(16.01.2023, 22:36)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Aus dem vorliegenden Film geht eigentlich nicht hervor, warum der Mann gefesselt und festgenommen werden soll. Weil er verwirrt rumläuft und eine Verkehrsgefährdung darstellt ?
Nein, deswegen wird er nicht festgenommen, sondern angesprochen und soll kontrolliert werden. Dass er sich auffällig verhalten hat (man sieht auch das Vorgeschehen nicht) ist offensichtlich und rechtfertigt die präventive Ansprache. Seine Reaktion führt dann zum Versuch der einfachen Kontrolle und erst seine Flucht führt zur Festnahme. Das ist vollkommen in Ordnung so.
Zitat:Das Vorgehen der Polizisten ist im Verhältnis zum gezeigten Verhalten des Mannes bevor dieser am Boden liegt unverhältnismässig.
Das ist etwas, das von vielen falsch beurteilt wird. Bei sehr vielen "Gelegenheits"-Festnahmen ist die eigentliche Situationsursache nicht der Hauptgrund für die Festnahme, die resultiert dann erst aus der Reaktion des Festgenommenen.
Auch das ist eins der großen Probleme bei der vermeintlichen Polizeigewalt. Leute werden nach absoluten Bagatelldelikten, Ordnungswidrigkeiten oder eben auch nur verwirrtem Umherlaufen unter massiver Gewaltanwendung festgenommen, was dann als übertriebene Reaktion der Polizei gewertet wird, obwohl der Festnahmegrund ein ganz anderer, absolut gerechtfertigter war, der sich aber erst im Laufe der Konfrontation ergeben hat.
Schon allein deswegen ist Deeskalation so ziemlich die wichtigste Fähigkeit eines Streifenpolizisten, was leider gerade in den USA viele nicht ausreichend beherrschen (wollen).
Zitat:Es ist recht schwierig jemanden der sich mit vollen Kräften wehrt aus einer solchen Position auf den Rücken zu drehen. Dafür gibt es dezidierte Techniken, welche die Beamten offenkundig nicht kannten. Ansonsten benötigt man dafür einfach mehrere Beamte und entsprechende Körperkraft.
Wie ich schon mal erwähnte, war ich früher im Veranstaltungsschutz tätig und beherrsche auch die Grundlagen der Eingreif- und Sicherungstechniken. Ich selbst habe schon etlichen Leuten trotz Gegenwehr Handschellen angelegt, auch unter Drogeneinfluss (die anderen, nicht ich). Mit nur ein bisschen Ausbildung und Training ist das für zwei Personen innerhalb weniger Sekunden machbar, in ungünstigen Situationen kann eine dritte Person erforderlich sein, um dem Festgenommenen nicht übermäßig Schmerzen zufügen zu müssen. Und die allermeisten deutschen Streifenpolizisten, mit denen ich zusammen gearbeitet habe, konnten das auch. Allerdings waren das auch die mit den regelmäßigen Nachtschichten.
Zitat:Die Polizisten drohen den Taser-Einsatz an, weil er sich nicht auf den Bauch drehen will. Das ist absurd, sogar kontraproduktiv. Hätte der Beamte der hier die ganze Zeit: Turn over or i tase you! ruft mitgeholfen den Betroffenen umzudrehen, wäre dies meiner Einschätzung nach gelungen gab mehrere Stellen wo es dann klappen hätte können, wenn der Beamte mal zugelangt hätte statt mit seinem Taser rumzufuchteln.
Ich halte im vorliegenden Fall den Taser-Einsatz daher für vollkommen überflüssig und sinnfrei.
Ganz genau. Es gibt einfache Griffe am Handgelenk, mit dem man es als dritte Person bei einer Fixierung immer schafft, den Arm herum und auf den Rücken zu drehen, selbst wenn es sich um so ein konfuses Bodengerangel handelt wie hier. Im Extremfall können auch Schlagstöcke als Hebel eingesetzt werden, die sind nämlich überhaupt nicht zum Schlagen gedacht, oder zumindest sollten sie nicht dazu verwendet werden.
Der Taser musste hier nur zum Einsatz kommen, weil die Polizisten das eigentlich angemessene Mittel schlicht nicht beherrschten.
(16.01.2023, 22:57)lime schrieb: [ -> ]Ich halte von Tasern eigentlich nichts.
Ich auch nicht. Sie haben zwar ihre Berechtigung, aber als Ersatz für die Schusswaffe, nicht als unmittelbares Zwangsmittel, so wie sie in den USA häufig verwendet werden.
Zitat:Also müsste ihm eigentlich klar sein dass Fälle von überzogener Polizeigewalt nicht die Norm sind.
Davon kann man nicht ausgehen, nein. Dafür spielt da viel zu viel anekdotische Evidenz mit rein. Gerade der persönliche Zusammenhang mit BLM spricht ja dafür, dass er Polizeigewalt aus seinem Umfeld kennt.
Allerdings hätte er erkennen müssen, dass die erste Ansprache friedlich war und zu diesem Zeitpunkt noch keine entsprechende Gefahr bestand. Wir wissen aber auch zu wenig über die Umstände.
Zitat:Selbst wenn er einen Übergriff rassistischer Cops befürchtet müsste die Anwesenheit des schwarzen Polizisten doch spätestens ein Signal dafür sein dass so etwas gerade nicht droht.
Auch dazu ein klares Nein. Schwarze Cops sind absolut keine Garantie dafür, dass es nicht zu übertriebener Gewaltanwendung kommt.
(16.01.2023, 23:24)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Ein Hauptproblem vieler Polizeibeamter ist meiner Meinung nach die mangelnde Geduld und auch das Ego vieler Polizisten. Die wollen sich unbedingt schnell durchsetzen und die Maßnahme durchsetzen, zum einen weil das halt so die Cop Culture ist, zum anderen auch wegen ihres aufgeblasenen Egos. Sie versagen daher oft wenn mehr Geduld und ein höherer Zeitaufwand erfolgreicher wären, weil sie beides erst gar nicht zulassen.
In den USA stimmt das wohl weitestgehend, wenn auch mit positiven Ausnahmen. Man sieht auch gelegentlich Aufnahmen von US-Cops, die mit viel Geduld deeskalierend auf ihr Gegenüber einwirken. In Deutschland gibt es die zwar auch, hier haben wir aber im Gegenzug dann auch einige Gesetzesvertreter, die sich zu lange auf der Nase rumtanzen lassen.