07.06.2008, 20:32
Erich schrieb:....bei aller unterschiedlicher Betrachtungsweise - eine Genesis der Entwicklung lässt sich doch aus beiden Berichten extrahieren.inzwischen gibt es kühle Analysen von westlichen Tibetkennern;
Danach kam es am 14. März zeitgleich in Tibet (Lhasa), Nepal und Indien zu Protesten anlässlich des 49. Jahrestages des chinesischen Einmarsches in Tibet.
In Lhasa verteilen Mönche entsprechende Flugblätter und hissten die tibetische Flagge. Die Teilnehme wurden (was zu erwarten war) verhaftet.
Danach kam es zu Massendemonstrationen in Lhasa um die Freilassung dieser Mönche zu erreichen. Diese Demonstrationen in Lhasa waren offenbar gesteuert, weil sich - nach Aussage westlicher Augenzeugen, die ich hier schon zitiert habe - zeitgleich mehrere Demonstrationszüge bildeten.
Diese Massendemonstrationen gerieten ausser Kontrolle und arteten in die bekannten Gewaltexzesse aus. Erst danach (!) haben die chinesischen Sicherheitskräfte durchgegriffen. ....
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Zitat:Die Lobby des Dalai Lamadarüber sollten wir nachdenken
Andreas Gruschke hat auf 50 Reisen und bei Forschungsaufenthalten fast alle Kreise Chinas mit tibetischer Bevölkerung besucht und mit vielen Tausenden Tibetern aus allen Schichten gesprochen. Als im März die Unruhen im Schneeland Tibet ausbrachen, hat er diese vom benachbarten Indien aus verfolgt. Gruschke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Sonderforschungsbereich der Universitäten Leipzig und Halle-Wittenberg. In seiner Analyse der Ereignisse versucht er zu trennen zwischen wirklichen Ursachen und vordergründiger Propaganda.
....fragwürdig ist ohnehin vieles, was sich im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Tibet hierzulande und weltweit abgespielt hat. Tibet genießt im Westen dank einer beispiellosen Lobbyarbeit vieler Tibet-Initiativen und Tibet Support Groups weltweit den Status einer Art „Heiligen Landes“. Nicht nur, weil das Oberhaupt der tibetischen Exilregierung und bekannteste buddhistische Lehrer der Tibeter seit Jahrhunderten als ein „Religionskönig“ angesehen wird. Auch vieles an den „Riten“ der Tibeter wird im Westen verklärt....
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Der Beginn der Unruhen
Es begann alles am 10. März. An diesem Tag fand im Jahr 1959 ein Aufstand in Tibet statt, in dessen Folge der Dalai Lama nach Indien geflohen war. Dieser Jahrestag ist regelmäßig Anlass für politische Demonstrationen von Tibetern in der Hauptstadt Lhasa und von Exiltibetern weltweit.
Diesjähriger „Aufhänger“ des Ganzen waren die in Beijing im Sommer stattfindenden Olympischen Spiele. Die Exiltibeter wollten sie gezielt nutzen, um vermehrt Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu erregen. Der Tenor ihrer Forderungen ist: Unabhängigkeit, Autonomie oder „Freiheit“ für Tibet, was immer diese Forderungen auch zu bedeuten haben. Man könnte vermuten, dass sie China wenigstens die Spiele verderben wollen, wenn ihr hochgestecktes Freiheitsziel schon nicht erreicht werden kann.
Der Dalai Lama hat erklärt, die Tibeter wollten bei China bleiben. Nicht zuletzt, weil das Land einen derartigen wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnet. Aber das hat man auch schon anders vernommen. Die Forderung nach Autonomie aller tibetischen Gebiete, die allenfalls bis vor 1.200 oder 1.300 Jahren unter tibetischen, souveränen Herrschern gestanden hatten, scheint zum Beispiel in der Dalai-Lama-Autobiographie von 1990 auf. In diesem „Buch der Freiheit“ ist eine Karte enthalten, die das heutige China um mehr als zwei Drittel seiner Staatsfläche reduziert.
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Die Ziele der Mönche
Niemand im Westen macht sich jedoch die Mühe, sich mit solchen geschichtlichen Details auseinanderzusetzen. Ebenso wenig wie mit dem Umstand, dass es auf dem Boden dieses vom Dalai Lama und der Tibet-Lobby eingeforderten „tibetischen“ Gebietes auf einen Schlag ein Dutzend ethnischer Minderheiten gäbe, die einer Bevormundung durch konservative tibetische Kleriker wohl noch weniger abgewinnen könnten als der Regierung durch die augenblickliche chinesischen Führung.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet erscheint die Autonomie-Forderung der Exiltibeter in den Augen Beijings keineswegs als harmlos, sondern vielmehr als Vorspiel zu einer am Ende doch beabsichtigten Gebietsabtrennung....
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Anlass für die Unzufriedenheit der Mönche sind mit Sicherheit die regelmäßig wiederkehrenden politischen Schulungen, in denen von ihnen verlangt wird „dem Dalai Lama abzuschwören“. Leider ist von den Behörden in China nie verstanden worden, dass sie damit von den Mönchen die Quadratur des Kreises verlangen. Während der Dalai Lama von chinesischer Regierungsseite her vor allem politisch interpretiert wird, zählt für die Tibeter im Kern der religiöse Aspekt. Der Dalai Lama gilt ihnen als Manifestation einer göttlichen Wesenheit, und für die Mönche, speziell die des Gelugpa-Ordens, ist er einer ihrer höchsten geistlichen Lehrer. Da diese Vorstellung ein zentraler Teil ihres Glaubens ist, können sie das Geforderte kaum erfüllen, ohne ihren Glauben preiszugeben.
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Es waren nicht genehmigte Demonstrationen
Bei den Demonstrationen der Mönche in Tibet handelte es sich zwar um friedlich begonnene, jedoch um nicht genehmigte Demonstrationen. Einmal davon abgesehen, dass eine Genehmigung wohl kaum erteilt worden wäre: ungenehmigte Demonstrationen würden auch in Deutschland, und nicht nur hier, von der Polizei alsbald aufgelöst.
Dennoch: Die friedlichen Demonstrationen von Mönchen und Einwohnern Lhasas am 10. März konnten, obwohl auch die hoch problematische Forderung nach Unabhängigkeit zur Schau getragen wurde, ohne größere Behinderung vier Tage lang andauern.
Der gleichfalls geäußerte Wunsch nach Rückkehr des Dalai Lama drückte die Unzufriedenheit mit der seit Jahren andauernden behördlichen Gängelung aus. Von den Behörden und der zurückhaltend auftretenden Polizei wurden die Proteste zunächst hingenommen, zähneknirschend womöglich, doch immerhin geduldet.
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Wie es zur Eskalation kam
Am 14. März begannen Ausschreitungen in der mehrheitlich von Tibetern bewohnten Altstadt Lhasas, die sich vor allem gegen Han-Chinesen und Hui-Muslime richteten. Geschäfte und Fahrzeuge wurden geplündert und in Brand gesetzt. Anscheinend ging auch eine Moschee in Flammen auf. Ausländische Augenzeugen konnten keinen unmittelbaren Anlass erkennen, vielmehr schienen wie auf Absprache überwiegend gewaltbereite jugendliche Tibeter in Hooligan-Manier mit dem Randalieren begonnen zu haben.
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Im Verlauf des Tages breiteten sich die gewalttätigen Unruhen auf weite Teile der Stadt aus, schon bald auch auf andere tibetisch besiedelte Regionen. Ausländische Augenzeugen berichteten von Angriffen auf Polizei, Feuerwehr und Rettungssanitäter. Keine Staatsmacht der Welt würde hier tatenlos zusehen, was sogar Amnesty International einräumte. Wie jedes andere Land der Welt in einer solchen Situation auch, schritten chinesische Sicherheitskräfte nun massiv ein.
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Die Unruhen waren von langer Hand vorbereitet
Größere Unruhen und Demonstrationen fanden fast zeitgleich in rund zwei Dutzend Orten mit tibetischer Bevölkerung statt. Zum Beispiel in Xiahe (Kloster Labrang), Tongren (Bezirk Rebkong), Aba (Bezirk Ngawa). Eine auffällige Gemeinsamkeit dieser Orte ist, dass hier vorwiegend der Gelugpa-Orden präsent ist, der dem Dalai Lama am nächsten steht. So lag zumindest für die chinesischen Behörden nahe, dass das Ganze aus dem Exil organisiert wurde. Als Orte der Gelugpa-Dominanz lenkten diese Unruhezentren die Aufmerksamkeit der Behörden natürlich auf den Dalai Lama und die Exilregierung.
Zur Erinnerung: Im Juni 2007 fand eine Konferenz der „Friends of Tibet“ in Delhi statt, auf der davon die Rede war, dass die Olympischen Spiele in Beijing den Tibetern die einzigartige Chance böten, im Exil wie in Tibet selbst gegen China zu protestieren. Im Januar 2008 schließlich, also nur zwei Monate vor den Unruhen, verkündeten Organisationen mit Sitz in Indien die Errichtung eines „Tibetan People’s Uprising Movement“ und verkündeten, dass der Aufstand am 10. März beginnen würde – was sich dann ja tatsächlich bewahrheitete.
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Spannungen zwischen Tibetern und Muslimen
Es gibt ohne Frage auch einen ethnisch-religiösen Hintergrund für die Unruhen im Land. Das macht die Lage nicht weniger kompliziert. Zwar waren Han-Chinesen von den Gewaltausbrüchen offensichtlich am stärksten betroffen, doch der unter Tibetern kursierende veritable Hass auf Hui, also Muslime, wird im Westen auf bedenkliche Weise übersehen.
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