In medias res...
Zitat:@Thomas Wach
Sorry, muss mich leider weitestgehend Nightwatch anschliessen...
Mir kommt es auf die Tiefe und die Kontextualisierung der Argumentation an; wer die von sich gibt, ist mir egal. Sind Argumentationen schlecht, kann ich aufgrund des mir bekannten Ausschnitts an Wissen und Komplexität und meiner Analyse klar deutlich machen, dass sie eben schlecht ist, dann sage ich das auch. Wer Argumente von sich gibt, muss damit rechnen Gegenwind zu bekommen. Argumentation impliziert Widerspruch, damit muss man rechnen. Und wer sich so deutlich positioniert, so häufig so explizit Stellung bezieht wie Nightwatch, muss eben mit entsprechender Erwiderung rechnen.
Aber nochmal: Es geht mir um die Argumentation. Wer die bringt, ist mir egal. Ist sie gut und differenziert, schön. Wenn nicht, dann gibt es eben Widerworte. Man kennt mich, ich mache das seit Jahren hier so.... und nie hatten die radikalen User hier (merowig, cyprinide, CommanderR, Shahab) viel Spaß an mir... zumindest wenn sie bloß nur ihre politische Meinung zum besten geben wollten...
Zitat:Kannst halt nicht jeden zum Freund haben...
Schöner Allgemeinplatz. Tieferliegender Punkt: Ich hab mich mal an einer kleinen Lageanalyse hier versucht. Die macht aber deutlich, dass die Hizbullah erheblichen Rückhalt hat im Libanon, in der Bevölkerung bzw. in einem Bevölkerungsteil. Hier geht es doch um die Frage letztendlich, wie verfahren werden soll. Soll man wie jetzt klugerweise geschehen verhandeln, oder sollte man schnellstmöglich zuschlagen (so wie Nightwatch und scheinbar du auch es wollen) gegenüber der Hizbullah. Mein Problem: Manche Leute schauen sich nicht den Einzelfall an, sondern verallgemeinern und fordern ohne näherer Analyse einen vernichtenden Schlag. Sowas ist schlichtweg Glauben/Wollen/Ideologie. Die von mir aber hier deutlich gemachte Lage im Libanon impliziert aber, dass eben genau eure Vorstellungen ein politisches Fiasko werden würden und ein militärisch nicht kalkulierbares Abenteuer. Ich erspare mir einfach mal die Erklärung, dass einerseits im Westen kaum politischer Wille da ist (zu Recht), sich in ein militärisches Abenteuer im Libanon zu stürzen, wenn man schon kaum die Lage im Irak oder in Afghanistan kontrollieren kann. Und dann würde die militärische Zerschlagung der Hizbullah eine größere Bodenoperation im Libanon selbst erfordern. Und was das bedeutet, darf und sollte jeder wissen: Erhebliche Anzahlen an Toten, Zerstörungen mit dem ungewissen Ausgang, inwiefern man politisch angesichts von toten Zivilisten und eigenen Verlusten solch einen Kampf ausfechten will gegen eine sich eingrabende und asymmetrisch kämpfende Hizbullah. Jeder mit etwas Sachkenntnis bekommt da das Grausen, da solch eine Intervention in der Realität nie funktionieren kann. Realität ist nunmal kein militärisches Planspiel am eigenen PC. Die Anzahl problematischer Interventionen mit geringsten Ergebnisse ist zudem lang. Ergo: Was würde am Ende stehen: ein ungewissener, höchstwahrscheinlich negativer Ausgang, aber auf der Habenseite hätte man sicherlich Abertausende an Toten. Es ist daher offenkundig sinnvoller, in der jetzigen Lage - so wie es die Libanesen tun - zu verhandeln und sich zu einigen, vor allem, da die Hizbullah auch eine eher rein defensive Strategie fährt. Auch das kümmert hier keinen, hier werden simple politische Feindbilder lanciert, die mit der Realität da unten nur in Teilen was zu tun haben. Die Libanesen haben aber schon einmal das Grauen des Bürgerkrieges durchmachen müssen, das scheint auf allen Seiten (auch bei der Hizbullah) die Leute klüger zu machen, klüger als hier im Forum!
Mich ärgert daher offen gesagt, dass ohne eine Spur nachzudenken hier leichtfertig Positionen in den Raum geschmissen und dann noch verteidigt werden, die offensichtlich Blödsinn sind. Um es mit einer Analogie zu fundieren: Ich werd mich hüten im Militärbereich die F-22 als Bombtruck hinzustellen und das dann noch arroganz zu verteidigen... im politischen Bereich scheinen das aber einige tun wollen zu dürfen...
Zitat:Ich sehe nicht, das Nightwatch im von dir zitierten Abschnitt Bezug auf den Nationalsozialismus genommen hat. Gewiss, er sprach von den "Dreißigern des letzten Jahrhunderts", aber nicht explizit von den Nazis.
Allerdings: Wenn Nightwatch Parallelen zur Hizbollah und der NSDAP ziehen wollte, muss ich ihm zustimmen, die Gemeinsamkeiten sind recht auffällig:
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Es ging bei Nightwatch darum, mit einem Extrembeispiel aus einem völlig spezifischen Kontext, allgemeine, oft zu treffende Aussagen von mir pomadig zu machen. Das ist eine oft genutzte Argumentationsstrategie: Man pickt sich als Ausnahme einen Extremfall raus und erklärt die ganze Regel dann nichtig. Sowas ist eine Aushilfsstrategie. Und mit dem Inhalt eine, die bestimmte Kreise gerne bringen.
Nun zu dir: Abgesehen davon, dass du mit dem Rekurs auf Ford bei den Nazis auch in Richtung Verschwörungstheorien abzugleiten drohst und auch manches Argument nicht ganz stimmt, ist dein Vergleich auch zu kurz. All diese Erkenntnisse von dir treffen auf sehr viele/ alle gesellschaftliche Formationen zu. Auch der Kapitalismus indoktriniert und formt die Menschen zu Konsumenten, macht sie zu unpolitischen hedonistischen neuen Menschen, zu Verbrauchern. Wie die Frankfurter Schute gezeigt hat, sind auch westliche Gesellschaften totalitär, formt der moderne Kapitalismus dein einzelnen zum bloßen kleinen funktionierenden Rad, zum konfomistischen Wirtschaftsusbjekt. Auch hier gibt es Kulte, Manipulation. Der Kommunismus zeigt als totalitäre Bewegung sogar noch mehr Schnittmengen: Vorstellung vom neuen Menschen, Feindbild des Klassenfeindes, Angst und Furcht vor dem imperialistischen Westen, Stalinkult (etc...), Kampf gegen den Kapitalismus. Du hast in allen Massengesellschaften totalitäre Züge, weil so Großgesellschaften funktionieren. Der weiche Zwang, die subtile Konditionierung, die dich in der "freien Welt" pünktlich zur Arbeit gehen läßt und die dich deine Steuern zahlen läßt oder dich an die Gesetze halten läßt, wird in totalitären Gesellschaften eben oft zum harten, mehr Gewalt-basierten Zwang. Aber wie gesagt, im Abstractum gibt es immer große Ähnlichkeiten und wenn man sich dann allgemein alle Arten von Radikalität anschaut (Faschismus, Kommunismus, alle Arten religiösen Fundamentalismus), dann werden die Ähnlichkeiten größer.
Allerdings ist die Hizbullah im islamistischen Spektrum sicher nicht die radikalste und kann es angesichts christl. und drusischer Verbündeter auch gar nicht haben.
Zitat:Es gibt diesen ewigen Widerspruch zwischen Freiheit und Sicherheit. Beide erachtet man für notwendig. Wir kennen ja auch die Formel: "Keine Toleran den Intoleranten!"
Zum einen sind das nur Phrasen, die inhaltlich mit Konkretem gefüllt werden müssen, zum anderen haben sie für das Libanonthema nur eine gesonderte Relevanz. Schauen wir uns den Westen an: Für uns ist die Stabilität des Libanons wichtig, es nützt uns nichts (wie oben geschildert), wenn der Libanon im Chaos wieder versinkt, vor allem, weil der Libanon doch inzwischen schon so viele Fortschritte gemacht hat. Unsere Freiheit und unsere elementare Sicherheit wird durch den Libanon nicht bedroht, einfach, weil nicht der Westen der Bezugspunkt des innerlibanesischen Konfliktes ist, sondern eben der Libanon selbst! Es darum geht, im Libanon eine funktionierende politische Ordnung zu etablieren. Das ist der springende Punkt! Die Frage, wieviel Freiheit und wie viel Sicherheit wollen die Libanesen, müssen sie erstmal für sich selbst beantworten, indem sie an ihrer politischen Ordnung weiterbauen, an den Beziehungen zwischen den Konfliktparteien.
Zitat:Was sich Begin's Organisation geleistet hat, war ja auch bei den anderen israelischen Freiheitskämpfern umstritten. Der Vergleich hinkt.
Erstens war Begin nur ein Beispiel unter vielen (die du nicht widerlegen konntest!), zweitens ist mein Vergleich definitiv nicht unterkomplexer als deine und Nightwatch seine Ausführungen und Vergleiche und drittens gab es nicht nur Begin, sondern mehrere bewaffnete jüdische Untergrundorganisationen in Palästina. Und genau diesen Umstand wollte ich illustrieren: Terror, bewaffneter Kampf ist ein Mittel, das schon unzählige Bewegungen benutzt haben. Dennoch haben sie sich auch im politischen Raum bewegt und eben nicht Gewalt ausgeübt. Und in diese Kategorie gehört auch die Hizbullah.
Zitat:Und was hat dieses Appeasement-Denken je gebracht? Die Babaresken konnten jahrhundertelang das Mittelmeer - und nicht nur das Mittelmeer! - unsicher machen, und darüber, wie Hitler und Stalin vom Appeasement profitiert haben, will ich mich jetzt nicht auslassen.
Es hat uns viele, blutige Konflikte erspart, weil in einigen Fällen umsichtige Politiker nicht den gewaltsamen Konflikt gesucht haben, sondern verhandelt haben und daher uns entsprechende Fiaskos erspart geblieben sind. Bestes Beispiel: Pakistan-Indien in den letzten Jahren..., Mazedonien 2003, es gibt eine Fülle von Beispielen, in denen man nicht auf Eskalation gesetzt hat. Wie gesagt: Es kommt auf den Einzelfall an, den muss man kennen. Kurz und knapp: Lest das Buch und werdet klüger!
Zu deinen historischen Argumenten: Das Barbareskenargument ist für mich nicht aussagekräftig dahingehend , weil du hier Appeasement verwechselst bzw. hineininterpretierst - die europäischen Mittelmeeranrainer hatten einfaach besseres zu tun als sich um die Barbaresken zu kümmern, schließlich musste man sich gegenseitig bekämpfen und oder die Osmanen bekämpfen. Bei Hitler hatte man die blutigen Lehren aus dem Ersten Weltkrieg gezogen. Was Stalin angeht, weiß ich gar nicht, wovon du schreibst! Zum einen betrieben die Amerikaner Containment, nicht Appeasement (siehe Bürgerkrieg in Griechenland, Koreakrieg), zum anderen fehlen mir bißchen die Worte angesichts der von dir implizierten Vorstellung, man hätte Stalin angreifen können/müssen.
Zitat:Aber zögert ein mangelndes Eingreifen der Armee - welche den Staat ja verteidigen soll - den Bürgerkrieg nicht unnötig hinaus?
Erstens, wie du richtig schreibst, sie soll den Staat verteidigen und momentan ist der Staat nunmal nicht viel mehr als die Armee; sie verteidigt nicht eine bestimmte Machtfraktion. Sie hat 2005 während der Zedernrevolution nicht die prosyrische, von der Hizbullah gestützte Regierung verteidigt und sie hat dieses Mal nicht die Regierung und ihre aggresiven Maßnahmen gegen die Hizbullah verteidigt, sie hat dieses Mal nur vermittelt und politisch mediatisiert. Dies bitte ich erstens zur Kenntnis zu nehmen.
Zweitens: Zu deiner Frage: Es kommt eben auf die Lage im Libanon an! da helfen keine großen Worte, es ist eine simple Frage innerlibanesischer Verhältnisse. Ich bin da kein Experte, aber viele Indikatoren deuten darauf hin, dass keine der Parteien einen Bürgerkrieg will. Er hätte schließlich auch dieses Mal ausbrechen können, aber letztlich war auch die Hizbullah nicht willig, den Konflikt gewaltsam länger fortzusetzen - sie wollte einfach nur eine bessere Ausgangslage für die politischen Verhandlungen haben. Auch angesichts der umfassenden Einigung scheint mir momentan die Tendenz eher in friedliche Koexistenz und bedingte Anerkennung zu laufen, sprich es geht voran. Das braucht schließlich auch alles seine Zeit. Aber gerade deswegen halte ich jetzt gerade dieses Gerede vom Bürgerkrieg oder gar davon, dass der Westen intervenieren soll, um einen Bürgerkrieg auszulösen, für undurchdachten Blödsinn.
Zitat:Ganz abgesehen davon, das auch DEIN Ton gegen die Diskussionsregeln verstösst - man könnte ihn als abwertend, ja beleidigend sehen - wurde hier offensichtlich nicht erkannt, das Nightwatch Ironie eingesetzt hat.
Ich muss diese Konfliktvermeidung des Westens leider auch kritisieren. Man setzt sich nicht für seine Rechte ein, man schützt sich nicht. Auch den internationalen Terrorismus - auch in seiner übelsten Variante, Al Qaida - hat man solange ignoriert, bis er ab dem 11.September 2001 nicht mehr ignoriert werden konnte.
Zur ersten Aussage habe ich oben schon alles gesagt: Undurchdachte Argumente, die arrogant und mit überzogener Vehemenz vorgebracht werden, werden entsprechend bedacht und zurückgewiesen. Und Ironie Tiger ist etwas anderes, Ironie wäre, wenn ich sagen würde: Nightwatch erstaunt mich mit seinen elaborierten und sachkundigen Ausführungen... das ist Ironie, man sagt etwas, meint aber das Gegenteil. Nightwatch hat einfach nur Stammtischparolen verwendet... und wurde entsprechend bedacht von mir...
Ich habe keine Ahnung, wer das ist und das ist nicht von Belang. Was ich bewerte und bewerten muss in einer Diskussion, sind seine Argumente und das habe ich getan.
Für die 2. Aussage habe ich leider keine Zeit mehr.. ein anderes Mal!