Tiger schrieb:Ich denke, das Hauptproblem ist das die Bundesregierung nicht kämpfen lassen will....
ich denke, hier stellt sich die Frage nach der Art des Einsatzes.
In Deutschland ist der Einsatz als Hilfs- und Sicherungseinsatz deklariert und "politisch verkauft" worden. Noch unter dem letzten Verteidigungsminister Jung wurde das Wort "Krieg" panisch vermieden. Das heißt, dass der Waffengebrauch für Notwehr und Nothilfe erlaubt ist, dass aber zwangsläufig nach jedem Einsatz mit Todesfolgen die Ziviljustiz ermitteln (muss), ob wirklich Notwehr oder Nothilfe vorlag. Und deshalb ist die Aussage richtig und sogar politisch gewollt:
Cluster schrieb:Wie hat es ein Journalist im Fernsehn vor wenigen Tagen berichtet?
"Die Soldaten trauen sich bald nicht einmal in Notwehr das Feuer zu eröffnen, aus Angst sich den Staatsanwalt auf den Hals zu ziehen."
Nochmal: Diese "Beisshemmung" war - und ist (?) politisch so gewollt.
Oberst Klein hat nun einen Schritt darüber hinaus getan.
Er ist präventiv tätig geworden - und das noch dazu unter Missachtung der für Afghanistan insgesamt geltenden Einsatzregularien und in einem Szenario, indem eindeutig (im Sand feststeckende Laster mir Fahrtrichtung weg vom Lager) keine akute Bedrohung vorlag. Es ging ihm letztendlich darum, Taliban-Führer zu liquidieren, und er hat dabei billigend den Tod von Zivilisten (auch wenn es sich um Sympathisanten handeln sollte) in Kauf genommen.
Das erstere würde ich Oberst Klein nicht direkt zum Vorwurf machen.
Die Politik - auch in Deutschland - hat nicht zur Kenntnis genommen, dass sich aus dem Sicherungseinsatz inzwischen ein Krieg entwickelt hat. Erst im November hat unser neuer (wie lange noch ?) Verteidigungsminister von Guttenberg zaghaft das Wort "Krieg" angedeutet.
Klein befand sich also in einem Konflikt zwischen der realen Ist-Situation "Krieg" und der politisch gewollten Wunsch-Situation "Schutzauftrag". Dieser Konflikt ist nicht ihm anzulasten, sondern der Politik, die Klein (und alle seine Soldaten) in diese Lage versetzt hat, und nun dort "sitzen lässt".
Mit dem Einsatzbefehlt hat er (mit stillschweigender Billigung von Berlin ?) Konsequenzen aus einer Realität gezogen, die so politisch nicht gewollt war sondern sich (warum?) "so entwickelt hat".
Das zweite aber - die Missachtung der Einsatzregelurien - ist Klein ja letztendlich auch zum massivsten Vorwurf im Untersuchungsbericht gemacht worden. Das ist tatsächlich sein Problem.
Nightwatch schrieb:Zuallererst hatte Oberst Klein an die Sicherheit seiner Soldaten und die Erfüllung seines Auftrages zu denken.
Das man in Berlin systemathische Realitätsverweigerung betrieben hat ist genauso richtig wie katastrophal, hilft in Afghanistan aber kein Jota weiter.
Oberst Klein hat alles richtig gemacht, aber es ist natürlich viel schöner ob einer wunderbar inszenierten medialen Hetzkampange die Realität in Kundus auszublenden.
Deine erste Aussage unterstellt, dass eine akute Gefährdung (Notwehr) vorlag. Das glaubst Du doch wohl selbst nicht, oder welche Gefahr solen festsitzende Tanklaster für eine Kilometer entfernte Basis sein? Bist Du schon so ein Schisser, dass Dich der Anblick eines festgefahrenen Tankwagens in Panik versetzt?
Oberst Klein hat nicht alles richtig gemacht.
Wenn er sich tatsächlich im Krieg befindet - und die Abgabe eines Verfahrens (auch im November) zur Prüfung, ob das Kriegsvölkerrecht und nicht (wie politisch gewollt) das "normale Zivilrecht" anzuwenden sei, deutet daraufh in, dass die Justiz das auch so sieht - dann sind Präventiveinsätz möglich. Ja.
Aber auch dann muss er sich immer noch an die geltenden Einsatzregularien halten.
Und noch gilt die politische Prämisse, dass die Bundeswehr nur in Notwehr oder Nothilfe zu den Waffen greifen darf.
Wir sind an einem Punkt angelangt, wo sich politische Fragen stellen, die wir insbesondere auch in Deutschland beantworten müssen:
- 1. Wollen wir in Afghanistan an einem realen Kriegseinsatz beteiligt sein?
2. Wen verteidigen wir dort - ausser korrupten Politikern und Drogenbaronen?
3. Welche(s) andere (realistische) Kriegsziel(e) haben wir?
4. Was hat die bisherige Strategie gebracht (ausser einer Stärkung der Taliban) und welche andere Strategie könnte sinnvoll sein, um diese(s) Kriegsziel(e) zu erreichen und
5. Welches Ausstiegszenario gibt es für uns - und zwar in jeder Situation?
Die klare Beantwortung dieser Fragen sind wir unseren Soldaten und Oberst Klein schuldig. Und wenn wir keine überzeugenden Antworten finden, dann wird es Zeit, sich aus Afghanistan zu verabschieden.
Edit:
Wenn die Politik nicht diese Fragen diskutiert, dann werden andere gesellschaftliche Kräfte eine Antwort versuchen:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/inland/bundeswehrinafghanistan100.html">http://www.tagesschau.de/inland/bundesw ... an100.html</a><!-- m -->
Zitat:EKD-Vorsitzende
Käßmann für baldigen Abzug aus Afghanistan
Eine rasche Beendigung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan fordert die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann.
"Auch nach den weitesten Maßstäben der Evangelischen Kirche in Deutschland ist dieser Krieg so nicht zu rechtfertigen, deshalb muss die gewalttätige Auseinandersetzung möglichst rasch beendet werden", forderte die Landesbischöfin von Hannover in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". ...
Edit 2:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/31953">http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/31953</a><!-- m -->
Zitat:Briefe von der Front
"Gestern Abend mit einem komischen Gefühl meine Ausrüstung fertig gemacht. Es geht nach Kundus. In den Krieg? Jedenfalls sterben dort Menschen." - Die Weihnachtspost der deutschen Soldaten aus Afghanistan.
...
Edit 3:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.sueddeutsche.de/,ra1m1/politik/107/498401/text/">http://www.sueddeutsche.de/,ra1m1/polit ... 8401/text/</a><!-- m -->
Zitat:25.12.2009, 09:532009-12-25T09:53:00 CEST+0100
Weihnachtsgeschenke vom Minister ''Billig-Krempel aus China''
Interview: Susanne Klaiber
Wenn der Minister Ramsch verschenkt und die Christmette wegen Raketenbeschuss ausfällt, leidet die Stimmung. Militärdekan Marcus Wolf erzählt vom Einsatz im Kundus. ....
SZ: Haben die Soldaten Geschenke von ihren Familien bekommen?
Wolf: Tonnenweise. Die Bundeswehr achtet darauf, dass Transportkapazitäten dafür frei sind.
SZ: Was war drin in den Paketen?
Wolf: Unmengen an Süßigkeiten. Viel mehr, als jeder essen konnte. Sportklamotten, Armbanduhren ... Und Weihnachtsgeschenke des Ministers. Die sind schlecht angekommen.
SZ: Warum?
Wolf: Es war Billig-Krempel aus China. Kugelschreiber, Taschenrechner, eine Taschenlampe - in einem sehr einfachen Karton. Die Soldaten waren sauer. Ein Spieß hat dann mit seinen Leuten für seine Kompanie 250 Päckchen nochmal in Geschenkpapier verpackt, um sie hübscher zu machen.
SZ: Was haben die Soldaten erwartet?
Wolf: Nicht unbedingt ein Geschenk. Eine nette Weihnachtskarte wäre vielleicht mehr gewesen. Oder etwas Einfaches, das aber schön ausgewählt wurde.
....
tolle Wertschätzung der Soldaten, die hier vom Ministerium zum Ausdruck kam ...