Zu Erichs Post:
Zitat: Schneemann, Deine Ausführungen sind mehr als Bedenkenswert; ich bin aber auch gerne der "advocatus diaboli", derjenige, der nachfragt und hinterfragt - und ich frage nach, ob "die Furcht vor einem kommunistischen Staatstreich" nicht oft vorgeschoben war, ein Vehikel, das nur dazu diente, die US-Einflusssphäre zu erhalten und mit - zumindest nicht ethnisch hochstehenden - Regierungen wie etwa Militärdiktaturen in Südamerika (Chile, Argentinien ...) oder Südostasien (Vietnam) zu paktieren.
Ich kann - beim besten Willen - beispielsweise ausser Che und seiner einsamen Truppe in Südamerika nirgends eine historisch reale kommunistische Gefahr entdecken, und sogar Vietnam war im Endeffekt viel mehr eine national geprägte Gegenbewegung gegen französischen (und später amerikanischen Neo-) Kolonialismus als kommunistischer Umsturz.
Gewiss war die Annahme, dass es in einem der betreffenden Länder zu einem kommunistischen Umsturz kommen könnte, nicht immer korrekt. In Washington, übrigens auch Kennedy, sah man sich oft in etwas paranoider Denke vom Kommunismus umzingelt. Aber: Eine teils reale kommunistische Gefahr hat es sehr wohl gegeben (wenn ich mal den Begriff der
kommunistischen Gefahr so übernehmen darf). In Vietnam hatte man es zwar in gewisser Form mit einem nationalen Freiheitskampf zu tun, aber einem, welcher von kommunistischen Einflussnahmen und Strömungen durchsetzt war. Der Sieg gegen die Franzosen wäre ohne rotchinesische Hilfe kaum möglich gewesen und die Untergrundarmee FNL (
Viet Cong) war eine seit den 50er Jahren bestehende, kommunistisch durchsetzte und gelenkte und von kommunistischen Ländern unterstützte Gruppierung, die es zum Ziel hatte, die südvietnamesische Regierung zu stürzen (die sicher, a) auch nicht demokratisch war und b) sich durch ihre Landverteilungspolitik viele Feinde gemacht hat; das muss man sicher auch anmerken).
In Chile kann man Allende zwar keine direkte Einflussnahme durch Moskau nachweisen, aber es sei darauf hingewiesen, dass es vor dem von der CIA unterstützten Putsch der Pinochet-Clique im Land teils chaotische, von sozialistischen Gruppen genährte Unruhen gab (z. B. die VOP). Es gab ab 1971 Straßenschlachten, zahlreiche Bombenanschläge, Morde an konservativen Politikern, ständige Streiks und es mussten sogar teilweise die Lebensmittel rationiert werden. Das Land stand an einem brüchigen Scheideweg. Und aus Furcht vor einem endgültigen kommunistischen Machtwechsel haben die USA dann den Putsch mitinitiiert. Ich möchte den Putsch damit nicht gutheißen. Sicher nicht. Aber man muss versuchen ihn zu erklären. Zum damaligen Zeitpunkt war er eine brutale, aber logische Konsequenz.
In Argentinien stand sicher nicht hauptsächlich die Gefahr vor dem Kommunismus im Vordergrund. Aber hier war die US-Einmischung auch sehr gering. Nachdem Evita Peron mit dem Staat total überfordert war und neben, rechtsgerichteten, faschistisch-peronistischen Untergrundtrupps auch zunehmend kriminelle, eher linksgerichtete Banden im Land wüteten (und sich ein politisch motiviertes Deckmäntelchen umhängten), putschte das Militär das Chaos blutig hinweg. In Washington nahm man den Umsturz eher beiläufig zu Kenntnis, eine direkte Einmischung der CIA, so wie in Chile, gab es auch in Argentinien nicht. Natürlich nickte man Videlas Diktatur dann nebenher irgendwann ab, aber so richtig hat man sich niemals mit ihm eingelassen oder angefreundet, auch weil Amerikaner in Argentinien verschwunden sind und es im Land eher so war, dass es keinen Kampf gegen irgendwelche Kommunisten gegeben hat, sondern weil in Argentinien sich Teile des Establishments gegenseitig an den Kragen gegangen sind. Es war auch der Grund, weshalb bereits 1983/85, also nur zwei Jahre nach Ende der Militärdiktatur in Argentinien und inmitten einer Hochphase des Kalten Krieges, das Land zur Demokratie zurückkehren konnte (unter Raúl Alfonsín) und gegen Videla ein erstes Verfahren eingeleitet wurde, das mit seiner lebenslänglichen Inhaftierung endete (wenngleich es 1990 auch wieder kassiert wurde). Die USA hätten jederzeit hier eine schützende Hand einbringen können, hatten aber einfach kein Interesse, obwohl man einen starken, rechten Diktator in einer Zeit des eskalierenden Ost-West-Gegensatzes sicher doch hätte gebrauchen können (um es mal so zu schreiben, wie es USA-kritische Menschen vielleicht tun würden, die den USA ein ständiges Anbandeln mit Diktatoren unterstellen). Es zieht hier also nicht der Vorwurf, einer gezielten US-Einmischung in Argentinien.
Ach, und Che war ein naiver, idealistischer Idiot, der meinte, man könne den revolutionären Geist Kubas auf irgendwelche bolivianischen Bauern und Pflanzer übertragen. Aber anstatt mit der AK-47 ins Unterholz zu hüpfen, haben diese sich lieber, gegen einige Säcke Düngemittel als Gegenleistung, an der Jagd nach seinem Haufen beteiligt.
Zitat: Im Irak und derzeit in Afghanistan geht es auch nicht mehr um Kommunismus. In Afghanistan lässt sich vielmehr ein Wandel der Begründungen für US-Interventionen beobachten. Zuerst ging es gegen die bösen Sowjets, die Afghanistan (aus Angst vor islamischen Fundamentalisten) erobert hatten, und jetzt geht es gegen die Taliban, die von den USA und Pakistan sowie saudischen Mullahs aufgebaut wurden und die - bis zuletzt - der verlängerte Arm der pakistanischen Regierung in Afghanistan waren.
Natürlich geht es nicht mehr um Kommunismus. Wäre auch arg albern. Es ist eben so, dass es einen Wandel gegeben hat. In den 90ern hat man sich der Illusion hingegeben, dass das
Ende der Geschichte, wie Fukuyama es mal in naiver Weise geschrieben hat, gekommen wäre. Und in den USA sah man die Welt schon auf dem Weg in eine Zukunft, in der Demokratie und Freiheit verbreitet wären. Übrigens spricht es auch nicht gerade für einen Herrschaftsanspruch, wenn man sich erhofft, es gibt eine Welt voller freier, demokratischer Staaten, die auch eine eigene Meinung vertreten! Natürlich war diese amerikanische Annahme mehr als naiv (wie viele andere auch, leider). Und weil man dies erkannt hat, handelt man heute auch nicht mehr gegen irgendwelche Kommunisten, sondern passt den eigenen Kampf den notwendigen Bedingungen an. Das ist nur zu logisch. Der 11. September oder ein immer aggressiver auftretendes Russland beschleunigen diesen Prozess des Umsteuerns natürlich.
Zitat: Und ich frage mich, ob nicht der "islamische Fundamentalismus" inzwischen zu einem ähnlichen Vehikel, zu einer Schimäre geworden ist, um damit alle möglichen Interventionen zu begründen - die eigentlich nur der Machterhaltung der USA dienen.
Gegenfrage/n: Ist es nicht so, dass der Westen, der sich ein Ende der Geschichte erhofft hat, genervt gezwungen wird, auf die neuen Schimären (wieder) zu reagieren? Wieso sagt man z. B. uns, dass der deutsche Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan einen Anschlag bei uns erst provozieren wird? Und wieso sagt man uns nicht, dass bereits 1999, als noch kein deutscher Soldat am Hindukusch stand, eine Gruppe islamistischer Terroristen den Straßburger Weihnachtsmarkt in die Luft jagen wollte? D. h.: Wieso sagt man uns nicht, dass wir nur reagieren – und nicht provozieren? Wird da nicht die Gegenschimäre des bösen Westens als intolerantem Aggressor von irgendwem gezüchtet?
Zitat: "Freiwillig" ist auch so eine Frage:
Nicht, dass die USA nicht vielfach sogar gerufen wurden (was man ja auch von der Saddam-Opposition vor der Irak-Invasion sagen könnte), aber willfährige Gruppierungen, die eine fremde Macht zu Hilfe rufen, finden sich immer, und wenn man die Gruppierung zuerst noch aufbauen muss, sie wird sich finden.
Und wenn diese Gruppierung dann an der Macht ist, dann hat man ja einen wunderbaren Verbündeten ....
Ach Erich, komm schon. Das wäre so, als wenn ich verallgemeinernd sagen würde, dass Bergvölker eben immer renitent sind und streitlustig seien und ich in einem Atemzug Kurden, Schotten, Basken und Bayern nenne...
Jetzt zu Kosmos:
Zitat: In Ungarn wurden keine 20000 getöten, man sollte so etwa durch 10 teilen... Und es wurden auch keine 200000 vertrieben sondern sie sind tatsächlich selbst geflüchtet, aber es ist natürlich klar das der Grund dafür waren die Verhältnisse im Lande die, unter anderem, durch sowjetischen Einmarsch entstanden.
Bei den Kämpfen alleine starben rund 3.500 Menschen (darunter, das schreibe ich extra auch hin, ca. 700 sowjetische Soldaten), weitere rund 1.000 wurden hingerichtet (darunter auch Imre Nagy) und weitere ca. 15.000
verschwanden, teils wurden sie nach der UdSSR gebracht. Natürlich starben diese nicht direkt beim Panzerangriff, aber sie sind weg. Und weg heißt bei mir nach 50 Jahren de facto tot, meinetwegen auch ermordet.
Und entschuldige, aber wenn ich sage, dass 200.000 vertrieben wurden und du entgegnest, diese seien ja nur wegen der Verhältnisse im Land geflohen, so ist das für mich dasselbe. Wenn du weißt, jemand sperrt dich ein oder richtet dich hin, weil er deine Meinung fürchtet oder hasst, und du deshalb fliehen musst, so ist dies quasi eine Vertreibung. Das ist eine ziemliche unpassende Verharmlosung von deiner Seite aus, meine ich...
Zitat: Gut, nur warum versucht man in Griechenland die Sache als einen kommunistischen Angriff darzustellen auf den USA, irgendwie aus Selbstverteidigung, nur "reagiert" haben.
Nein, nein, im Kalten Krieg standen USA und SU sich in Frage Brutalität in der Außenpolitik im Nichts nach.
Hast du den Beitrag von mir und den Churchill-Kommentar gelesen? Die kommunistischen Kräfte in Griechenland verweigerten sich nicht nur den Wahlen und einem Entwaffnungsplan (wenngleich dieser auch von den rechtsgerichteten Teilen in einigen Punkten nicht erfüllt wurde), sondern führten auch den Angriff, sowohl gegen die als monarchistisch angesehenen Staatsstrukturen als auch gegen die zuvor als Befreier angekommenen Briten, in ziemliche Härte aus. Sie waren die Aggressoren.
Zum zweiten Abschnitt: War die US-Außenpolitik derart brutal wie die der UdSSR? Walzten in den 60er Jahren amerikanische Panzer nach Frankreich, nur weil de Gaulle aus der NATO rauswollte, oder als sich Eisenhower 1956 gegen das französisch-britische Suez-Abenteuer wandte, so wie es 1968 in Prag geschah, als sowjetische Panzer nur eine innenpolitische Reform niederschlugen? Nein. Im Westen kam es zu Streitereien, zu Zerwürfnissen, etc., aber zu keinen Interventionen untereinander.
Zitat: Man will ja nicht zugestehen das die "Kommunisten" in Ungarn und dann in anderen Länder der Osteuropas intervinierten weil die "Kapitalisten" sie in ihrem Einflußbereich angegreifen haben...
Okay, meinetwegen. Aber wer bestimmte denn, dass dies der Einflussbereich der Sowjets ist? Die Länder selbst? So wie in der NATO, wo ein freiwilliger Eintritt stattfand/stattfinden kann?
Schneemann.