Quintus Fabius schrieb:In Bezug auf deinen Vorwurf der Naivität. Ich bin lieber Naiv als asozial zynisch nur auf den eigenen Vorteil bedacht.
Du kannst Dich selbst sicherlich besser einschätzen, aber auf die Sache bezogen ist es heillos naiv zu glauben, IRGENDEINE Partei sei hier neutral. Der "Westen" ist mit seiner Destabilisierungspolitik, der direkten und indirekten Unterstützung für Al-Kaida affiliates aka Nusrah, FSA und Co auf die Verliererstraße geraten und er wird versucht sein diesen Zustand zu revidieren. Was die Türkei aktuell tut ist dafür exemplarisch. Die tiefen Vorstöße der "Rebellen" nach Latakia und Daraa waren eine von der Türkei (Nordachse) und den USA/Israel/Jordanien (Südachse) vorgetragene Offensive über die Staatsgrenze nach Syrien hinein. Es war von Anfang an das Ziel der NATO-GCC Allianz Syrien zu zerschlagen und diese Schergen dort als dauerhaften Gegenpol zu Iran, Syrien zur Schwächung der Hisbollah zu installieren. Von Anbeginn war die Zerschlagung dieser "Schiitischen Achse" zur Sicherung Israels und Stärkung Saudi Arabiens das offen erklärte Ziel. Da kann ich Dir mehere Dutzend Zitate höchster Entscheidungsträger liefern. Es ist nicht nur vollkommen naiv zu glauben, dass irgendwer auf Seiten der USA, Saudi Arabiens oder der Türkei anderes im Schilde führt. Ich halte es sogar für asozial zynisch dies anzunehmen.
Zitat:Und Gut und Böse sind für mich recht einfach dahin gehend definiert, was funktioniert und was nicht funktioniert.
Der Mittlere Osten war seit Jahrhunderten multiethnisch und multireligiös. Insbesondere Syrien und der Irak. Es gab immerwieder Kapitel in denen das nicht gut funktioniert hat, weil es Kräfte gab, die aus eigenem Interesse Spannungen aufgebaut und genutzt haben. Wir sind heute insbesondere mit den extremistischen Ideologien bspw. dem Zionismus, Salafismus und Wahabismus an einem Scheideweg angelangt. Die extreme religiöse-ethnische Sektiererei, die heute zu beobachten ist und zu den Auswüchsen führt die wir sehen müssen, hat definitiv eine neue Qualität und das wird von alleine oder durch Umsiedlung, der Auswechlung eines Anführers oder Grenzziehungen nicht beendet. Begreife das doch. Der Mittlere Osten wird überhaupt nur dann eine Zukunft haben, wenn jede Ideologie bis zur vollständigen Vernichtung bekämpft wird, die das friedliche Zusammenleben zwischen den unterschiedlichen Religions- und Volksgruppen verhindert oder bestehende Konfliktpotentiale für eigene Vorteile ausnutzt. Diese elendige Sektiererei muss beendet werden. Mit Diplomatie, mit Revolutionen, mit Gewalt, mit was auch immer.
Zitat:Und weitere Siege der Assad Regierung funktionieren nicht - in dem Sinne, dass sie ein immenses Sicherheitsrisiko und vor allem ein immenses Risiko zur Eskalation bedeuten.
Die arabischen Stämme/Clans und ihre Einflusssphären (da gibt es möchtige und weniger Mächtige und Bevorteilte und weniger Bevorteilte) sind kulturell inhärent und man wird sie niemals beisitigen. Aber auf dieser Basis ist das staatliche, multiethnische Modell Assad (oder wie auch immer ein demokratisch gewählter Nachfolger heissen mag) das einzige Modell was mittelfristig überhaupt funktionieren kann. Die Zukunft liegt in entsprechenden Staatswesen und Nationalismus über die Volksgruppen hinweg. Anders kann es nicht funktionieren. Ohne die größte Vertreibungswelle und Umsiedlungsaktion seit der großen Völkerwanderung loszutreten, würden sich keine Grenzen zwischen den vielerorts seit Jahrhundert verwoben lebenden Gruppen ziehen lassen, insbesondere in einer Region die von Stämmen beherrscht wird. Das ist nicht nur naiv, sondern wäre ein elementar völkerrechtswidriges Verbrechen.
Zitat:Naiv ist es zu glauben, die Türkei, die Golfaraber und der Westen TM würden zusehen, wie die Assad Regierung ganz Syrien zurück erobert.
Wenn dem so ist, dann ist die Konsequenz daraus ganz einfach und logisch. S.o.
Zitat:Das heißt, jeder weitere Sieg der Regierungstruppen gegen die Rebellen bringt die ganze Sache der Eskalation und Ausweitung näher und führt nicht zu Frieden, sondern zu nur noch mehr Blutvergießen. Die Sache könnte bis hin zum vollumfänglichen Krieg zwischen Saudi Arabien und dem Iran führen und noch darüber hinaus.
Die Saudischen Machthaber sind einer der zentralen Kräfte, die der sekterierischen Salafistischen/Wahabitischen Ideologie weltweit(!) Auftrieb verleihen. Die Wahabiten/Salafisten schließen das Zusammenleben mit weniger streng konservativen Sunniten, unterschiedlichen schiitischen Strömungen, Alewiten, römischen und orthodoxern Christen, Drusen vollkommen aus. Darüber hinaus weise ich gerne nochmals darauf hin, das ihr Anspruch
global ist. Da gibt es keine Kompromisse. Der Westen muss endlich begreifen, dass diese Jihadisten kein Proxy-Werkzeug sind mit dem man spielt. Offenbar war Afghanistan nicht lehrreich genug.
Noch vor nicht einmal 200 Jahren waren die Wahabiten aber noch ein räuberisches Reitervolk auf der arabischen Halbinsel. Insofern liegt in der Beseitigung der Sauds ein Schlüssel für eine friedliche Zukunft Arabiens und weiter Teile dieser Welt. Bis hin nach Mali, Somalia, Nigeria, Indonesien, New York, London, Sauerland und Paris! Ob es dazu Diplomatie, Revolutionen oder Krieg bedarf ist wohl schwer zu sagen. Ich vermute immernoch, dass sich der Clan der Saud durch sein desolates "Staatswesen" in den nächsten 5 jahren von selbst erledigt. Der Iran wäre militärisch stark genug, um hier entscheidend nachzuhelfen, aber das ist absolut nicht der bevorzugte Weg, zumal er als Schutzmacht nur einer der von den Salafisten/Wahabiten verfolgten Ethnien, einseitig vorbelastet wäre. Zumindest da bin ich mit Dir einig. Was die Türkei betrifft, so kann man dieses wunderbare Volk ebenfalls nur davor warnen, die Sektiererei gegenüber den Kurden und anderen Ethnien zu eskalieren. Sie werden das selbst irgendwann nicht mehr kontrollieren können und ihr eigenes Staatsgebiet gefährden. Aber was soll man gegen die Torheit gewählter Regierender vom Schlage eines Erdogan tun? Die NATO und EU hätten hier Einfluss und eine Vielzahl diplomatischer Druckmittel, die sie aber leider nicht geltend machen. Das ist -aus einem nicht asozial zynischen Standpunkt heraus- unverständlich.
Zitat:Das Risiko ist einfach untragbar geworden und die Fern- und Nebenwirkungen dieses Krieges beginnen insgesamt den Nahen Osten zu destabilisieren und eine Abwärtsspirale einzuleiten deren Folgen unabsehbar und unkalkulierbar sind.
Die Ursachen dieser Gewaltspirale sind eindeutig NATO, GCC und Israel. Die Kriege der letzten Jahrzehnte wurden ausschließlich wegen ihnen und durch diese geführt, die Region wurde durch diese destabilisiert. Nicht durch Assad, Iran oder Russland. Den Konflikt haben erstere initiiert und sie sind auch weiterhin gewillt ihn weiterzuführen. Assad, Iran und Russland wollen stabile Verhältnisse. Hier muss der Westen auch im eigenen Interesse zu einer Einsicht gelangen.
Zitat:Was denkst du den was geschehen wird wenn die Rebellengruppen welche nicht zum IS gehören aufgerieben werden bzw. was bereits geschehen wird wenn allein Allepo fällt? Keineswegs ist dann die Folge, dass die Assad Regierung wieder fest im Sattel sitzt und man zum Status Quo zurück kehren kann.
Zunächst einmal hat der syrische Staat nicht nur das hoheitliche Recht, sondern auch die Pflicht, gegen offensichtliche Terrorbanden der Al-Kaida und des IS vorzugehen. Der IS und Al Kaida sind aber nicht von selbst aus sich heraus so stark geworden. Insofern wird man auch die Ursachen weiter bekämpfen müssen.
Die Abriegelung der Grenzen zur Türkei und nach Jordanien wäre daher nach dem Fall Aleppos des nächste wichtige Schritt. Die NATO könnte dies auf ihrer Seite der Grenze tun und die Syrer auf ihre Seite. Die Kurden, Christen, Alewiten und Sunniten die an einer -wie auch immer gearteten- friedlichen Koexistenz Interesse haben, werden sich dann zu diplomatischen Gesprächen zusammenfinden. Ob es dann einen Staat mit Assad, einen Staat mit XY, oder mehere Staaten gibt, ist eine Fragestellung, die dann die Bürger Syriens zu klären haben. Es ist nicht Washington, Teheran, Moskau oder Riad die diese Frage zu entscheiden haben. Eine Aufteilung in Interessensgebiete durch Regional- und Weltmächte hat noch nie funktioniert und wird auch dort nicht funktionieren.
Zitat:
Die türkische Luftwaffe hat in der nordsyrischen Provinz Aleppo von kurdischen Einheiten kontrollierte Regionen bombardiert. Angegriffen worden sei nördlich der Stadt Aleppo eine Region, die die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) und arabische Verbündete vor zwei Tagen eingenommen hätten, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Ziele seien ein Dorf und der Flughafen Menagh gewesen.
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Asas liegt in dem von Rebellen wie der islamistischen Nusra-Front kontrollierten Korridor, der von der türkischen Grenze bis nach Aleppo führte. Die syrischen Regierungstruppen haben ihn bereits vor Tagen abgeriegelt.
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