was also soll ein "großes Nahost-Projekt" wenn die Gesellschaft noch nicht so weit ist und diese Entwicklung noch Jahrzehnte dauern kann - ist ein solches Projekt nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt, und möglicherweise nur aus innenpolitischen Gründen vorgetragen, um Zweifler für ein Engagement (aus anderen Gründen)
zu interessieren oder gar zu begeistern - für eine Fata Morgana, eine vorgeschobene Schimäre?