Werter Erich:
Bevor man die Frage der Sinisierung bestimmter Gebiete angeht muß man feststellen, dass die Sinisierung dieser Gebiete nicht überall gleich verlaufen ist, sondern höchst unterschiedlich und aus höchst unterschiedlichen Motiven. Desweiteren müßte man erstmal klären was Sinisierung überhaupt bedeuten soll? Die bloße Einwanderung von Han oder die Kulturelle Beeinflußung kombiniert mit der Einwanderung? Die Abnahme der vorherigen einheimischen Kulturen?
Insbesondere muß man sich von dem Motiv lösen, China habe Randgebiete erobert um dort überzählige Menschenmassen unterzubringen. Die Sinisierung dieser Gebiete lief oft ganz anders ab und je nach Gebiet unterschiedlich und aus unterschiedlichen Motiven.
Desweiteren muß man sich in Bezug auf die Geschichte vor 1911 von dem ganzen Ethnischen Denken lösen. Selbst die Han sind keine einheitliche Ethnie und unterscheiden sich je nach Region deutlich. China war und ist ein Mulitethnischer Staat mit zum Teil drastischen Kulturunterschieden selbst innerhalb der Gruppe der Han.
Der ganze Gedanken von Volk und Nation ist zunächst mal ein Europäischer Gedanke, der in Asien erst im 19 Jahrhundert langsam Einzug hielt. Insbesondere bei einer geschichtlichen Betrachtung der Sinisierung zur Zeiten des Kaiserreiches sollte man dies bedenken. Darüber hinaus sind nicht alle Chinesen die keine Tibeter usw sind damit automatisch Han. Gerade beispielsweise in Tibet sind andere Ethnische Minderheiten überproportional stark unter den Nicht Tibetern vertreten.
Und diese Einleitung beschließend muß man sich von dem Gedanken lösen, dass nur immer die Chinesen die anderen assimilieren würden. In der Geschichte Chinas wurden auch massenweise Chinesen umgekehrt von den Randvölkern assimiliert wofür insbesondere die Mandschurei und Nordchina ein sehr gutes Beispiels sind.
Tatsächlich aber haben sich umgekehrt die Han in den Randgebieten in großen Massen an die Randvölkern kulturell angepasst und gerade darin liegt die besondere Integrationskraft und Assimilierungskraft der Han, das sie sich zugleich immer auch an die Randvölker umgekehrt assimiliert haben.
Zitat:stimmt so nicht; es gibt zwar eine Auswanderungs- oder Fluchtbewegung von Tibetern insbesondere nach Indien zum Dalai Lama, die Sinieiserung der Bevölkerung geht aber überwiegend von Han-Zuwanderern aus.
Es wandern zwar immer noch einige Tibeter nach Indien und Nepal aus, aber das ist nur ein winziger Bruchteil der tibetischen Auswanderung.
Die Masse der Tibeter die ihr Land verlässt, wandert nach Osten, insbesondere an die Ostküste, also innerhalb Chinas.
Wenn man nun von einer Sinisierung der Bevökerung Tibets spricht und/oder annimmt das diese heute durch Zuwanderung entstehe, dann hat man keine Ahnung wie es sich in Tibet wirklich verhält.
Wie verhält es sich nun in Tibet: Heute können mehr Tibeter als jemals zuvor in der tibetischen Geschichte die tibetische Schrift lesen und schreiben. Tibeter wie Han wie andere lernen in der Schule in Tibet die tibetische Schrift und Kultur. Die Zahl der Klöster und Mönche wie deren Einfluss nehmen zu. Die tibetische Kultur wird wieder zunehmend lebendig und entwickelt sich weiter und ist heute stärker und verbreiteter als jemals zuvor in der Geschichte.
Umgekehrt gibt es heute keine nennenswerte Einwanderung von Han mehr nach Tibet, das Leben dort gilt als zu schwierig, das Zusammenleben mit den Tibetern als zu konfliktreich.
Die Nicht-Tibeter in Tibet nun wurden von den Kommunisten dort angesiedelt. Das ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung zunimmt liegt daran, daß die bereits dort lebenden sich schneller vermehren als die Tibeter und eben daran das sehr viele Tibeter aus Tibet auwandern (aus wirtschaftlichen Gründen). Es wandern auch sehr viele Han aus wirtschaftlichen Gründen aus Tibet aus.
Jetzt aber der entscheidende Punkt: Trotz allem sind die Tibeter in Tibet immer noch die Bevölkerungsmehrheit ! Und sie werden es auch bleiben. Trotz aller tibetsichen Auswanderung und Zunahme der Nichttibeter werden die Tibeter auch die nächsten Jahrzehnte in Tibet die Mehrheit stellen !!
Wie in vielen weiteren Beispielen wird also hier die Politik der Kommunisten zur Zeit der Kulturrevolution mit dem heutigen Geschehen vermengt und falsch interpretiert. Das Ziel der Kulturrevolution war nicht die Sinisierung sondern die Zerstörung der religiösen Kultur an sich, nicht gegen Tibet gerichtet sondern gegen ganz China.
Es wurden ja in China auch prozentual zur Gesamtbevölkerung in dieser Zeit mehr Han umgebracht als in Tibet Tibeter. Es wurden ja in anderen Gebieten Chinas mehr Klöster und Tempel zerstört als in Tibet.
Trotz der Kulturrevolution ist gerade die tibetische Kultur besser davon gekommen als die buddhistische Kultur in den Kerngebieten der Han und die tibetische Kultur hat überlebt und wurde gestärkt. Heute ist sie stärker und mehr im tibetischen Volk verbreitet als vorher.
Gerade dadurch ist der Konflikt zwischen Tibetern und Han so stark.
Es gab also in Tibet keine Sinisierung durch Han Zuwanderer, sondern durch die Kulturrevolution wurde die tibetische Kultur teilweise zerstört. Heute wiederum restauriert sich die tibetische Kultur und die Zuwanderung von Han ist zum Erliegen gekommen. Die Zunahme an Han in Tibet kommt nicht von Zuwanderung, sondern von der Vermehrung der bereits im Land lebenden Han die von den Kommunisten dort angesiedelt wurden.
Und das wichtigste nochmal zum Schluss: Die Tibeter sind die Bevölkerunsgmehrheit in Tibet und werden aus auch bleiben. Da das Leben in Tibet zu schwierig ist und aus wirtschaftlichen Gründen keine nennenswerte Einwanderung mehr stattfindet.
Zitat:Dieselbe Beobachtung sieht man in Hsinkiang (Ost-Turkestan), wo - trotz der "Mehrkind-Erlaubnis" für die Minderheitsvölker - der Anteil der Han von Osten her entlang der Verkehrswege massiv zunimmt. Das enorme Bevölkerungswachstum in dem Gebiet ist vor allem dem Zuzug der Han und der Überfremdung der turksprachigen Bevölkerung zuzurechnen.
Ein schönes Beispiel dafür wie sich eben die verschiedenen Gebiete deutlich unterscheiden. Hier hast du nämlich recht und die Lage verhält sich eben ganz anders als in Tibet. Es gibt hier einen massiven Zuzug von Chinesen aus anderen Teilen des Landes. Aber auch das sind nicht alles Han. Es wandern beispielsweise viele Menschen aus der Inneren Mongolei in dieses Gebiet ab die von ihrer Herkunft her Mongolen sind oder Mischlinge.
Wenn man nun von einer Überfremdung dieser Gebiete spricht sollte man sich mal die Geschichte ansehen: diese Gebiete waren schon früher immer wieder mal unter chinesischer Kontrolle und auch früher schon gab es Siedlungswellen von Han in diese Gebiete. Schon zur Zeit der Tang Dynastie waren diese Gebiete Chinesisches Territorium.
Und auch hier wird heute die Kultur der Turkvölker in dieser Region restauriert. Du nennst sogar selbst schon Maßnahmen wie beispielsweise das die Turkvölker von der EinKind Regelung ausgenommen sind im Gegensatz zu den Han die in diesen Gebieten siedeln.
Wenn du nun den Zuzug anderer Chinesen in diese Gebiete beklagst und als negativ darstellst, was der Begriff Überfremdung wohl bedeuten soll, dann solltest du dir mal die Geschichte ansehen und wie massiv diese Gebiete früher kulturell Chinesische geprägt waren. Erst durch die Niederlage der Tang im Kampf gegen die Muslime und die Kriegszüge der Mongolen in Zentralasien ist die chinesische Kultur in diesen Gebieten untergegangen. Die Han in diesen Gebieten assimilierten sich dann an die Turkvölker, viele Uiguren haben in Wahrheit chinesische Vorfahren.
Das Heute in diesen früher weitgehend menschenleeren Gebieten Chinesen siedeln ist für die Frage des Erhalts der Kultur der Turkvölker nachrangig. Wenn etwas die Kultur dort bedroht dann ist das die westliche Anglo-Amerikanische globale Einheitskultur und das die Han Chinesen eben diese westliche Anglo-Amerikanische Einheitskultur dort verbreiten.
Das Ende vom Lied ist Jeans und McDonalds für alle. Aber sind das chinesische Kulturinhalte? Ist der Niedergang der Kultur der Turkvölker also durch chinesische Einwanderung verursacht? Die Antwort ist ja, aber nur weil diese Einwanderer westliche Kulturinhalte dorthin transportieren.
Die Turkvölker werden also nicht sinisiert, sondern verwestlicht. Uigurische Islamisten kämpfen nicht gegen die chinesische Schrift, nicht gegen die chinesische Kultur sondern gegen die Diskos die die chinesischen Einwanderer mitgebracht haben. Gegen Jeans und Freiheit für die Frauen.
Von einer Sinisierung kann also keine Rede sein. Es sei denn man versteht diese rein Ethnisch. Und dieser Verdacht das du Erich hier versteckt Rassisches Denken verfolgst drängt sich zunehmend auf.
Zitat:Ein anderes Beispiel für die (hier erfolgreiche) Sinisierung ist die Mandschurei. Das chinesische Reich endete früher an der "großen Mauer", die bei Shanhaiguan an das Gelbe Meer (Bo Hai Bucht) anschließt.
China endete früher absolut nicht an der Mauer. Das ist eine typische, aber falsche Darstellung. Vor dem Aufstieg der Mandschu standen weite Teile der Mandschurei unter chinesischer Herrschaft und waren bereits chinesische besiedelt.
Als die Mandschu die Ming aus der Mandschurei vertrieben und die Militärorganisation der 8 Banner errichteten, war der Gros der Soldaten der 8 Banner bereits Han.
Auch Kulturell sollte man bedenken, wie stark der Einfluss der chinesischen Kultur auf die Mandschu schon lange vorher gewesen war, schon im Mittelalter hatten die direkten Vorfahren der Mandschu über Nordchina geherrscht. Während sich die Mandschu schon im Mittelalter in der Jin Dynastie sinisierten, assimilierten sich in der Mandschurei umgekehrt sehr viele Han an die Mandschu. Selbst in Nordchina wurde die chinesische Kultur umgekehrt von den Mandschu massiv beeinflusst.
Viele was als typisch Nordchinesische gilt, ist in Wahrheit mandschurisch.
Zitat:Die letzte chinesische Dynastie der Mandschu ist eigentlich (wie seinerzeit die Mongolen unter Dschingis Khan) eine Fremdherrschaft.
Das verkennt wie eingangs erwähnt die Natur und das Selbstverständnis der damaligen Herrschaftsgebilde. Der Gedanke von Volk und Nation war damals noch nicht vorhanden. Das waren Feudalherrschaften in der die Frage der Nation keine Rolle spielte sondern die Frage von Herrscher - Gefolgsleute - Beherrschte.
Wenn man einen Han in dieser Zeit beispielsweise aus Guandong gefragt hätte woher er kommt hätte er gesagt: ich komme aus Guandong. Hätte man ihm erklärt das er ein Han sei und damit der gleichen Ethnie angehöre wie andere Han in Shanghai oder Bejing hätte er dies gar nicht verstanden. Er wäre verärgert gewesen.
Viele Geschichtsbücher stellen einfach das Lebensgefühl und die Selbstwahrnehmung der Menschen in dieser Zeit falsch dar. So sprechen viele Bücher beispielsweise von den Nationalchinesischen Ming. Aber es gab den Begriff der Nation im heutigen Sinne damals nicht. Die Ming waren nicht nationalchinesisch und ihre Herrschaft wurde in Guandong beispielsweise genau so als "Fremdherrschaft" (im Sinne einer Herrschaft von Leuten die nicht aus der Region stammen) wahrgenommen wie die der Mandschu.
Zitat:Bis zum ersten Weltkrieg waren Han-Chinesen in der Mandschurei nach meiner Kenntnis eine ethnische Minderheit.
Schon zur Zeit von Nurhaci (also vor der Eroberung des Ming Reiches durch die Mandschu) stellten Han aus der Mandschurei ungefähr 50% der Truppen der 8 Banner. Der Anteil der echten Mandschu in der Mandschurei betrug selbst zu dieser Zeit nur 20%.
Diese Han nördlich der Mauer assimilierten sich aber zu dieser Zeit an die Mandschu und nicht umgekehrt.
Zitat: erst seit dem zweiten Weltkrieg hat eine massive Besiedlung der Mandschurei durch Han-Chinesen eingesetzt Die Han haben inzwischen die ganze Mandschurei sinisiert und drängen.
Es gab schon vorher viele Han Chinesen in der Mandschurei. Richtig an dieser Darstellung ist aber, daß die Kommunisten dann eben eine massive Besiedelung dieses Gebietes begannen. Um dort Schwerindustrie aufzubauen.
Aber wieder impliziert dein Text eine Trennung von Han und Mandschu die so in der Realität gar keinen Bestand hatte. Schon lange vor dem Ersten Weltkrieg sprachen fast alle Mandschu das Mandarin. Und vieles was typisch Nordchinesische Kultur ist (und die Einwanderer kamen fast alle aus Nordchina) ist in Wahrheit mandschurischen Ursprungs.
Die Massive Besiedelung der Mandschurei durch die Kommunisten hatte also keine Sinisierung zur Folge, sondern die Mandschu waren schon sinisiert selbst bevor sie das Reich der Ming eroberten. Schon lange vor dem Ersten Weltkrieg sprach der Mandschu Adel nur noch Mandarin.
Es gab keine Sinisierung der Mandschu durch die Einwanderung in der Kommunistischen Zeit, die Sinisierung der Mandschu fand schon vorher statt.
Die scharfe Trennung zwischen den Han und anderen Chinesen ist zudem eine künstliche und eine vom Westen so begriffene. Die Manschu sind ebenso Chinesen wie die Han.
Zitat: als Händler und Handlanger über die russisch-chinesischen Grenzflüsse auch in das russische Sibirien vor.
Da ich dieses Gebiet höchstselbst kenne, kann ich dazu einiges sagen: Es dringen seit dem Ende des Kalten Krieges tatsächlich sehr viele Chinesen nach Sibirien vor. Das muß man aber von der Frage der Siedlungspolitik in der Mandschurei zur Zeit Maos völlig lösen. Die Mehrzahl der Chinesen die ich in Sibirien getroffen habe stammt nicht aus der Mandschurei!
Sie stammt aus Nordchina, insbesondere aus dem Gebiet der Inneren Mongolei.
Da immer gleichförmig die Gebiete der Turkvölker, Tibet und die Mandschurei genannt werden möchte ich an dieser Stelle auch mal das Licht auf die Frage der Inneren Mongolei lenken.
In dieses Gebiet nördlich der Großen Mauer fand nach der Eroberung des Ming Reiches durch die Mandschu im 18 Jahrhundert eine massive chinesische Einwanderung statt. Schon im 19 Jahrhundert und damit lange vor dem Ersten Weltkrieg war die Innere Mongolei sinisiert.
Dennoch gibt es gerade auch hier heute wieder eine Restauration der mongolischen Kultur. Während die mongolische Kultur in der freien "demokratischen" Mongolei massiv im Niedergang begriffen ist (Jeans, McDonalds und Disco für alle) restaurieren sich mongolische Kulturinhalte gerade in der Inneren Mongolei, beispielsweise wird dort die Mongolische Schrift wieder benutzt während man in der Äußeren Mongolei kyrillisch schreibt.
Nach dem Ende des Kommunismus aber ist die Industrie und die Wirtschaft in der Inneren Mongolei zusammen gebrochen. Das Land selbst ist heillos überbevölkert mit Han Chinesen deren wirtschaftliche Probleme gerade diese Region zu einer Auswanderungsregion machen.
Desweiteren breitet sich die Wüste Gobi immer mehr in die Innere Mongolei aus was Massen von chinesischen Bauern (mehrere Millionen mindestens) gezwungen hat auszuwandern. Daher ist gerade die Innere Mongolei heute ein Gebiet aus dem Han Chinesen in großer Zahl nach Westen in die Gebiete der Uiguren oder in die Äußere Mongolei oder nach Russland auswandern.
Zitat:Dazu baut China andere Energiearten (z.B. Atomstrom, Windenergie) massiv aus. Es ist denkbar (wir befinden uns ja immer noch unter "Spekulationen"), dass China das "Erdölzeitalter" sogar weitgehend überspringt und stattdessen direkt von der Kohle zu anderen Energiearten umsteigt.
China baut zur Zeit gerade übrigens das größte Solarkraftwerk der Erde. In 5 Jahren soll dieses Sonnenenergiekraftwerk so viel Strom bringen wie zwei Atomkraftwerke.