@ Iraner:
Das nicht unbedingt, stimmt.
Aber man darf eines nicht vergessen: Mitte und Ende der 80er ging es mit dem Ostblock rapide den Bach runter, und zwar überall. Die Wirtschaft stand kurz vor dem Kollaps, der (quantitative) militärische Vorsprung wurde geringer und im Volk gärte es wie in einem Fass frisch gekeltertem Traubensaft. Wenn man dann noch die von Thomas Wach angesprochen überalterte, senile und paranoiische Führungsriege berücksichtigt, halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass es zu einem letzten (militärischen) Aufbäumen des WP gekommen wäre. Was hatten sie schon zu verlieren? Der Untergang des Kommunismus war bereits in Sichtweite, da kann man auch einen Krieg riskieren. Man kann ja quasi nur gewinnen, denn aus sowjetischer Sicht kann es eh nicht mehr schlimmer kommen (wenn der Kommunismus zusammenbricht). Und wenn man die Nato tatsächlich besiegt hätte, hätte man zum einen gegen den großen idelogischen Feind gewonnen, ihn machtpolitisch ausgeschaltet, und gleichzeitig auch auch einen unheimlich wichtigen innenpolitischen Sieg errungen.
Wer will schon zu einem Feind überlaufen, bei dem es noch schlimmer aussieht als bei einem selbst?! Die psychologische Wirkung auf das eigene Volk wäre immens gewesen.
Ein solches Szenario halte ich auch durchaus für denkbar, auch wenn es zum Glück mit Gorbatschow dann anders ausging. Was haltet ihr davon?
Das Gleiche habe ich auch gedacht

@ Andreas
Für solch ein Szenario braucht man aber wirklich eine überalterte und senile bzw. paranoische Führungselite.
Denn niemand mit wirklichem rational-kalkulierenden Verstand würde solch ein riesiges Vabanquespiel vom Zaun brechen.
Immerhin sprechen wir hier nicht von einem kleinen netten kabinettskrieg des 18. Jahrhunderts.
Hier hätte es sich um die Entfesslung ungeheurer militärischer Zerstörungspotenziale gehandelt, wobei der Ausgang völlig ungewiß und der Einsatz riesengroß gewesen wäre ( der fortschrittlichste und am meisten entwickelte teil der Welt).
Daher hätte man wirklich paranoid sein müssen, um mit einem allmählich zugrundegehenden Staatswesen (UdSSR) und der dazu gehörigen Ideologie noch einen guten Teil der Welt mit in den Abgrund zu reißen.
Da hast du natürlich Recht, allerdings vergisst du eine Kleinigkeit:
Wer sagt denn, dass jeder Staatsmann absolut klar im Kopf sein muss?! Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass überproportional viele einen mehr oder minder großen Sprung in der Schüssel haben. Auch wenn das jetzt eine Phrase ist, aber manchmal ist der Grat zwischen Genie und Wahnsinn wirklich nur schmal. Das gilt insbesondere in der Politik. Und wenn so jemand dann auf der einen Seite noch hochintelligent ist, evtl. sehr gut reden kann (wie viele moderne Diktatoren), auf der anderen Seite jedoch die Realität verleugnet bzw. in einer selbstkreierten Scheinwelt lebt, dann...
Und das wäre ja was wir "brauchen": Jemanden, der die Bedrohungslage falsch einschätzt, seine eigene Stärke/Macht/Können überschätzt, evtl. ideologisch verblendet ist und von einem Beraterstab aus Jasagern umgeben ist. Und das war in der Sowjetunion durchaus gegeben.
Beispiele für solche Charaktere gibt es wahrlich genug, man brauch sich eigentlich nur mal das vergangene Jahrhundert anschauen: Hitler und Stalin waren die mit Abstand schlimmsten Verbrecher, aber auch Leute wie Mao, Saddam usw. hatten auch EINIGES auf dem Kerbholz. Dann noch die ganzen südamerikanischen und afrikanischen Möchtegern-Diktatoren..., sogar im modernen Europa gab es welche, Bsp Milosevic.
Damit will ich nicht behaupten, dass die alle einen Atomkrieg anfangen würden, wenn sie könnten, sondern nur, dass viele Staatschefs, Präsidenten und was sie alle sind, dort eigentlich nicht hingehören, sondern eher ins Gefängnis oder in die Klapse.
Manche von ihnen fingen sogar Kriege gegen übermächtige Feinde an, die gar nicht gut gehen konnten. Das ist auch nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass sie rational denken konnten.
Deshalb würde ich es nicht ausschließen, dass mein obiges Szenario hätte stattfinden können. Wenn nur vernünftige Menschen an der Macht gewesen wären, dann würde ich dir selbstverständich hundertprozentig zustimmen, nur es waren eben nicht alle vernünftig.
Lass mich aber noch ein letztes abschließendes Beispiel nennen, die Kuba-Krise 1962:
Weder Chruschtoschow noch JFK waren dumm bzw. galten sie als ausgesprochene Kalte Krieger, wie z.B. Reagan oder Breschnew. Trotzdem wäre es unter ihrer Führung fast zu einem atomaren Konfikt gekommen. Ich möchte nicht wissen, was passiert wäre, wenn damals zwei ideologische Sturköpfe aufeinandergeprallt wären...
Hmm ich würde mal behaupten, daß beide Seiten ideologisch verblendet gewesen sind. Sonst hätte es den Kalten Krieg nämlich nicht gegeben. Denn dazu braucht es mindestens zwei.
Beide waren zwar verblendet, aber ich glaube, dass man auch ohne einen Zweiten einen kalten Krieg hervorrufen kann.
Nämlich dadurch, dass sich eine Partei so bedroht FÜHLT, dass sie stark aufrüstet, dadurch werden Verhandlungen erschwert und die andere Partei ebenfalls verunsichert. Das ist ein ewiger Kreislauf.
Beide Seiten waren verblendet, und das war auch der Anlass für die Aufrüstung. Man muss sich ja nur mal die Situation Ende der 40er, Anfang der Fünfziger vor Augen halten. Hitlerdeutschland lag am Boden, die Alliierten hatten gesiegt. Allerdings hatte der Krieg insbesondere die Sowjetunion ungeheuer ausgeblutet, sie hatte die mit Abstand meisten Toten zu verzeichnen, ganze Regionen lagen in Schutt und Asche usw.. Der ganze "Große Vaterländische Krieg" hat in der russischen Mentalität ein riesiges Trauma hinterlassen, von daher war es nur verständlich, dass man alles tat, um so etwas nie wieder geschehen zu lassen.
Also haben sie schön weitergerüstet, auch noch nach dem Krieg. Dabei muss man anmerken, dass ja der Nationalsozialismus aus sowjetischer Perspektive die schlimmste Form des Kapitalismus darstellte, was den Ost-West-Gegensatz bereits in diesem frühen Stadium noch weiter verschärfte.
Zugleich war da noch eine Grundforderung des Kommunismus (ich glaube von Lenin formuliert, bin mir aber nicht sicher), die lautete, die Sowjetunion müsse in der Lage sein, ALLE äußeren Feinde notfalls zur gleichen Zeit besiegen bzw. zumindest in Schach halten zu können, da nur so der kommunistische Gedanke unter allen Umständen überleben würde. Das war die zweite Triebfeder für das intensive Rüstungsprogramm, das die Sowjets nach WK2 laufen ließen. Die dritte war schlicht und einfach die amerikanische Atombombe, die durch ihre bloße Existenz eine ernstzunehmende Bedrohung der Sowjetunion darstellte.
Bei den Westmächten verfuhr man anders. Der Krieg war vorüber und man verfügte über nukleare Kapazitäten, was jeglichen Angriff seitens eines Gegners (also wohl der Sowjetunion) illusorisch werden ließ. Demnach rüstete man konsequent ab.
Als die Sowjetunion allerdings schon 1949 ihre erste Atombombe zündete (was viel früher war als man angenommen hatte), war man dann im Westen natürlich geschockt. Jetzt hatte man wieder ein nukleares Patt, allerdings war die Sowjetunion auf dem konventionellen Sektor haushoch überlegen, vor allem quantitativ. Das führte v.a. in den USA zu einer öffentlichen Panikreaktion, die von Medien und auch gewissen Politikern noch zusätzlich verstärkt wurde, indem die Sowjetunion gewissermaßen verteufelt wurde und zur Ursache allen Übels hochstilisiert wurde. Auch die Bildung der sowjetischen Satellitenstaaten in Osteuropa betrachtete man mit zunehmender Sorge, bzw. man interpretierte es als Beispiel für eine kommunistische Expansionspolitik. Folge war die Wiederaufrüstung im Westen und die Gründung der Nato, was man im Gegenzug im Osten als expansionistisch einstufte.
Damit war man in einem Teufelskreis gefangen. Das Ziel der Sowjetunion war es, militärisch stärker zu sein als alle anderen Staaten der Welt, und die Nato versuchte genau das zu verhindern, da man sich vor einer solch drückenden Überlegenheit des neugegründeten Warschauer Paktes natürlich fürchtete. Und nachgeben kam für beide Seiten nicht in Frage, weil beide Angst davor hatten, dass der jeweilige Gegner jede Schwäche gnadenlos ausnützen würde.
@ Andreas: Genau mein reden, nur halt komplexer und informativer ausgearbeitet.
Was wäre eurer Meinung den der erste Schlag des Warschauer Paktes gegen die NATO gewesen? Ich glaube an einen starken Luftschlag - gegen militärische Ziele und Ziele des Transportwesens, die eine gewisse Bedeutung für den Nachschub bedeuten - Landebahnen, Bahnhöfe (für die Industrie) und Häfen sowie die Ausschaltung von Schiffen im Ärmelkanal und am Atlantik sowie eine Blockade - das übliche halt.
Was wäre für die NATO ein Grund gewesen, einen Krieg zu beginnen?
Die NATO ist und war im Bezug des Warschauer Paktes wohl eher zurückhaltender. Was jedoch ein casus belli für die NATO hätte sein können, wäre eine mögliche Blockade Berlins durch die NVA oder die Rote Armee...
Bei Aufständen oder Putschen hätte es die NATO wohl kaum gewagt einzugreifen...
Bei Aufständen wäre eben die Frage gewesen, wie dies die verschiedenen Parteien das auffassen und wie die Reaktion darauf aussieht. Ich weiß ja nicht, wie die Armee dort reagieren würde - besonders jene von den Militärbasen und Raketensilos.
Naja, die NATO hat gegenüber dem WP einen gewaltigen Nachteil: sie ist demokratisch :evil:. Wenn in sagen wir der Ostzone 1989 ein richtiger Aufstand ausgebrochen wäre, dann wäre von der Westseite aller Wahrscheinlichkeit nichts passiert. Wäre das umgekehrt gewesen und die SU hätte vor der Weltöffentlichkeit ein Einschreiten durch sagen wir massivste Verfolgung von Kommunisten und Sozialisten in der BRD entschuldigen können, dann hätte die Führung der SU einfach den Einmarsch befehlen können...
In der NATO fehlten für solch einen Entschluß (einmarsch in der Ostzone 1953, Hilfe beim Prager Frühling, hilfe bei den Aufständen in Ungarn) einfach der Wille zum Risiko bei den Demokratischen Regierungen im Westen. Und selbst wenn sagen wir USA, GB und Deutschland zugestimmt hätten, dann wäre solch ein Beschulss wohl kaum auch vom Rest der NATO mitgetragen worden...
Stimmt - jeder ist sich selbst der Nächste. Und wer will da schon einen Krieg mit einer "Supermacht" riskieren. Hinzu noch eine, die nukleare Waffen besitzt.
Zitat:Iraner postete
@ Andreas: Genau mein reden, nur halt komplexer und informativer ausgearbeitet.
Was wäre eurer Meinung den der erste Schlag des Warschauer Paktes gegen die NATO gewesen? Ich glaube an einen starken Luftschlag - gegen militärische Ziele und Ziele des Transportwesens, die eine gewisse Bedeutung für den Nachschub bedeuten - Landebahnen, Bahnhöfe (für die Industrie) und Häfen sowie die Ausschaltung von Schiffen im Ärmelkanal und am Atlantik sowie eine Blockade - das übliche halt.
Ja, Luftschlag und Marschflugkörper auf strategische Ziele, wahrscheinlich in Kombination mit Sabotageakten durch Spezialeinheiten.
Als erstes wohl "Wild Weasel" Angriffe gegen Luftabwehrstellungen, um gewisse Korriodore "freizuräumen", die die Flugzeuge dann auf ihren Angriffen hätten benutzen können. Primärziele wären gewesen Kommando- und Kommunikationseinrichtungen, Flughäfen, Verkehrsknotenpunkte (Autobahnkreuze, Häfen soweit möglich (evtl. durch Versenkung von Schiffen in der Fahrrinne) zentrale Bahnhöfe, Brücken, v.a. im Westen der BRD, da man die im Osten noch gebraucht hätte), Stromkraftwerke (ganz wichtig), Raffinerien bzw. Pipelines, etc., das wichtigste sollte ich haben.
Auch bedeutsam gewesen wäre eine Ausschaltung der AWACS-Maschinen, ich weiß nur nicht, wie man das schaffen sollte.
Auf See hätte man wohl eine Blockade des Atlantiks versucht, und höchstwahrscheinlich wichtige Schiffafhrtswege (Gibraltar und Ärmelkanal) mit Handelsschiffen vermint, evtl. auch Häfen, falls Kapazitäten da gewesen wären.
Nach den vorbereitenden Luftangriffen (oder gleichzeitig) hätte ein intensives Artilleriefeuer an allen Fronten eingesetzt, danach wären wohl die ersten Divisionen in die BRD reingerollt.
Meiner Meinung nach auch sehr wichtig gewesen wäre die Kontrolle über die Golfregion zu erhalten, wobei das sehr schwierig geworden wäre. Aber zumindest eine (Minen)Sperrung des Persischen Golfs wäre wohl drin gewesen.
@ Andreas
Ich würde die Haltung der Sowjetunion nach dem Zweiten weltkrieg etwas kritischer sehen, die zum kalten Krieg führte.
Die Sowjetunion hatte schon während des Krieges allein ihren eigenen Vorteil gesucht ( stichwort: Einmarsch in Polen und Winterkrieg gegen Finnland).
Die Sowjetunion, ob nun zum Anschein her kommunistisch oder nicht, war eben nur ein diktatorisches Regime, dass extrem imperialistisch ausgerichtet war. Und dafür benutzte man eben die kommunistische und sozialistische Ideologie zur Tarnung.
Meines Erachtens war eine gewisse Furcht im Westen vor der Expansion des Kommunismus nicht unbegründet.
In Osteuropa wurde auch der Kommunismus selbst in allierten Staaten mit dem gesetz der Stärke eingeführt. Dahinter steckte schon die imperiale Herrschsucht eines kranken Diktators, der sein Volk ohne Zögern hinmetzelte.
Und dies auch allein aus der Paranoia, dass seine unumschränkte Willkürherrschft in Gefahr wäre.
Von daher, wenn man von paranoia spricht, sollte man die unterschiedlichen Dimensionen schon beachten!
Denn die Paranioa war in den Herrschaftsetagen des Kreml eindeutig stärker ausgeprägt. Dass was sich in Polen, in der Tscheslowakei, aber auch IN finnland und Italien nach dem krieg zutrug, ar deutlich realer als die Hirngespinste in Stalins Kopf!
VOn daher wären die Aktionen wohl imer von seiten der Sowjets ausgegangen und eher nicht von der NATO.
Worauf Cyprinide auch ganz richtig hinwies:
Die NATO war ein Bund von Staaten, die hauptsächlich Demokratien waren.
So einfach konnte man da nicht Angriff befehlen.
ganz anders bei der Sowjetunion. Aufgrund fehlender Kontrollorgane war die macht ganz anders verteilt und viel konzentrierter.
Zitat:Auch bedeutsam gewesen wäre eine Ausschaltung der AWACS-Maschinen, ich weiß nur nicht, wie man das schaffen sollte.
Genau dazu wurde ja vermutlich die Kh-37 entwickelt. Die Waffe hatte eine sehr hohe Reichweite (ca. 200 km) und einen passiv/aktiven Suchkopf, der auf große "strahlende" Ziele ausgerichtet war. Damit sollte wohl das BVR- und Awacs-Defizit der sowjetischen Luftstreitkräfte ausgeglichen werden.