Mondgesicht schrieb:Erich schrieb:Warum? Die Erstarkung des Widerstandes geht vom amerikanischen Sektor aus und hat inzwischen auch den Norden erreicht.
Wo also könnten die USA, die offenbar diese Erstarkung nicht verhindern konnten und auch weiterhin nicht können, etwas zeigen?
Kannst Du das Näher begründen oder ist hier nur eine Parole in die Debatte eingeworfen?
Also wenn ich dich richtig verstehe Erich, dann steigt die Stärke des Widerstandes analog zur Anzahl der eingesetzten amerikanischen Truppen? Ist das richtig?
die Gründe für das Erstarken de Taliban diskutierten wir (nicht nur)
seit dem 12. September 2009 im Afghanistan-Thread. Fakt ist jedenfalls, dass die Talban mit einer erstaunlich niedrigen Truppenstärke 2001 innerhalb von wenigen Wochen (erste Luftangriffe am 7. Oktober, Eroberung der Hauptstadt am 13. November) vertrieben wurden - und seither werden die Alliierten Truppen genauso regelmäßig verstärkt, wie die Taliban immer weitere Gebiete unter ihre Kontrolle (zurück) gewinnen.
Der ehemalige deutsche Aussenminister Fischer hat das so formuliert:
Zitat:Andererseits ... erweist sich die bisherige Strategie des Westens in Afghanistan ebenfalls als wenig erfolgreich. Sie macht die Taliban mit jedem Tag nur stärker.
Mondgesicht schrieb:Ich vertrete lieber die Theorie das die Stärke des Widerstandes im Süden am stärksten ist, weil es an Pakistan angrenzt. Da aus Pakistan die meisten Kämpfer einsickern. Der Süden ist mit Talibankämpfern inzwischen gesättigt, und darum sickern jetzt mehr Taliban in den Norden ein.
Damit kommt die BW offensichtlich nicht klar.
Für meine Theorie spricht auch, das die Briten und Holländer ebenfalls im Süden seit Jahren attackiert werden.
Also, eher die Nähe zu Pakistan ist ausschlaggebend für Attacken. Das ist meine Denke.
Ich denke, wir müssen erst einmal auf die Ausgangslage zurück gehen.
Nach der Vertreibung der Sowjets durch die Mujahedin - eine Allianz unterschiedlichster Stämme - hatten sich mehrere "lokale Machtzentren" gebildet.
Im Norden hatte die Nordallianz (eine Nachfolgeorganisation der Mujahedin) unter dem Tadschiken Ahmed Shah Massoud (und dem Usbeken Dostum) "das sagen". Die Gruppe um Massoud war seinerzeit von den USA mit bewaffnet und trainiert worden - und Massoud hatte sich über die Jahre hin den Kontakt zum Westen erhalten.
Seinem internen Gegenspieler, dem Usbeken Dostum, wurden dagegen mehr Kontakte zu den sowjetischen Nachfolgestaaten (Usbekistan) in Zentralasien nachgesagt. Beide Gruppierungen kooperierten gegen den Süden.
Im Süden waren das die (überwiegend paschtunischen) Taliban, die vom pakistanischen Geheimdienst ISI geschaffenen und ausgerüsteten militanten "Koranschüler", die sich ebenfalls als Nachfolger der Mujahedin sehen.
Afghanistan war also (mit lebhafter Unterstützung seiner Nachbarn) dabei, in seine ethnischen Bestandteile zu zerfallen, wobei die unterschiedlichen Gruppierungen um Macht und Einfluss rangen. Bereits kurz nach dem 11. September hatte etwa die Nordallianz einen Angriff auf Kabul gestartet.
Als dann die Alliieren einfielen war natürlich der Süden mit den Taliban - gegen die sich ja der Angriff überwiegend richtete - der Schwerpunkt des Widerstandes. USA, Briten und Holländer hatten also von Anfang an den "schwierigeren part".
Dass sich die Deutschen dagegen das Gebiet der tadschikischen Nordallianz (also der potentiellen Verbündeten) ausgesucht haben, ist uns damals schon zum Vorwurf gemacht worden.
Entscheidend ist für mich letztendlich, dass es den Alliierten im Süden seit 8 Jahren nicht gelungen ist, den Süden zu "befrieden" (oder den Widerstand zu beenden). Das isher verwendete amerikanische Modell ist kein Erfolgsmodell.
Im Gegenteil:
der Widerstand wird stärker - das ist Fakt.
Wenn Deine "denke" zutreffen würde, wäre der Norden immer noch sicher wie Mutters Schoß. Gerade das ist aber nicht der Fall.
Der Widerstand greift zunehmend auf ganz Afghanistan über - siehe <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,648413,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 13,00.html</a><!-- m -->
Zitat: 11.09.2009
Studie
Taliban dehnen Einfluss auf fast ganz Afghanistan aus
...
Das hat jetzt nichts mehr mit der Nähe zu Pakistan zu tun.
Das ist eine neue Qualität - nämlich, dass sich inzwischen (wie einst die Mujahedin gegen die Sowjets) die unterschiedlichsten Gruppierungen gegen die westlichen Alliierten verbünden.
Man kann jetzt trefflich darüber spekulieren, warum das so ist.
Cluster schrieb:Ich würde eher sagen, dass die deutsche Politik der Bundeswehr nicht ausreichend Freiheit und Unterstützung bei der Erfüllung des Auftrags zulässt.
Cluster, das erscheint mir sehr vereinfacht und abwegig. Gerade die Bundeswehr hatte die ersten Jahre absolut "paradiesische Zustände". DIe Soldaten konnten ohne Schutzwesten und praktisch unbewaffnet im Basar "nach dem rechten schauen".
Wir müssen uns fragen, warum das nicht mehr der Fall ist.
Die wesentliche Erklärung für mich ist, das mit zunehmenden zivilen Opfern unter der lokalen Bevölkerung der archaische Gedanke der "Blutrache" überhand gewinnt.
Die Alliierten werden auch im Norden nicht mehr als Beschützer, sondern (wie seit je her im Süden) als Besatzer erlebt.
Und das ist durchaus eine historische Paralelle: bisher sind in Afghanistan nahezu alle fremden Truppen, die länger als ein Jahr im Land waren, als Besatzer geendet - und vertrieben worden. Der Selbstbestimmungswille dieser Gebirgsstämme ist viel zu stark, als dass sie sich länger als ein Jahr einer fremden Macht beugen würden.
Einzige Ausname waren die Völker wie die (mongolischen) Hazara (die Begründer der indischen Mogul-Reiche), die sich dauerhaft in Afghanistan niederlassen konnten.
Man kann das auch auf eine alte asiatische Weisheit schieben: "Wenn Gott eine Nation bestrafen woll, dass lässt er sie in Afghanistan einfallen".