Um die Diskussion über den Wahlkampf weiterzuführen...
@Venturus
Zitat:Das die Schmutzkampagne eigentlich nicht so sehr der Stil von McCain war, ist mir klar
McCain konnte sie sich eigentlich auch nicht leisten, allein schon deshalb, weil er als
Held gesehen wird.
Das Bild, das man in den USA von einem Helden hat, ist jenes einer moralisch – am besten in den puritanischen Tugenden – gefestigten und der Pflicht ergebenen Person. Hinzu kommt noch, das man sich in den USA von einer Person im Präsidentenamt wünscht, das man sie bewundern und zu ihr aufsehen kann.
Wer gegen dieses Bild verstösst, etwa indem er sich eine außereheliche Affäre leistet, oder - wie jetzt McCain - eine Schmutzkampagne gegen einen politischen Rivalen initiieren lässt, und sei es nur unbeabsichtigt, sieht da nicht gerade gut aus.
Btw.: Europäer ticken da anders, bei ihnen darf der Held ruhig listig sein, er wird dafür aber eher aufmerksam beobachtet.
Zitat:aber wer sein Wahlkampfteam so umstrukturiert, daß diejenigen die einen selbst mal mit Dreck beworfen haben, plötzlich die Zügel in die Hand nehmen, dem muss klar sein, was da kommen wird.
Hier haben wir wieder das unstete Moment von McCain's Wahlkampf.
Zitat:Zu Naylin Palin - über die Frau bleibt eigentlich nichts mehr zu sagen. So ziemlich jede Wahl wäre besser gewesen als sie.
Ihre Wahl wird viel weniger undurchsichtiger, wenn man bedenkt, wie gut sie die in als puritanisch angesehenden Tugenden gefestigte und der Pflicht ergebene Person verkörpern konnte. Vermutlich sieht sie sich auch selbst so.
Bei einer Gelegenheit hat Palin etwa eine öffentliche, politische Rede gehalten, obwohl ihr wenige Minuten zuvor die Fruchtblase geplatzt war. Für Europäer ist dieser leichtfertige Umgang vor allem mit der Gesundheit ihres ungeborenen Kindes zugunsten ihrer eigenen politischen Karriere schlicht und einfach empörend – und auch mit ihrer „Pro Life“-Haltung unvereinbar – für US-Amerikaner bewies sie damit ihre Pflichtergebenheit gegenüber dem von ihr angestrebten Amt.
Auch ihre Jagdleidenschaft sprach für Palin. Damit konnte sie ganz gut die emanzipierte Pionierin, die sich selbst versorgen kann und dabei noch mehrere Kinder durchbringt – wieder ein US-amerikanisches Idealbild – verkörpern.
Ein weiterer Vorteil für Palin war, das sie attraktiv ist und über Sex-Appeal verfügt. Wie man an der Debatte um ihre Gaderobe – oder besser ausgedrückt, den Kosten für ihre Gaderobe – ablesen kann, hat man im Wahlkampf durchaus versucht, daraus einen Vorteil zu ziehen. Ich habe hier in meinem vorangegangenen Beitrag Palin nicht umsonst als Sexpüppchen bezeichnet...
Natürlich ist Palin auch eine rücksichts- und skrupellose Karrierefrau, was sich in ihrem agressiven Wahlkampf niederschlug. Dies hat ihr allerdings – zum Teil verstärkt durch ihre Ungeschicklichkeit, mit der sie Obama eine Nähe zu Terroristen vorwarf – ebenso nachteilig für sie ausgewirkt wie ihre zweifelhafte politische Erfahrung und Amtsmissbrauchsvorwürfe. Ihre mangelnde Bildung hat Palin ebenfalls geschadet, wobei das ohne ihre anderen Fehler imho wohl nicht derart schwer ins Gewicht gefallen wäre.
Potentielle Alternativen zu Palin hätte es auf jeden Fall gegeben, etwa Mick Huckabee, der mehrere Bücher geschrieben hat und als einer der erfolgreichsten US-Gouverneure gilt. Huckabee hat zudem versucht, sowohl evangelikane wie progressive Wähler anzusprechen. Ich vermute allerdings, das er deswegen nicht an Palins Stelle ausgewählt wurde, weil er zu ehrgeizig erschien und sich mehrfach kritisch über Bush jr. geäußert hat. So bezeichnete Huckabee etwa die Außenpolitik von Bush jr. als „arrogant und einzelgängerisch“.
Zitat:Wobei ich mich frage, ob überhaupt jemand aus diesem Lager nötig gewesen wäre. Kenne mich in der amerikanischen sozial-konservativen Szene nicht so wirklich aus
Schon Reagan hat versucht, bei den religiösen Rechten in den USA zu punkten, und sein Vorgänger, Carter, hatte mit ihnen ein paar Probleme. Auch heute dürfte der Einfluss der religiösen Rechten in den USA nicht zu unterschätzen sein. Von den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner – die Demokraten sind bei den Evangelikanen nicht gut gelitten – waren bei dieser Wahl mindestens drei, nämlich Brownback, Huckabee und Romney, dem evangelikanen Lager zuzuordnen.
Zitat:zum Thema Irak: Doch der Irak-Krieg hat den Boden bereitet. Jahrelang eine Schreckensmeldung nach der anderen, daß zerrt auf Dauer einfach an den Nerven
Du siehst da eine ähnliche Entwicklung wie in Deutschland oder Russland gegen Ende des ersten Weltkriegs?
Zitat:und hat, meiner Ansicht nach, auch zum diesem "Messias"-Bedürfnis geführt.
Dieses Messias-Bedürfnis steckt in jedem von uns. Hast du dich noch nie gewundert, warum etwa die Legenden um König Artus so erfolgreich sind? Auch in den Romanen von Tom Clancy tritt mit Jack Ryan eine Figur auf, die durchaus messianische Züge trägt.
Der Kulturkreis spielt da übrigens keine Rolle.
Gerade auch in der Politik ist dieses Bedürfnis nach einem Messias da.
Dies birgt natürlich Gefahren. Das hat Frankreich erlebt, wo ein Napoleon III. ins Amt gewählt wurde, der den Bürgern seines Staates ihre Freiheiten nahm aber partout nicht an seinen berühmten Vorgänger heranreichte, oder Deutschland, wo dieses Messias-Bedürfnis dazu führte, das zunächst einmal ein alter, seniler Generalfeldmarschall zum Reichspräsidenten gewählt und bald danach ein hysterischer Psychopath aus Österreich „Führer und Reichskanzler“ wurde.
Es ist natürlich auch oft genug auch gutgegangen, etwa im Fall von Adenauer.
Natürlich kommt es auch oft vor, das dieses Messias-Bedürfnis auf eine politische Person projiziert wird. Erinnert sich noch jemand an Gorbatschow?
Bush jr. wurde auch zumindest teilweise aus so einem Messias-Bedürfnis wiedergewählt – er tötet die Terroristen, wodurch er uns erlöst – und auch Obama konnte dieses Messias-Bedürfnis für sich nutzen. „Change we can“ - klingt das nicht sehr Messias-like?
Zitat:Der Krieg mag wegen der verbesserten Lage im Irak und der dominierenden Sorge um Job und Haus in den USA keine allzu direkte Rolle gespielt haben (auch eine Fehlkalkulation von McCains Wahlkampf), aber er hat den Boden mitbereitet.
In gewisser Hinsicht hast du recht. Der Krieg im Irak konnte nicht schnell beendet werden, und hat dadurch erst recht sehr viel an finanziellen Mitteln gekostet. Diese finanziellen Mittel fehlten dann später, als sie woanders dringend gebraucht wurden...
@revan
Zitat:Die Stimmung war leider durchweg Obama eingehaucht.
Worauf führst du das zurück?
Zitat:Es gab auch in denn USA Kommentare das jeder Demokrat die Wahl gewonnen hätte unter den Gegebenheiten.
So sehe ich das nicht. Gewiss, die Demokraten hatten mit Hillary Clinton und Barack Obama sehr fähige Kandidaten, aber so ausgeschlossen war ein Erfolg eines republikanischen Kandidaten nicht. McCain hätte imho ohne Palin durchaus gewinnen können...
Palin hat mit ihrem Ar*** eingerissen, was McCain sich im Wahlkampf mit seinen Händen erbaute.
Zitat:Es stand schlicht alles gegen die Republikaner der Präsident verhasst wie kaum ein zweiter die Wirtschaftskriese und der Palin Faktor.
Bush jr. hat – so widersprüchlich das klingt – gerade von Al Kaida und dem erfolglosen Krieg im Irak profitiert. Mit der deutlichen Schwächung der Al Kaida, die sie sich ebenso durch ihre brutalen Aktionen vor allem im Irak – mit denen sie sich vielen Muslimen entfremdete – selbst zufügte, als auch durch die US-amerikanischen und verbündeten Truppen im Irak erlitt, und der nun positiven Entwicklung im Irak ist Bush jr. wohl regelrecht überflüssig geworden.
Aber wieso ist Bush jr. nun in den USA derart verhasst? Wegen der sozialen und wirtschaftlichen Situation in den USA? Gerade in diesem Bereich soll er sich vor allem bei den schwächeren Schichten in den USA sehr unbeliebt gemacht haben...
Zitat:Die Frau erwies sich auch als ein Griff ins Klo wie man sagen könnte sie war unerfahren und unfähig und machte das wichtigste Argument McCains die Erfahrung zunichte.
Palin war in der Tat überfordert.
Eine gruselige Vorstellung: McCain wird zum US-Präsidenten gewählt, erleidet aber - immerhin ist McCain schon recht alt, und er soll über ein impulsives, unberechenbares Temperament verfügen – einen Herzanfall, und Palin folgt ihm ins Amt nach.
Schon ein Grund, McCain nicht zu wählen.
Zitat:und parallel von Anfang an auch Obama angegriffen und zwar als es noch nicht schlecht aussah, wegen seiner Kontakte zu Terroristen und der Tatsache das sein Vater Moslem war so hätte man eine Realistische Chance gehabt.
Palin hat sich in ihrem Wahlkampf mit diesen und teilweise unterschwellig rassistischen Behauptungen - etwa jener, das Obama, "Amerika nicht so wie du und ich" sähe - ihr Publikum so aufgestachelt, das durchaus auch offen rassistische Töne zu hören waren.
Auch wenn dies seltener war, fühlte sich manch einer an einen Lynchmob oder an die 60er erinnert.
Das dürfte Palin ebenfalls ziemlich geschadet haben und zeigt eigentlich, wie skrupellos diese Frau ist.
Btw.: Es gibt durchaus Hinweise in die Richtung, das Palin selbst rassistisch eingestellt sein soll...
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<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.observer.com/2008/politics/black-congressmen-declare-racism-palin-s-rhetoric">http://www.observer.com/2008/politics/b ... s-rhetoric</a><!-- m -->
Zitat:Man hätte sich auch denn Pastor Skandal aufsparen müssen und dann gegen Ende so richtig damit zu pochen ohne das Thema Wirtschaft zu vernachlässigen.
Eine Rede, die Martin Luther King kurz vor seiner Ermordung geschrieben hatte, lautete mit Titel: "Warum Amerika auf dem Weg zur Hölle sein kann". Ich kann mir gut vorstellen, das sich dieser Pastor mit seiner Rede in der Tradition von Martin Luther King gesehen hat.
Zudem hätte man auch wegen Palins religiösem Bezug vorsichtig sein müssen: Sie gehört jener Glaubensgemeinschaft an, für die der Begriff "Fundamentalisten" geprägt wurde.
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