Naja.. beim Überfliegen bin ich auf mehrere fragwürdige Stellen in dem Artikel gekommen, die ich kurzgefaßt auch als "Fehldarstellung" bezeichnen würde.
Generell halte ich recht wenig von diesen Selbstbehauptungsaufrufen. Mag der "Dialog der Kulturen" auch viel mit rhetorischer Befriedung zu tun haben (insoweit kann man dem Artikel vielleicht Recht geben), so sind die weiteren Schlüsse für mich einigermaßen verfehlt, weil zu schnell und auch oft sehr voreilig. Daher sind für mich solche Selbtsbehauptungsaufrufe auch nur bessere Phillipikas gegen den Islamismus. Mit ähnlich großem inhaltlichen Wert wie der Dialog der Kulturen.
Aber mal kurz zum Artikel und seinen Fehlern...
Zitat:Erstens offenbart er politische Hilflosigkeit vor der Größe des Konflikts, der sich da zusammenbraut. Was der Kalte Krieg im 20. Jahrhundert, das dürfte der Kampf der Kulturen im 21. Jahrhundert werden. War das geteilte Deutschland damals der Frontstaat, so ist dies heute Israel. Wieder werden Mauern errichtet, Atombomben gebaut, Ideologien mobilisiert, Stellvertreterkriege geführt.
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Das ist mit Verlaub - eine hochgradig verengte Sicht (kurz und knapp: falsch). Der Vergleich mit dem Kalten Krieg ist auch deshalb völlig verfehlt, weil wir es hier mit ganz anderen Herausforderungen zu tun haben. Zum einen muss man sich fragen, welche Kulturen überhaupt wieso sich bekämpfen. Geht es hier um ganze Kulturen, um Eliten, um unterdrückte und deprivierte Ausgeschlossene usw. Da schwegt sich der Herr Autor aus. Also doch nur dier Islamismus, der uns herausfordert?
Eine in sich heterogene, in sich mit sich kämpfende moslemische Welt, die die Richtung für das 21. jahrhundert bestimmen will und sich nach außen und innen gegen die dominierende und sie stark mitprägende westliche Welt stellt, kann nicht mal ansatzweise mit einer globalen Ideologie und einer regionalen Supermacht wie der Sowjetunion verglichen werden. Das ist ziemlich lächerlich, weil es die substanzielle Seite des Konflikts völlig vergißt. Der Kalte Krieg war die für 50 Jahre geltende global bestimmende rivalisierende Bipolarität zweier Supermächte. Das nun regionale Ringen mit dem Islamismus ist die Folge weltweiter Veränderungen und rein regional von Bedeutung.
Und Israel ist auch kaum der alleinige Frontstaat. Auch wieder mal eine einseitige Sicht der politischen Liberalen/Rechten. Auch könnte man zu Dingen wie Selbstmordattentaten und Atombomben sehr einfache Erwiderungen finden, denn es ist die reine selbstsüchtige Sicht der Dinge. Mögen uns Selbstmordattentate und iranische Atombomben oder Vernichtungsdrohungen gegen Israel nicht gefallen (und sie sollen uns nicht gefallen), so findet man doch stets die Antwort vice versa: Sind nicht 3 der 5 offiziellen Atommächte westliche Staaten? Wieso kann Israel ohne echten Grund so langen das Existenzrecht Palästinas aussetzen? Wieso darf der Westen wirtschaftlich den moslemischen Raum so ins Abseits drängen mit seinem Wettbewerb (wobei, die Globalisierung ist Sache Asiens und des Westens..).
Alles eine sehr einfache Sicht der Dinge, die hier präsentiert wird...
Zitat:Zweitens macht einen stutzig, dass der Begriff entweder als Tautologie daherkommt, als weißer Schimmel gewissermaßen. Denn es gibt gar keine Kultur ohne Dialog; auch keinen Dialog ohne Kultur. Ein Dialog der Kulturen ist etwas so minimal Selbstverständliches, dass die Forderung danach für eine echte Kultur fast beleidigend ist.
Das halte ich ehrlich gesagt für den dümmsten Schnitzer des Autoren. Intrakulturelle Kommunikation besteht immer. Kultur ist ein soziales Konstrukt, ein Derivat sozialer Strukturierung. Kommunikation gehört innerhalb einer sozialen Einheit, die gemeinsamkulturfähig ist, zusammen. Aber die Kommunikation zwischen den Kulturen ist aufgrund ihrer Verschiedenheit immer gefährdet, von Missverständnissen geprägt. Man braucht da eben ein großes Einfühlungsvermögen. Dialog ist da sicher auch kein guter Begriff. Man muss den anderen verstehen lernen.
Zitat:Wenn man im Westen nun, anstatt die Freiheit der Kritik zu verteidigen, in Sachen Karikaturen Selbstzensur übt, dann kann man auch gleich Lessings Ringparabel aus dem Lehrplan streichen, denn sie relativiert die Lehre Mohammeds. Dieser „Dialog der Kuluren“ bestünde dann wohl darin, den Pudel der Toleranz so lange zu streicheln, bis der eigene Maulkorb fertig ist. Man erinnert sich beim gegenwärtigen Kotau vor den Islamisten jedenfalls an Friedrich Nietzsches Beobachtung, wonach anbiedernde Toleranz den Verrat am eigenen Ideal in sich trägt.
Auch hier schießt der Autor weit übers Ziel hinaus. Da er ja Popper zitiert hat, werfe ich mal Bloch jetzt hinein: Man bedenken, dass wir in einer Welt leben, die durch die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit, durch die (nach Luhmann) Einheit der Verschiedenheit geprägt wird. Man muss nicht alles tolerieren, aber man muss wissen,wo man Grenzen ziehen muss und vorallem muss man mit Geduld auch die Entwicklung anderer respektieren.Wir sollen jetzt nicht die Islaqmisten einfach so machen lassen. Aber wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir da auch mitgewirkt haben und eine aggressive Selbstbehauptung haben wir angesichts der islamistischen Bedrohung wirklich nicht nötig...
Zitat:Ein drittes Element macht das Mantra vom „Dialog der Kulturen“ zwiespältig. Wovon handelt eigentlich dieser Dialog? Von Politik und Macht? Von Kunst und Literatur? Nein, er müsste im Kern von Religionen handeln. Da aber sind viele im Westen diskursunfähig geworden. Die weithin säkularisierte Kultur des Westens ist sich ihrer religiösen Tiefenstruktur gar nicht mehr bewusst. Wie soll eigentlich dialogisiert werden, was man selber gar nicht mehr versteht. Wer im Westen hat noch eine präzise Vorstellung von etwas Heiligem? Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen, empfahl Ludwig Wittgenstein.
Tja,die jetzige Terminologie ist wie gesagt, irreführend, aber der Autor macht es kaum besser, eher schlechter.
Es geht nicht nur um Religion,es geht um Gesellschaft allgemein. Es geht um die Gesellschaftskonzeption des 21. jahrhunderts. Wie sollen hochtechnisierte Massengesellschaften strukturiert sein? Darum geht es und es gibt eben auch anderslaufende Konzepte zu der unsrigen. Durch wirtschaftliche Globalisierung und damit verbundene Erfordernisse wurde sie vielen Gesellschaften in teilen auch aufgezwungen. Das stößt auf Widerstand. Langfristig aber kann das häufiger passieren. Lateinamerika wendet sich mehr und mehr nach links außen. In Asien grassiert auch der Islamismus, Nationalismus und in Indien erleben die Kommunisten sogar ein Revival. Die Probleme gehen sehr vielk tiefer.
So sehr mal also den Begriff des Dialogs der Kulturen auch mit Vorsicht benutzen sollte, so sehr sollte man aucht geben, die Probleme im wirklichen Licht zu sehen. Und da erwarten uns im 21.Jahrhundert noch ganz andere Brocken.....:oah:
Daher kann ich mich diesem Artikel wirklich nicht anschließen...