@Skywalker
Zitat:Was die Sache mit den Frauenbadestränden angeht, so hab ich mich im gesammten Thread nicht darüber beschwert. Allerdings hab ich Stellung zu einem Interwiew mit dem Vorsitzenden der internationalen Kommission der CSU Reinhold Bocklet, MdL genommen. Reinhold Bocklett war als Verteter der CSU zum Parteitag der AKP im vergangen Jahr geladen worden. Er berichtete davon das in einer südostanatolischen Stadt ein Park rein für Frauen geschaffen wird, womit die Geschlechtertrennung eingeführt wird und das Land so schrittweise islamisiert wird.
Nochmal: Die Eröffnung solcher Strände führt nicht zur Schließung gemischter Strände und wenn bei vielen Türkinnen der Bedarf nach solcherart Stränden halt vorhanden ist, ist es doch zu begrüßen, wenn man ihnen auch freie Entfaltungsmöglichkeiten auf ihre Weise gibt. Es gibt nun mal Frauen, die sich eben sehr unwohl fühlen würden in gemischten Stränden zu schwimmen.
Es gibt hier in Deutschland zwar keine reinen Frauenstrände (bei einem Land wie Deutschland auch unsinnig), dafür aber reine Frauenhallenbäder und Deutschland ist ganz bestimmt nicht auf dem Weg in eine totalitäre theokratische Gesellschaft.
Wieso fällt es schwer beides zu akzeptieren?
Zitat:Ähm, das ist nicht ganz richtig. Das Fundament für den wirtschaftlichen Boom in der Türkei hat nicht die AKP gelegt, vielmehr hat der ehemalige Finanzminister Kemal Dervis die Sache mit dem IWF eingefädelt. Ohne die IWF Kredite und die durch Dervis begonnen Reformen im Finanz und Bankenwesen gäbe es den jetzigen Wirtschaftsboom nicht !
2/3-Mehrheit hin oder her, der Restruktierungsprozess ist der AKP-Regierung zu verdanken. Im Jahre 2001 stand die Türkei kurz vor dem wirtschaftlichen Kollaps und ich bin übrigens auch auf den politischen Reformprozess eingegangen, der von der AKP vorangetrieben wurde.
Die AKP ist eine moderat-islamische und demokratische Partei, die sich zum laizistischen Staatswesen der Türkei bekennt und keine fundamentalistische Partei.
Zitat:Sicherlich hat die Horde manipulierter Jugendlicher nichts mit dem Islam zu tun, aber sehrwohl was mit einer totalitären Ideologie die sich auf den Islam beruft und im Namen des Islam zu Gewalt aufruft. Es zeigt immer noch das weite Bevölkerungsschichten in der Türkei in einem archaischen Denken verhaftet sind. Das ist bittere Realität, leider !
Weite Teile? In einigen Landstrichen des Südostens kann es schon unangenehm werden und dort fehlt sicherlich eine demokratisch gesinnte Zivilgesellschaft, aber du hörst dich so an, als ob die Merheit außerhalb den Zentren von Istanbul/Ankara/Izmir/Adana so "krass" eingestellt ist.
Unter anderem sind doch auch islamische Geistliche dabei die Menschen aufzuklären und betonen auch stets, dass Ehrenmorde und dergleichen nichts mit dem Islam zu tun haben und sogar als Sünde einzustufen ist. (Zwangsheirat und Ehrenmorde sind ja auch islamischer Sicht eine Sünde und haben
nichts mit dem Islam zu tun)
Eine solche Begründung würde vielen Menschen erstmal genügen, weil sie nun mal traditionell eingestellt sind.
Stattdessen wird mit der Keule versucht ihnen einen vollständigen Europäisierungsschub zu geben, was für viele traditionelle Menschen zu viel ist. Eine Aufklärung, Schritt für Schritt und ein Zusammenspiel zwischen der säkularen Justiz, den NGOs und Frauenschutzgruppen
und islamischen Gelehrten könnte auch in den sensiblen Gebieten Abhilfe leisten. Aber Zwang ohne Erklärungen für die verschiedenen Verordnungen abzugeben, scheint immernoch das bevorzugte Mittel der Kemalisten zu sein. :roll:
Zitat:Ich kenne kein rein konfessionell ausgerichtete grosse Volkspartei in Deutschland ! Es gibt lediglich konservativ ausgerichtete Parteien CDU/CSU die ihre Politik bzw. ihr Grundsatzprogramm am christlichen Menschen und Wertebild ausrichten. Die CSU z.B bekennt ohne Zweifel zum Säkularismus, also der Trennung von Staat und Religion. Die CSU spricht sich aber als eine partei die ihr Grundsatzprogramm und Politik am christlichen Menschenbild ausrichtet gegen die strikte Trennung von Staat und Religion aus die als Laiezismus bezeichnet wird. Die CSU versteht sich auch nicht als eine konfessionelle Partei, sondern als Volkspartei die ihr Programm und ihre Politik am christlich-Abendländischen Wertebild ausrichtet. Die CSU-Mitgliedschaft steht somit auch Menschen offen die sich zum Islam, Judentum, Budhismus etc. orientieren. Informationen dazu hab ich aus erster Hand bei einem "Runden Tisch" zum CSU Grundsatzprogramm erfahren, den Vortrag hielt der stellvertretende Vorsitzende der Grundsatzkommision Georg Fahrenschon, MdB.
Hat die AKP je behauptet eine rein religiöse Partei zu sein? Bekennt sie sich denn nicht zum Laizismus der Türkei?
Ich denke, dass du die AKP eher mit der MHP und den Taliban verwechselst, du sprichst zwar von einer pluralistischen Ausrichtung des Islam, aber der türkische Staat maßt sich an nur sein Leitbild und Ideal als das einzig Richtige anzusehen.
Zitat:Das türkische Volk hat bei den Präsidentschaftswahlen nichts zu melden, die werden im Parlament entschieden ! Eine funktionierende Demokratie braucht ein mündiges Volk und das findest du leider nicht in allen Landesteilen und Bevölkerungsschichten der Türkei. Wie kann es sein das im kurdischen Südosten des Landes die Bevölkerung den Dorfältesten oder den Agha als höchste Autorität anerkennt und seine Sichtweise ohne kritisches Hinterfragen teilt ? Ist das das Kennzeichen eines Mündigen Volkes ?
Ausserhalb der grossen Zentren in der Türkei sind immer noch patriachalische Vorstellungen weit verbreitet, darüber täuschen auch keine emanzipierten Istanbulerinnen Hinnweg. Und so lang sich die Menschen nicht ändern wollen muss das Militär die Trennung von Staat und Religion garantieren.
Im Osten Deutschlands gibt es auch einige Dörfer, wo die vorherschenden Werte der demokratischen Gesellschaft nichts zu melden haben und ein autoritärer Führerstaat gefordert wird. Reagiert der deutsche Staat aber so aggressiv und repressiv? Gibt es einen "tiefen Staat"?
Der türkische Staat verdächtigt seine eigene Bevölkerungsmehrheit, die zumeist
keine archaisch und tribalistisch organisierte Menschen, aber eben auch vielleicht nicht dem Typus des Westeuropäers passen.
Antidemokratisch sind sie trotzdem nicht.
Zitat:Du verbindest hier das Kopftuch mit der islamischen Identität, es gibt aber auch liberale Interpretationen des Islams wo es der Frau freigestellt wird ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht. Die islamische Identität lässt sich nicht durch äussere Merkmale bestimmen oder ob er/sie fünf mal am Tag betet, sondern dadurch wie ein Mensch im täglichen Leben handelt ! Innere Werte wie Nächstenliebe, Treue, Ehrlichkeit und Toleranz machen für mich einen gläubigen Muslim aus. Muslime die die genannten Atribute nicht an den Tag legen bzw. nur alleine eine äussere Fassade aufbauen sind für mich noch lange keine Muslime.
Der Koran stellt es auch der Frau frei, ob sie sich verschleiern will oder nicht, es ist allerdings eine religiöse Verpflichtung. Trotzdem darf man eine Frau
NICHT dazu zwingen ein Kopftuch zu tragen und es macht die Frau auch nicht weniger muslimisch, wenn sie das Tragen des Kopftuchs unterlässt, denn letzten Endes kommt es auf das Herz an, wie du es sagtest.
Der türkische Staat lässt es aber nicht zu, dass Frauen selber entscheiden, wie sich kleiden wollen. Dies schließt die freie Wahl der Kopfbedeckung aus. Es ist also der türkische Staat, der dogmatisch und repressiv auf eine Ausrichtung beharrt (die religiös nicht mal ansatzweise begründbar ist).
Was du als liberal empfindest, mag vielleicht für andere Frauen nicht gelten. Schon mal daran gedacht, dass sie sich in Kopftüchern wohl fühlen? Wenn es also Studentinnen freigestellt ist, wie sie sich bekleiden wollen, wo ist dort das Problem?
Es gibt Frauen, die kein Kopftuch tragen wollen: Schön, niemand zwingt sie dazu. Aber selbige Entscheidungsfreiheit sollte auch türkischen Studentinnen und anderen Frauen gewährt werden, die ein Kopftuch tragen wollen.
So vertreibt man systematisch eine mögliche gebildete und aufegklärte Elite und wundert sich, wieso einige Landesstriche archaischen Stammessitten verhaftet sind.