Zitat:Moment mal, ich habe nicht gesagt, dass die Israelis den Palästinenser einen Fertig-Staat inkl. staatl. Gewaltmonopol, Gesundheitssystem usw. vor die Nase stellen, sondern, dass sie einfach die Palästinenser in die Selbstständigkeit entlassen werden. Dies wird eine rigide Trennung zwischen israelischen und palästinensischen Gebiet nach sich ziehen (siehe Grenzzaun), da die Israelis selber nicht wissen, wie man ein die Milizen unter Kontrolle bringt.
Von einer bilateralen Lösung habe ich nicht gesprochen; das hast du reininterpretiert.
Schön, dann aber ist das auch kein Argument, dass Israel einen stärkeren Staat verhindern will. Und zwischen Selbstständigkeit im Rahmen größerer Autonomie udn echter Souveränität liegt auch ein großer Spannungsbogen, den du unbeachtet läßt. Die Israelis wollen sich sicherlich nicht mehr um diese Gebeite kümmern, wollen ihre kostspielige Besatzung redizieren, aber zurück zum Ausgangspunkt dieser Teildiskussion: Damit ist letztlich nicht gesagt, inwiefern diese Gebiete gestaltet sind, ob und in welcher Form sich dort ein staatl. Gebilde entwickln kann. Und genau dort setzte mein Punkt an, dass Israel auch mindestens mittelfristig wohl von einem gewissen Chaos dort auch profitiert und keine starke einheitliche paläst. politische Front haben will. Das war mein Punkt und dagegen hast du hier kein Argument gebracht.
Zitat:Also ich habe in Erinnerung, dass eine Mehrheit der Israelis und sogar eine Mehrheit der Likud-Mitglieder (über Likud bin ich mir aber nicht sicher) für den Abzug aller Siedlungen aus dem Ghaza-Streifen waren. Die Israelis haben also in der Mehrzahl eben genau das kapiert, dass sie sich komplett zurück ziehen werden müssen.
Der Abzug ist auch das Definitionsthema von Kadima, sonst hätte der "Buchhalter" Olmert auch nicht die Wahlen gewonnen und wäre zwischen AP und Likud aufgerieben worden. Die Popularitätswerte von Ariel Sharon in Israel seit dem Ghaza-Rückzug dürften ja wohl für sich sprechen.
Wenn du Belege dafür hast, dass die Israelis anders denken, dann wäre es nett sie zu posten
Sehr nett. Nur ging es bei meinen weiteren Ausführungen eben um die Westbank und die knapp 8.000 Siedler im Gazastreifen sind eine andere Dimension als die gut 250.000 Siedler in der Westbank!
Und die Pläne von Olmertz wurden vor ein paar Monaten veröffentlicht. Ich habs bei IHT.Online gelesen, dummerweise kann man auf deren Archive nicht zugreifen...
Aber weiterhin: Ein Komplettrückzug aus der Westbank wird bisher nicht erwogen, weitere Siedlungen entstehen sogar. Das sollte schon deutlich machen, dass die Rückzugserkenntnis noch nicht voll durch ist.
Und das wie ist auch noch ein Problem....
Zitat:Wenn wir über eine "starke" Zentralregierung sprechen, dann sollten wir erst mal betrachten, wieso sie stark ist und wie sie es wird. Eine "Starke" Zentralregierung zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Partei die dominierende Bewegung ist und folglich entweder durch Androhung und Durchführung von Waffengewalt oder durch "Softpower" ihren Willen durchsetzten kann. Das wird für die Israelis dann erheblich einfacher, da sie dann nur einen Ansprechpartner haben. Wenn sie bisher eine Waffenruhe mit der einen Miliz hatten, dann wurde diese durch Terroranschläger der anderen Miliz unterminiert.
Du überschätzt auch glaube ich den Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Gruppen siehe Fatah - Hamas. Wenn es eine starke Zentralregierung geben wird, dann entweder durch militärische Überlegenheit oder durch eine charismatische Führung, die alle zusammenschweißt. In beiden Fällen jedoch MUSS diese Regierung ein Gewaltmonopol herstellen, da sie sonst nahezu Handlungsunfähig ist und bald nur noch Makulatur ist.
Wenn sich die Regierung vernünftig verhält, dann werden die Israelis sie auch unterstützen indem beispielsweise Gefangene ohne Gegenleistung entlassen (wie früher auch geschehen!).
Und genau diese Vorstellung ist idealistischer Unsinn. Die paläst. Gesellschaft ist in sich schon fragmentiert, mit starken säkularen, aber inzwischen auch starken religiösen Lagern. Da wird es keine starke, einheitliche Bewegung mehr geben. Weder wird eine Gruppe stark genug sein, in Sachen Hard Power zu dominieren, also in Sachen Waffengewalt zu dominieren, noch wird dieses schöne alte Konzept Max Webers, dass der charismatischen Herrschaft ziehen: Denn die Gruppen sind zu unterschiedlich, die eher sakuläre Ausrichtung der Fatah stößt sich an der religiösen der Hamas. Das einfach so zu überbrücken, funktioniert nicht. Da überschätzt du das Einigungspotential der Palästinenser. Nein, ich denke, so wie es geschrieben habe: Es gibt nmur einen Einigungsgrund für die Paläst., ein common issue, das ist der Kampf gegen Israel. Legitimation wird jeder Staat nur dann haben, jede Autorität, wenn sie öffentlichkeits wirksam gegen die Besatzung vorgeht. Abseits aller Theorien über das Schüren der 2. Intifada durch Arafat, letztlich war sie ein Ergebnis, dass seien Autorität nicht mehr anerkannt wurde voll und dass seiner Autonomiebehörde, weil zu wenig gegen den neuen Siedlungsbau der Israelis und gegen schlechte Lebensbedingungen getan wurde. Legitimation in den Augen der bevölkerung, das ist zentral. Und die wird eine Regierung nur dann haben, wenn sie die Besatzung beendet. Und auch nur so lassen sich Hamas und Fatah an einen Tisch bringen. Als Front für die Befreiung Palästinas. Und auch dann werden die Milizen im besten Fall gebündelt. Das ist die einzige echte wahrscheinliche Variante für eine paläst. Regierung. Alles andere ist westliches oder israelisches Wunschdenken.
Höchstens und darauf rechnt und hofft Tel Aviv, man schafft es, die beiden Lager in einen Bruderkrieg zu treiben um so die Paläst. zu spalten und dann leichtes Spiel mit ihnen zu haben. Diese Varainte könnte auch in einer starken Regierung enden, aber in einer straken Regieurng einer endgültig kaputten und zerstörten Gesellschaft. Diese Variante wäre sehr angenhem für Israel und vieles spricht für dieses Ziel der Israelis.
Aber deine Vorstellungen sind da etwas zu sehr westliches Wunschdenken.
Zitat:Du sprichst Israel meiner Einschätzung nach zu sehr imperialistische Attribute zu ("Interesse", "Ziele"). Israel agiert nicht als amerikanischer, asiatischer oder europäischer Staat, der versucht sich wichtige Rohstoffe, Transportwege oder ähnliches zu sichern. Israel agiert als Staat, der versucht den aktuellen (früher existenzbedrohenden) Konflikt möglichst unbeschadet und sicher zu lösen. Dabei werden sie primär an sich denken und nur wenig Rücksicht auf palästinensiche Befindlichkeiten nehmen, wieso auch? Sie haben nicht die objektive Sicht aus dem sicheren Mitteleuropa. Es gibt kein Wohlwollen zwischen den beiden Völkern und Israel wird bloß das tun, was unbedingt nötig ist.
Innerhalb der Israelis gibt es da natürlich mehrere Lösungsansätze: Harte Linie wie unter Nethanjahu, Kooperation wie unter Ehud Barak oder einseitiger Rückzug wie unter Ariel Sharon. Die ersten beiden Lösungsansätze sind gescheitert (siehe Intifada oder Camp David) und werden von nicht mehr allzu vielen Leuten unterstützt (siehe Wahlen).
Jetzt werden die Israelis sich zurück ziehen und schauen was die Palästinenser mit dieser neuen "Freiheit" anstellen. Dass sie dabei noch Land mitnehmen, ist zwar objektiv gesehen nicht fair. Allerdings haben die Palästinenser Krieg gegen Israel geführt und haben mit dem einseitigem Rückzug Israels faktisch verloren. Nach jedem Krieg wurde dem Verlierer etwas genommen und dies wird jetzt nicht anders sein. Dass die Israelis gelegentlich Anti-Terroreinsätze bei den Palästinensergebieten durchführen werden ist nicht ausgeschlossen, wenn die Palästinenser mit dem Terror aufhören und sich endlich einigen.
Wenn es wirklich nur ums Überleben ginge, dann müßte man nicht Wehrsiedlungen im Feindesland erichten und dann wäre man nicht konventionell mehrfach überlegen..
ich denke, dass diese Schiene mehr Selbstrechtfertigung der Israelis ist, eien Art Paranoia Syndrom kollektiver Art, beständig existenzbedroht zu sein: Ganz ehrlich, Israel ist mit seiner wohl vermuteten atomaren Zweitschlagsfähigkeit zwar nicht nur von Freunden umgeben, aber relativ unangreifbar. Hier wirkt viel mehr kollektiv historische Erinnerung nach. Um nicht falsch verstanden zu werden: DIe Shoa war so grausam, dass man keine Worte finden kann. Dass daher auch die Holocaustüberlebenden und ihre Nachkommen geprägt sind, etwas übervorsichtig sind etc, ist absolut nachvollziehbar. Nur macht es das ganze eben nicht einfacher. Und man kann dahinter sich auch sehr gut verstecken. Man verteidigt sich ja nur selbst, wenn man das Land des Gegners nun kolonialisiert.
Es geht dabei nicht wirklich um klassischen Imperialismus, das ist richtig, es ist viel eher eine Obsession nach absoluter Sicherheit, für die man alles geben würde und auch andere dementsprechend behandelt.
Aber offensiv ist diese Obsession sicherlich schon.
Zitat:Jetzt werden die Israelis sich zurück ziehen und schauen was die Palästinenser mit dieser neuen "Freiheit" anstellen. Dass sie dabei noch Land mitnehmen, ist zwar objektiv gesehen nicht fair. Allerdings haben die Palästinenser Krieg gegen Israel geführt und haben mit dem einseitigem Rückzug Israels faktisch verloren. Nach jedem Krieg wurde dem Verlierer etwas genommen und dies wird jetzt nicht anders sein. Dass die Israelis gelegentlich Anti-Terroreinsätze bei den Palästinensergebieten durchführen werden ist nicht ausgeschlossen, wenn die Palästinenser mit dem Terror aufhören und sich endlich einigen.
Nur dummerweise wird das alles nicht gut gehen. Der einseitige Rückzug aus den Gebieten bestärkt die Palästinenser - wie nach dem Gazaabzug - das letztlich ihre radikale Gewalt den Sieg davon getragen hat. Die Radikalen werden also wieder profitieren und auch einen schleppenden, nur teilweise erfolgenden Rückzug aus der Westbank für sich auszuschlachten wissen. Dieses "unfair", diese lapidare Formulierung bei dir also, wird böse und blutige Konsequenzen haben, die man schon bei Gaza sah.
Und nochmal: Es war ein Krieg der Israelis gegen die arabischen Staaten. Die Palästinenser waren die Bauern, in da geopfert wurden und erst nach und nach wurden die Palästinenser zu einer eigenständigen Konfliktpartei. Man kann also auch historisch nur sehr ungenauerweise davon sprechen, dass die Palästinenser Krieg gegen Israel geführt haben, man könnte das gleiche auch umgekehrt sagen. Bei deiner Argumentation, die sicher auch Israelis ähnlich bringen würden, fühlen sich die Palästinenser erst recht betrogen und die Radikalen werden wissen, dies wieder auszuschlachten.
Letztlich wird auf diesem Weg die Gewalt kaum gestoppt werden. Die israelische Vorstellung eines disengaments, ein paar Siedlungsblöcke zu annektieren und ansonsten sich auf hohe Mauern zu verlassen, wird scheitern. Das sage ich jetzt schon voraus.